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»Aus der Geschichte nichts gelernt«

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Politischer Aschermittwoch der CDU in Alsfeld: IHK-Präsidenten Rainer Schwarz (3. v. r.) mit Dr. Hans Heuser, Michael Ruhl, Dr. Jens Mischak, Alexander Heinz, Ulrich Künz und Stephan Paule. © Red

Alsfeld (bf). Der Krieg von Russland gegen die Ukraine hat die Welt verändert. Er hat aber auch Schwächen der Politik der Vergangenheit deutlich aufgezeigt. »Es wurde zu viel vertraut - und wenig nachgedacht«, so Rainer Schwarz, Präsident der IHK Gießen-Friedberg, beim »Heringsessen« am »politischen Aschermittwoch«.

Alexander Heinz, Vorsitzender des Alsfelder Stadtverbandes der CDU, zeigte sich erfreut über den guten Besuch. Er begrüßte mit Rainer Schwarz den amtierenden IHK-Präsidenten, denn im Mittelpunkt stand der Umstand, dass viele Unternehmen derzeit unter den Energiekosten leiden, aber auch unter der hohen Inflation.

Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule wies auf ein »Mammutprogramm« von kommunalpolitischen Aufgaben in der Zukunft hin. Das »Auftragsbuch« sei voll - es müsse abgearbeitet werden.

Für Weiterbetrieb von Atomanlagen

Nach der Corona-Zwangspause befinden sich Deutschland und Europa in einem schwierigen politischen Fahrwasser, so Rainer Schwarz. Die Hilfsprogramme zu Beginn der Corona-Zeit hätten kaum gewirkt. Das hatte Folgen für die Unternehmen und auch für die etwa 55 000 Mitgliedsbetriebe der IHK Gießen-Friedberg. Im Bundestagswahlkampf sei es fast nur um die Klima-Krise gegangen, »andere Themen, darunter Wirtschaft und Energie, fanden nicht statt«. Und Schwarz ging noch weiter: »Eigentlich hätte man den Ukraine-Krieg politisch voraussehen und die möglichen Folgen daraus erkennen müssen.« Bei einem Besuch in Lemberg 2021 sei ihm deutlich geworden, dass die Ukraine mit dem Russland-Angriff gerechnet hat.

Die Politik habe sich nicht nur geirrt, »sie wurde so richtig wachgerüttelt«. Aus der Geschichte habe man nichts gelernt. Im Gegenteil: »Wir haben unsere eigene Energiekrise in den letzten Jahrzehnten so richtig aufgebaut.«

Gleiches gelte für den Atomausstieg, den die CDU-FDP-Regierung 2010 nach dem Reaktorunfall in Fukushima rigoros umsetzte - ohne Alternativen zu sichern. Konsequent seien neue Gaswerke gebaut worden, ohne im Besitz von Gas zu sein - man lebte aus der Abhängigkeit vom Beschaffungsmarkt Russland.

Beim Strom sei es ganz anders, so Schwarz, Strom sei nicht speicherbar oder einzulagern. Der »Spotmarkt« - die Strombörse - bestimmt den Preis. Der Gaspreis habe sich etwas erholt, der Strompreis werde hoch bleiben, meinte der Redner. »Hier steht der Gewinn im Vordergrund.« In der Energiepolitik fehle es an einer Strategie, so Schwarz. Im Zusammenhang mit Windkraft, Fotovoltaikanlagen, Wärmepumpen oder E-Mobilität setze man richtigerweise auf Klimaschutz, vergesse aber dabei, dass diese Energiepolitik hochabhängig sei vom Strom. Und der Strom könne nicht sofort überall sein, wo er gebraucht werde.

Es gebe »Dunkelzeiten und Windflauten, da helfen keine Fotovoltaikanlagen«. Schwarz verwies auf Frankfurt, dort könne kein großes Rechenzentrum mehr gebaut werden, weil der nötige Strom nicht zur Verfügung stehe. »Wir brauchen in Sachen Energie mehr Diversität, mehr Speichertechnologie und es fehlen Leitungen von Nord nach Süd.«

Und deshalb seine Forderung: Die bestehenden Atomkraftwerke müssten weiter laufen, sonst komme es zur Energieknappheit mit den entsprechenden Folgen. Denn die regenerativen Energien könnten die Stromversorgung derzeit nicht sicherstellen.

Rainer Schwarz streifte auch das Thema Inflation, das auch der heimischen Wirtschaft und besonders dem Einzelhandel, der Gastronomie und im Wohnungsbau »Kummer« bereite. Denn Inflation bremst Konsumverhalten und Investitionen. Auch höhere Lohnabschlüsse schafften keine Lösungen auf Dauer.

Zum Thema Facharbeitermangel müsse man die Bildungspolitik neu aufstellen, das duale Ausbildungssystem sei der Schlüssel zum Erfolg; nicht die Hochschulen allein.

Bei der Aussprache gab es Erläuterungsbedarf in Sachen PV-Anlagen. Heiko Rau, Landwirt aus Eudorf, kritisierte die bestehende Rechtslage, die der Stromgewinnung durch PV-Anlagen entgegenwirke. Obwohl er ein geeignetes Gelände aufweisen kann, sei die Stadt Alsfeld momentan nicht in der Lage, einen Bebauungsplan dazu aufzustellen, das Verfahren sei mehr als bürokratisch; auch im Anhörungsausschuss beim Vogelsbergkreis habe sich nichts in Sachen Genehmigung bewegt. Rau: »So verhindert man regenerative Energiegewinnung.«

Auch der Wahlkampf spielte eine Rolle, denn am 8. Oktober wird auch der Landrat des Vogelsbergkreises gewählt.

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