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Wohin mit der ganzen Kohle?

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Einfach zum Knutschen: Der Siegerpokal bringt die Eintracht auch finanziell enorm weiter. Geld, mit dem auch eine Weiterverpflichtung von Filip Kostic, der von der UEFA am Freitag zum »Europa-League-Spieler der Saison« gekürt wurde, wahrscheinlicher wird. FOTO: IMAGO © Imago Sportfotodienst GmbH

Die Eintracht profitiert finanziell enorm vom Europacupsieg. Die Frankfurter wollen aber weiter vernünftig wirtschaften. Die große Einkaufstour soll es am Main vor dem Start in der Königsklasse nicht geben.

Wer nach dem großen Europapokalsieg von Sevilla nun denkt, Eintracht Frankfurt wird mit der Champions-League-Qualifikation im Rücken auf große Einkaufstour gehen und es mal richtig krachen lassen auf dem Transfermarkt, der ist auf dem Irrweg. Da treten alle Verantwortlichen, selbst im Rausch des Erfolges, mit voller Wucht auf die Bremse. Sogar Peter Fischer, der rund ums Finale der emotionale Leuchtturm der Eintracht war und ein wahres Sprüchefeuerwerk gezündet hat, ist vorsichtig. »Wir werden nicht alle Kredite einreißen und einfach mal kaufen, nur weil wir uns einmal für die Champions League qualifiziert haben«, sagte der 66-Jährige. »Wir machen kein Harakiri.«

Aufsichtsratschef Philip Holzer, der den Triumph ausgelassen und überschwänglich feierte, bleibt als ehemaliger Investmentbanker ebenfalls zurückhaltend. »Wir wollen langsamen wachsen, Schritt für Schritt«, befand der einflussreiche Funktionär, ein Herr der Zahlen. »Und die Menschen wollen wir immer mitnehmen.« Das ist nicht nur ihm wichtig.

Auch Sportvorstand Markus Krösche will seine Transferstrategie nicht grundlegend ändern, obwohl er eigentlich das größte Interesse daran hat, möglichst viel Geld dafür zur Verfügung zu haben, um die Mannschaft so aufzustellen, dass sie die gewaltigen Herausforderungen bewerkstelligen kann. »Natürlich sind das finanzielle Einnahmen, die uns nach zwei Jahren Corona extrem guttun«, sagte der 41-Jährige. »Das hilft uns extrem für die Zukunft. Aber wir müssen clever und vorgelagert arbeiten.« Die Pandemie hat mal eben 70 Millionen Euro verbrannt. Da kommen die Zusatzeinnahmen aus den internationalen Wettbewerben zur rechten Zeit. Doch irgendwelche Superstars zu Mondpreisen wird es nicht geben.

Verstärkungen mit Augenmaß

Die Mannschaft, die sich in der Bundesliga und der Königsklasse beweisen muss, soll mit Augenmaß verstärkt werden. Es soll nichts getan werden, was der Verein später bereuen muss. Es gibt genügend Beispiele von Klubs, die im Erfolgsfall die Gehaltsspirale immer weiter nach oben gedreht haben, um konkurrenzfähig zu sein - so weit, bis sie ihren Verpflichtungen kaum mehr nachkommen konnten.

Mit Sicherheit wäre es verkehrt, jetzt die Struktur der Mannschaft, auch die Gehaltsstruktur, aufzubrechen. Sie hat sich über eine innere Geschlossenheit und ausgeprägtem Teamgeist definiert - Neiddebatten oder Starspieler mit entsprechendem Salär könnten diesen Spirit torpedieren. Andererseits hat der Siegeszug durch Europa die Eintracht in ein anderes Licht gerückt. Da meldet sich nicht mehr ein mittelständischer Bundesligist und fragt nach, ob Interesse an einem Engagement bestehen könnte, sondern der amtierende Europapokalsieger und baldige Champions-League-Teilnehmer. Das ist sexy. Räumt auch Fischer ein. »Es ist ein bisschen einfacher in der Akquisition, wenn du sagen kannst, dass du nicht weißt, ob du gegen Liverpool oder Real Madrid spielst, aber vielleicht hast du Bock dabei zu sein. Das hört sich besser an als Greuther Fürth«, sagte der Präsident. Die Eintracht wird, bei aller Zurückhaltung, nun den einen oder anderen Spieler an Land ziehen können, der ohne den Finalsieg nicht darstellbar gewesen wäre.

Zumal die Eintracht finanziell enormen Boden gutgemacht hat. Die Europa League hat mehr als 30 Millionen Euro eingespielt, das Supercup-Finale bringt mindestens 3,5 Millionen, auch in der nationalen TV-Geld-Tabelle hat der Klub am letzten Spieltag (2:2 in Mainz) fast alle Angriffe der Konkurrenten doch noch abwehren können, sodass auch hier fast fünf Millionen Euro zusätzlich fließen. Abzuziehen sind natürlich die Ausgaben rund um die Spiele sowie die nicht unwesentliche Prämien für die Spieler.

Keine Änderung der Philosophie

Und: In der Champions League kann richtig Geld verdient werden. Allein die Antrittsgage beläuft sich auf fast 16 Millionen Euro, pro Sieg gibt’s 2,8 Millionen, für eine Qualifikation fürs Achtelfinale wären fast zehn Millionen Euro fällig. Hinzukommen noch Bonuszahlungen aus dem sogenannten Marktpool sowie Zuschauereinnahmen. In letzten Spielzeit haben nur die Bayern die K.-o.-Phase der Champions League erreicht, Dortmund, Leipzig und Wolfsburg aber auch gut verdient: Der BVB kam auf 62,9 Millionen, Leipzig auf 45,5 und der VfL auf 36,5 Millionen. Die Unterschiede machen sich an den erfolgsabhängigen Prämien und der Klub-Koeffizienten-Rangliste fest.

Die Eintracht wird ihre Einnahmen auch zur Stärkung des Eigenkapitals nutzen, was in den vergangenen Jahren abgeschmolzen ist und durch zusätzliche Kapitalmaßnahmen aufgestockt werden soll. Doch natürlich wird sie ihren Kader verstärken, vielleicht auch mal eine Ablöse zahlen, was vorher nicht drin gewesen wäre. Der Verein müsse sich darauf einstellen, »mehr zu investieren«, sagte Vorstandssprecher Axel Hellmann. »Die Champions League wird uns viel abverlangen. Aber die grundsätzliche Philosophie werden wir nicht verlassen.«

Und vielleicht bleibt ja auch der eine oder andere Spieler, der ansonsten gegangen wäre, Filip Kostic etwa, der von der UEFA am Freitag zum »Europa-League-Spieler der Saison« gekürt wurde und dessen Vertrag 2023 ausläuft.

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