Zurück nach schwierigen Phasen

Erst gefeiert, dann gestolpert - und nun zurück im DHB-Team: Der junge Spielmacher Juri Knorr will die deutschen Handballer in den Playoffs gegen die Färöer zur WM führen.
Rauf. Runter. Rauf. Für Juri Knorr fühlten sich die vergangenen Monate an wie eine nicht enden wollende Achterbahnfahrt. »Es war keine einfache Zeit für mich mit schwierigen Phasen. Auch abseits des Handballfeldes«, sagt Knorr. Der junge Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft wirkt nachdenklich. Und das ist kein Wunder.
Keine anderthalb Jahre ist es her, da wurde der handballerisch hochbegabte Juri, Sohn des früheren Nationalspielers Thomas Knorr, schon von vielen als Heilsbringer gefeiert. Er wurde zum Jahrhunderttalent und Retter des deutschen Handballs hochgejazzt. Selbst Bundestrainer Alfred Gislason sprach nach Knorrs Länderspiel-Premiere im Herbst 2020 vom Start einer »sehr wichtigen Karriere für Deutschland«.
Doch mit seinem Wechsel aus dem beschaulichen Minden ins Starensemble der Rhein-Neckar Löwen ging im vergangenen Sommer eine nicht zu übersehende Leistungsdelle einher. Knorr verkrampfte mit jedem Spiel mehr. Für zusätzlichen Wirbel sorgte eine Impfweigerung, die den gebürtigen Flensburger schließlich die EM im Januar kostete und ihn bei einigen in Handball-Deutschland zu einer Persona non grata, zu einer unerwünschten Person in der Nationalmannschaft, machte.
Doch nun ist der 21 Jahre alte Knorr zurück. Gestärkt von den Erfahrungen der letzten Monate will er die deutschen Handballer um den Wetzlarer Torhüter Till Klimpke in den Playoffs gegen die Färöer zur WM führen. »Es ist schön, wieder hier bei der Mannschaft dabei zu sein«, sagt Knorr vor dem womöglich vorentscheidenden Hinspiel am Mittwoch (18.15 Uhr/Sport1) in Kiel. Seine Worte kommen zwar weniger euphorisch als noch damals, zu Beginn seiner DHB-Karriere, daher, doch sie wirken reflektiert und irgendwie authentisch. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben Knorr spürbar reifen lassen. Er weiß, wie schnell der Fahrstuhl im Profisport nach oben fährt - und kennt inzwischen auch die schnelle Vergänglichkeit eines solchen Hypes. »Zu meiner Person wurde sehr viel geschrieben, das hat mich nicht unberührt gelassen«, sagt Knorr. Doch er habe sich aus all dem »rausgearbeitet. Solche Phasen gehören dazu«.
Knorr scheint jetzt bereit für die nächste Stufe seiner Entwicklung. Seine Leistungen bei den Löwen wirkten zuletzt deutlich gefestigter, und bei den Ungarn-Länderspielen im März lieferte er ein so vielversprechendes DHB-Comeback, dass Gislason ihn für die wichtigen Spiele gegen die Färöer (Rückspiel am Samstag in Torshavn) sogar dem lange gesetzten Philipp Weber vorzog.
Gislason ist überzeugt davon, dass Knorr die Zukunft im deutschen Handball gehört. Das 94 Kilogramm schwere und 1,92 Meter große Kraftpaket repräsentiert den Prototyp des modernen Spielgestalters. Knorr, der 2018 für ein Jahr beim großen FC Barcelona in die Lehre ging, ist schnell auf den Beinen und im Kopf, hat ein feines Gespür für die Situation, einen guten Blick für seine Mitspieler - und ist dabei selbst immer wieder torgefährlich.
Vergleiche mit seinem Papa, der in den 90er Jahren unter anderem vier Meistertitel mit dem THW Kiel holte, findet Knorr unpassend. Und doch möchte der Sohn am Mittwoch in der Kieler Handball-Arena ein Stück weit in die Fußstapfen seines Vaters treten. »Er hatte ein paar erfolgreiche Jahre hier in Kiel«, sagt Knorr und schmunzelt, »das habe ich auf vielen alten Videokassetten bei meiner Oma nachgeschaut.« Diese Erfolgsstory will Juri nun fortschreiben.