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Alleinerziehend auf dem Land

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Von: Sophie Röder

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Das Kind versorgen, Anträge ausfüllen und mehr müssen Alleinerziehende oft ohne Unterstützung bewältigen. SYMBOLBILD: IMAGO © Imago Sportfotodienst GmbH

Hohe Mietpreise und Lebensmittelkosten machen vielen zu schaffen. Für Alleinerziehende ist die Belastung noch höher. So fehlt ihnen nicht nur ein zweites Gehalt, sondern auch jemand, der sie unterstützt. Auf dem Land sind die Probleme noch einmal anders als in der Stadt. Eine Mutter aus Homberg berichtet.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat sie ihre Tasche gepackt und ist mit ihrem damals zehn Monate altem Sohn gegangen. Von einer größeren Stadt im Norden hat es die nun Alleinerziehende in den Vogelsberg verschlagen. »Alleinerziehend war ich eigentlich die ganze Zeit«, sagt die junge Frau, die zu ihrem Schutz anonym bleiben möchte. Der Schritt sei ihr nicht leichtgefallen. Doch zum Schutz ihres Sohnes und des ungeboren Kindes habe sie den Mut gefunden, ihren gewalttätigen Partner zu verlassen. »Ohne den Kleinen wäre ich vermutlich noch bei ihm.«

Die Trennung war nicht die einzige Herausforderung. Im Alltag warten viele Hürden. »Ich bin mit allem allein«, sagt sie. Im Vogelsberg angekommen stand zunächst die Wohnungssuche an. »Ich habe bestimmt über 100 Wohnungen angefragt. Bei der Hälfte wurde ich direkt abgelehnt, weil ich alleinerziehend bin und Geld vom Jobcenter beziehe.«

Ursprünglich hat die junge Frau in der Gastronomie gearbeitet. Im Zuge der Pandemie hat sie ihre Arbeit verloren. Kurz darauf ist sie schwanger mit ihrem ersten Kind geworden. Ein Kind sei zwar geplant gewesen, doch nicht zu diesem Zeitpunkt.

Ein anderes Problem bei der Wohnungssuche waren die Mietkosten. Viele Wohnungen liegen über dem Betrag, der vom Amt übernommen wird. »Ich dachte, wenn ich von der Stadt aufs Land ziehe, wird es günstiger. Aber die Mieten nehmen sich nichts.« So sind die Mieten während ihrer Suche von Woche zu Woche gestiegen. Dann habe sie Glück gehabt und eine Wohnung in Homberg bekommen. Jedoch nicht wie geplant in der Kernstadt, sondern in einem der kleineren Stadtteile.

Obwohl die Hombergerin dankbar ist, die Wohnung bekommen zu haben, stelle sie das vor neue Herausforderungen. »Die Busverbindungen sind schlecht. Das erschwert einiges.« Egal, ob es nur zum Einkaufen oder der Weg zu einem Arzttermin für den Kleinen ist. »Ich bin entweder lange unterwegs oder muss fragen, ob mich jemand fahren kann.« Einen Führerschein hat sie nicht, in der großen Stadt war das nicht nötig. Nun hat sie nicht die Möglichkeit, einen zu machen.

Einmal die Woche besucht sie mit ihrem inzwischen ein Jahr altem Sohn einen Kurs im Familienzentrum in Homberg. »Das ist unser Highlight.« So kann der Kleine mit anderen Kindern in Berührung kommen und auch die Neu-Hombergerin Kontakte knüpfen. Bis ihr Sohn in den Kindergarten kommt, dauert es noch. U3-Plätze gebe es nur für Arbeitende, unabhängig davon ob man alleinerziehend sei oder nicht. Für den Ü3-Platz steht sie auf Wartelisten. Schon jetzt stellt sich die Frage, welcher Kindergarten es später werden soll. Da sich die Alleinerziehende überlegen muss, wie sie ihren Erstgeborenen da hinbringen kann, wenn das zweite Kind da ist. »Ich wollte kein zweites Kind und habe auch die Pille genommen«, erzählt sie. Dennoch sei sie schwanger geworden. »Und als ich das Herzchen auf dem Ultraschall gesehen habe, musste ich es einfach behalten« - auch wenn es nicht einfach sei. Zumal es sich um eine Risikoschwangerschaft handelte. »Da fragt man sich, wie schnell braucht im Ernstfall der Krankenwagen von hier zur Klinik.«

Hinzu kommen natürlich auch Sorgen, die derzeit viele teilen: »Ich bin schon immer eine sparsame Einkäuferin gewesen, aber Lebensmittel sind unglaublich teuer geworden. Und für den Kleinen kann ich auch nicht nur das Billigste kaufen, die günstige Babymilch hat ihm zum Beispiel nicht geschmeckt.« Und so sei regelmäßig die Angst da, dass das Geld nicht bis zum Ende des Monats reicht.

Auch wenn sie viele Hürden zu meistern habe, ist die Alleinerziehende froh, ihren Partner verlassen zu haben. »Auch der Kleine ist wie ausgewechselt, seit wir hier sind. Vorher war er ein Schreikind, jetzt weint er kaum noch.« Und eines ist für sie klar: »Auch wenn es vieles leichter machen würde, ein neuer Partner ist für mich keine Lösung. Dann lieber die Hürden als Alleinerziehende.«

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