Streit um WM-Revolution wird schärfer
(sid). Noch vermeidet Gianni Infantino den direkten Schlagabtausch in der heiklen WM-Frage geschickt. Während sein großer Widersacher Aleksander Ceferin bei der Generalversammlung der Europäischen Klubvereinigung ECA vom Podium herab seine verbalen Angriffsschläge setzte, blieb der FIFA-Boss auf Distanz und wich per Videobotschaft den schon erwarteten Attacken gelassen aus.
Doch der große Knall in dem Machtkampf rückt unweigerlich näher.
Streitthema ist die mögliche Verkürzung des Rhythmus von Weltmeisterschaften von vier auf zwei Jahre. Der Weltverband FIFA führt dazu derzeit eine Machbarkeitsstudie durch - offiziell ergebnisoffen. Doch es ist kein Geheimnis, dass Infantino ein großer Freund dieser Idee ist. Ganz im Gegensatz zu Ceferin und seiner Europäischen Fußball-Union (UEFA).
»Es gibt keine Tabuthemen. Die Tür der FIFA ist offen für jede Idee, für jeden Vorschlag«, sagte Infantino am Montag in Genf auf der Videoleinwand, ohne das heiße WM-Thema konkret anzusprechen. Zwischen den Zeilen machte der Schweizer seine Gesinnung aber klar. Infantino sprach von einer »Zeit von Herausforderungen und Veränderungen«, und man müsse den internationalen Rahmenkalender »fundamental überdenken«. UEFA-Präsident Ceferin nahm hingegen kein Blatt vor den Mund und machte seine Ablehnung gegenüber einer WM im Zwei-Jahres-Rhythmus deutlich. »Mehr heißt nicht immer besser«, mahnte der Slowene. Die Bedeutung der WM basiere auf ihrer Seltenheit, eine höhere Frequenz führe zu »mehr Wahllosigkeit und weniger Legitimation« - und würde »das Turnier entwerten«. Die Motivationen für die verschiedenen Standpunkte sind klar. Die FIFA erhofft sich durch eine häufigere Austragung erhebliche Einnahmesteigerungen.
Die UEFA fürchtet hingegen eine enorme finanzielle und sportliche Abwertung ihrer Europameisterschaft - zudem beansprucht auch sie durch ihre Nations League und die ab 2024 aufgeblähte Champions League viel Platz im Matchkalender. Auch wenn das so natürlich kein Verantwortlicher öffentlich aussprechen will. Im Hintergrund wird aber an Allianzen geschmiedet. So diskutieren auf Einladung der FIFA in dieser Woche Spitzenfußballer und -trainer - darunter Jürgen Klinsmann, Lothar Matthäus und Sami Khedira - in Doha über das »laufende Konsultationsverfahren zur Zukunft des globalen Fußballs«. FIFA-Direktor Arsene Wenger leitet die Veranstaltung - der Mann, den Infantino in der WM-Frage gerne voranschickt. Die einstige Teammanager-Ikone des FC Arsenal hatte zuletzt die Werbetrommel für die Zyklus-Revolution gerührt. Afrikas Kontinentalverband CAF hat sich bereits für eine Verkürzung des WM-Rhythmus ausgesprochen, auch aus Asien gibt es Unterstützung.
Doch der Widerstand formiert sich dieser Tage ebenfalls. So tagten am Montag und Dienstag nicht nur die europäischen Topklubs, für die die Belastung und die Verletzungsgefahr ihrer Spieler der größte Sorgenpunkt bleibt, bei der ECA-Generalversammlung in Genf. Auch die UEFA lädt am Donnerstag und Freitag unter anderem Vertreter von Klubs, Ligen, Sponsoren, Fans und Spielergewerkschaften nach Nyon zu einer Convention, die unter dem Titel »Zukunft des europäischen Fußballs« steht. Dabei sollte es dort um andere Hauptthemen gehen - schließlich beschäftigt Europas Fußball auch die Reform des Financial Fair Play mit möglichen Gehaltsobergrenzen und Strafsteuern. Doch der Streit um eine WM-Revolution drängt alles in den Hintergrund.