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21 Monate Haft für »Ella«

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Von: Barbara Czernek

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Die Umweltaktivistin »Ella« ist vom Landgericht Gießen zu einer Haftstrafe verurteilt worden. © Barbara Czernek

Alsfeld/Gießen (bac). Ein Jahr und neun Monate für die Umweltaktivistin »Ella«. Mit diesem Urteil hatten die Unterstützer und die Verteidiger der Umweltaktivistin wohl nicht gerechnet: Der Vorsitzende Richter der dritten kleinen Strafkammer am Landgericht Gießen, Dr. Johannes Nink, sprach die Angeklagte schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen einen Vollstreckungsbeamten.

Im Anschluss an die Urteilsverkündung kam es im ausgelagerten Gerichtssaal zu tumultartigen und lautstarken Gesängen und »Free Ella«-Rufen im Zuschauersaal, der daraufhin von der Polizei geräumt wurde. Die Proteste waren so lautstark, dass die Begründung des Richters teilweise darin unterging und er daraufhin die mündliche Urteilsbegründung abkürzte.

Das Gericht sah sowohl den Fußtritt gegen den Helm eines SEK-Beamten wie auch den Kniestoß gegen einen weiteren Beamten als erwiesen an. Der Richter folgte damit im Wesentlichen dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Alsfeld, allerdings wurde das Strafmaß um sechs Monate nach unten gesenkt. Damit wurde die Berufung der Angeklagten verworfen. Ihr bleibt nur noch die Möglichkeit, gegen dieses Urteil binnen einer Woche Revision einzulegen.

Mangelnde Kooperation

Der Richter zeigte sich deutlich enttäuscht über die aus seiner Sicht mangelnde Kooperationsbereitschaft der Angeklagten, die sich bis dato weigert, ihre Identität preiszugeben. Er widersprach auch der Auffassung der Verteidigung, dass es sich bei der Räumung um eine rechtswidrige Aktion gehandelt habe und sich die Angeklagte daher in einer Notwehrsituation befunden habe.

Die Angeklagte postuliere für sich rechtsfreie Räume, die die staatliche Gewalt ausschließen würden. »Das ist ein totalitäres Verhalten. Ein Angriff auf den Rechtsstaat. Klimaschutz ist kein Verbrechen, aber er muss sich im Rahmen des Gesetzes bewegen«, sagte er dazu.

Zuvor hatten die beiden Verteidigerinnen Waltraud Verleih und Eva Dannenberg auf eine Einstellung des Verfahrens plädiert, aufgrund von behebbaren Verfahrenshindernissen. Sie bemängelten insbesondere, dass keine Ermittlungen herangezogen worden seien, die zur Entlastung der Angeklagten beigetragen hätten, obwohl laut Gesetz die Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet sei.

Sie hatten sich wenigstens eine Äußerung dahingehend erhofft, dass das Verfahren »suboptimal« verlaufen sei. Stattdessen habe man das Verfahren ausgesessen, ohne zur Kenntnis zu nehmen, was zur Entlastung vorgetragen wurde. »Das ist ein Skandal«, betitelte Verleih die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft. Stattdessen habe die Staatsanwaltschaft die Taten zu einem Anschlag auf den Rechtsstaat gemacht. Insgesamt sei eine Verurteilung nicht notwendig und damit Berufungsverfahren vermeidbar gewesen. Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht.

Worte der Angeklagten

In ihrer abschließenden Stellungnahme verwies »Ella«, wie sich die »Unbekannte weibliche Person 1 (UWP1)« selbst nennt, auf eine lange Historie der Gewalt, die mit der Privatisierung von Lebensraum einhergehen würde. »Dieser Wohlstand auf Kosten von Anderen ist die wiederkehrende patriarchale Beherrschung«. Daher widmete sie diese Einlassungen auch vor allen denjenigen, die in diesem Zusammenhang von mächtigen Männern verfolgt worden seien, auch wenn man heute nicht mehr als Hexe verbrannt werde. So widme sie diese Zeilen »auch allen verfolgten Hexen«, deren Widerspenstigkeit sie teile, »denn die wahren Heiligtümer sind Erde, Wasser, Feuer und Luft, die es zu schützen gilt«.

Und sie verglich ihr Handeln mit dem anderer Widerstandskämpfer und bezeichnete die Demokratie »als ein System der Mehrheitsherrschaft, in dem Entscheidungen von einigen Auserwählten getroffen werden, die von denen abgehoben sind, über die sie entscheiden«.

Sie wehrte sich jedoch ausdrücklich dagegen, als Staatsfeind bezeichnet zu werden, denn sie wolle lediglich in einer freieren Welt leben, so wie sie in den autonomen Zonen im »Dannenröder Forst« gelebt worden seien. »Dieser Wille zur Macht über andere ist der grundlegende Unterschied zwischen Staatstreuen und den Leuten aus der Bewegung, die wollen, dass wir nur über uns selbst herrschen.«

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