WM-Quali (noch) als Nebensache

Der Corona-Schock hat die Planungen von Hansi Flick durcheinandergewirbelt. Beim Abschied seines Vorgängers Joachim Löw soll es gegen Liechtenstein dennoch ein Fußball-Fest geben.
Hansi Flick fühlte sich unwohl. Die unbequemen Fragen und die leidige Impfdebatte hätte der Bundestrainer am liebsten beiseite gewischt. Doch nach dem Corona-Fall Niklas Süle und der damit verbundenen Abreise vier weiterer Nationalspieler um Impf-Skeptiker Joshua Kimmich konnte auch Flick nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen.
»Das haben wir uns alle anders vorgestellt. Es war viel Hektik da«, sagte Flick vor dem sportlich unbedeutenden WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein am heutigen Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) in Wolfsburg. Da gegen die Nummer 190 der Weltrangliste kurzfristig sogar acht Spieler ausfallen, war der zum Improvisieren gezwungene 56-Jährige »froh, dass wir schon für die WM qualifiziert sind«.
Die sportliche Situation verkam im VW-Markenpavillon am Mittwoch aber zu einem Randaspekt. Flick betonte zwar, dass man nach »der Unruhe« beim feierlichen Abschied seines Vorgängers Jo-achim Löw in der mit 26 000 Zuschauern ausverkauften Arena »abliefern« müsse, doch seine Haltung zu den ungeimpften Profis in der Nationalmannschaft war von deutlich größerem Interesse.
»Wir haben keine Impfpflicht«, stellte Flick wiederholt klar. Daher dürfe man »die Leute, die sich nicht impfen lassen, weil sie Sorge haben, nicht verurteilen«. Sein Appell war aber eindeutig: »Wir sind in der Öffentlichkeit, wir haben eine riesige Verantwortung. Ich bin der Meinung, dass wir uns impfen lassen sollten.« Über die Inhalte der Gespräche mit seinen Spielern wollte er keine Auskunft geben. »Diese Dinge bleiben unter uns«, sagte Flick. Seinen Standpunkt dürfte er Kimmich, Serge Gnabry, Jamal Musiala und Karim Adeyemi aber deutlich gemacht haben.
Das Quartett musste auf Anordnung des Gesundheitsamtes nach dem positiven Test beim doppelt geimpften Süle in Quarantäne. »Ich wünsche mir, dass es so etwas nicht mehr gibt, dass wir fünf Spieler nach Hause schicken müssen«, sagte Flick. Zu den Ausfällen gesellte sich auch Julian Draxler. Der Rückkehrer zog sich eine Muskelverletzung zu und reiste ebenso ab wie die angeschlagenen Florian Wirtz und Nico Schlotterbeck. »Es war immer eine Stärke von uns, dass wir nicht groß jammern«, gab Flick trotz der Personalsorgen die Richtung für das Spiel gegen Liechtenstein und den Jahresabschluss drei Tage später in Armenien vor.
Durch die zahlreichen Ausfälle hätten einige Spieler jetzt »die Chance, auf sich aufmerksam zu machen«. Man schaue »genau hin«. Das gilt nicht nur für die nachnominierten Jonathan Tah, Kevin Volland, Maximilian Arnold und Ridle Baku, über deren »Qualität« man sich »glücklich schätzen« könne, wie Thomas Müller versicherte.
Der Wolfsburger Lukas Nmecha steht bei seinem Heimspiel vor seinem Debüt im A-Team. »Nmecha hat im Training gezeigt, warum er dabei ist. Mal sehen, ob er von Anfang an spielt«, sagte Flick. Auch Müller lobte den U21-Europameister. Bei der ersten Übungseinheit habe er schon »ein paar Stürmer-Tore gemacht«. Viele Treffer wünschen sich auch die Fans und Löw - auch wenn Müller nach dem mühsamen 2:0 im Hinspiel »kein Torfestival versprechen« wollte. Die Zuschauer sollen vom viermaligen Weltmeister sportlich verwöhnt werden. »Ich erwarte, dass wir kompromisslos die Chancen so früh wie möglich reinmachen. Unser Ziel ist ganz klar, dass wir den Fans eine tolle Leistung zeigen und sie feiern können«, so Flick.