Vingegaard hängt Pogacar ab

Jonas Vingegaard gewinnt nach einer beeindrucken Vorstellung die erste Hochgebirgsetappe der Tour de France und fährt ins Gelbe Trikot. Titelverteidiger Tadej Pogacar erlebt einen kapitalen Einbruch.
Jonas Vingegaard war längst oben im Ziel, radelte schon locker aus, als Tadej Pogacar sich die letzten Meter hinauf zum Col du Granon Serre Chevalier quälte - ausgelaugt, abgehängt, deklassiert. Der Kontrast zwischen den beiden Topfavoriten hätte größer nicht sein können, die Tour de France erlebte auf ihrer elften Etappe einen denkwürdigen Führungswechsel: Der dänische Herausforderer Vingegaard trägt nun Gelb, Pogacar erlebte einen dramatischen Einbruch.
»Ich habe es noch nicht verstanden. Was soll ich sagen - das ist es, wovon ich immer geträumt habe«, sagte ein aufgekratzter Vingegaard nach seiner großen Show: »Wir hatten einen Plan, wir wollten hart fahren. Und alles hat funktioniert.« In der Tat: Der Plan des Teams Jumbo-Visma war komplett aufgegangen. Auf einer atemlosen Alpen-etappe attackierten sie den bisherigen Tourdominator immer wieder. Der letzte Angriff, den Vingegaard rund 4,5 km vor dem Ende setzte, war dann einer zu viel für Pogacar, der Fahrer um Fahrer vorbeiziehen lassen musste und fast 2:51 Minuten verlor.
»Ich weiß nicht, was los war. Am Galibier habe ich mich noch gut gefühlt, dann gab es eine Attacke nach der anderen. Zum Schluss hatte ich keine guten Beine mehr, es war einfach kein guter Tag«, sagte Pogacar im Ziel, zeigte sich aber kämpferisch: »Ich werde nicht aufgeben. Heute habe ich drei Minuten verloren, vielleicht gewinne ich morgen drei.«
Geschke verteidigt das Bergtrikot
Vingegaard triumphierte vor dem Kolumbianer Nairo Quintana und Romain Bardet aus Frankreich. Im Gesamtklassement liegt der 25-Jährige damit nun 2:22 Minuten vor Pogacar, der hinter Bardet (+ 2:16) nur noch Gesamtdritter ist. Lennard Kämna, der tags zuvor beinahe ins Gelbe Trikot gefahren war, fiel im Gesamtklassement erwartungsgemäß weit zurück und erreichte mit fast 30 Minuten hinter Tagessieger Vingegaard als 62. das Ziel. Aus deutscher Sicht rettete immerhin Simon Geschke (16.) einen weiteren Tag sein Bergtrikot über die Hochgebirgs-Riesen hinweg.
Gestartet war die knapp 152 km lange Etappe der Frankreich-Rundfahrt in Albertville. Relativ früh bildete sich eine 20-köpfige Spitzengruppe, in der auch Geschke mit von der Partie war. Doch der 36-Jährige nahm den Kampf an, sicherte sich zwei zweite und einen dritten Platz bei den Bergwertungen des Tages, behauptete das gepunktete Trikot - und erzählte später im Ziel von einem »der härtesten Tage seiner Radsportkarriere«.
Pogacar, dessen UAE Team Emirates zuletzt zwei Corona-Fälle verkraften musste, hatte bereits auf dem Weg zum Gipfel des Telegraphe nur noch drei Helfer an seiner Seite. Wenig später war der 23-Jährige sogar erstmals komplett isoliert. In einem denkwürdigen Schlagabtausch attackierten die Jumbo-Visma-Fahrer Vingegaard und Primoz Roglic im Wechsel - und das bereits am vorletzten Anstieg hinauf auf das Dach der Tour auf dem Col du Galibier.
Heute steht Königsetappe an
Pogacar sowie Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) konterten zunächst aber alle Attacken. Im Anschluss an die Abfahrt der über 2600 Meter hohen Bergkuppe am Galibier waren dann alle Favoriten und wichtige Helfer wieder in einer Gruppe vereint, ehe der finale Showdown auf dem Schlussanstieg begann und Pogacar einbrach.
Am Donnerstag geht es bei der Königsetappe der Tour mit drei Anstiegen der höchsten Kategorie und insgesamt rund 4750 Höhenmetern über den Col du Galibier und den Col de la Croix Fer hinauf nach Alpe d’Huez.

