Straßer riskiert am Gudiberg zu viel

Der Pole Dawid Kubacki ist der beste Skispringer am Bergisel. Er gewinnt vor Halvor Egner Granerud. Die deutschen Springer stecken in der Krise.
(sid). Linus Straßer war hervorragend unterwegs, das begeisterte Publikum am hell erleuchteten Gudiberg wollte ihn geradezu ins Ziel und aufs Siegerpodest schreien - doch dann passierte es: Nach großartiger Zwischenzeit rutschte der Münchner weg, aus der Traum. »Ich wollte um den Sieg mitfahren, genauso bin ich auch gefahren«, sagte er und ergänzte leicht geknickt: »Ich würde das nicht als Niederlage sehen. Wenn du nichts riskierst, gewinnst du keinen Blumentopf.«
Gut 20 Sekunden hätte sich Straßer beim Weltcup-Slalom in Garmisch-Partenkirchen noch auf den Beinen halten müssen, Platz zwei wie nach dem ersten Lauf wäre ihm wohl sicher gewesen, doch bei extrem schwierigen Pistenbedingungen ging die Gratwanderung vor stimmungsvoller Kulisse mit rund 7000 Ski-alpin-Fans schief. Straßer, der noch mit den Nachwirkungen einer Angina zu kämpfen hatte, blickte deshalb sofort nach vorne. »Ich will weiter so gut Skifahren, wie ich es gerade tue. Es ist immer das Ziel, um den Sieg mitzufahren«, sagte er.
Das Maß aller Dinge war am Gudiberg erneut Henrik Kristoffersen, der schon die beiden Slaloms im vergangenen Jahr auf dem traditionsreichen Hang neben der Olympia-Schanze gewonnen hatte. Der Norweger siegte mit einem gewaltigem Vorsprung vor Manuel Feller aus Österreich (+1,22 Sekunden) und Clement Noel aus Frankreich (1,46). Straßer gab sich dennoch weiter angriffslustig: »Henrik kocht auch nur mit Wasser und ist schlagbar. Adelboden ist die nächste Chance.« Am legendären Chuenisbärgli im Berner Oberland wird am kommenden Wochenende gefahren.
Wenige Stunden zuvor war auch Lena Dürr der Start ins neue Jahr misslungen. Beim Slalom auf dem Bärenberg bei Zagreb verfehlte sie einen Fahrfehler nach gut 35 Sekunden den zweiten Lauf der besten 30. Beim 81. Weltcupsieg von Mikaela Shiffrin (USA) überzeugte dagegen Emma Aicher als beste Deutsche mit Rang elf. Aicher, bereits Olympiazweite und WM-Dritte mit der Mannschaft, erfüllte bei schwierigen Bedingungen mit ihrem bislang besten Weltcupergebnis zugleich die verbandsinterne Norm für die WM im Februar in Courchevel/Meribel.
So gebeutelt haben die deutschen Skispringer selbst den unliebsamen Bergisel lange nicht mehr verlassen. Während Polens Tagessieger Dawid Kubacki und Norwegens Tournee-Primus Halvor Egner Granerud in Innsbruck die nächste große Show lieferten, zogen die deutlich geschlagenen Springer um Andreas Wellinger mit grimmigen Mienen von der dritten Station der Vierschanzentournee ab. »Es gibt Tage, die laufen gut. Es gibt Tage, die laufen weniger gut und heute war scheiße«, sagte Wellinger.
Den DSV-Adlern droht das schlechteste Tournee-Abschneiden seit den schweren Krisenjahren vor knapp einem Jahrzehnt. »Die Stimmung im Team ist beschissen«, sagte der Dreifach-Weltmeister von 2019, Markus Eisenbichler, nach dem Debakel. Mit Blick auf seinen schon in der Qualifikation gescheiterten Kumpel Karl Geiger ergänzte er: »Karl ist gestern ausgeschieden. Wir sind alle nicht so gut. Da kann die Stimmung nicht gut sein.«
Als zwischen den Topspringern Kubacki und Granerud vor 18 700 Zuschauern die Entscheidung um den Tagessieg fiel, hatten die deutschen Athleten längst Feierabend. Kubacki jubelte mit nach oben gereckten Fäusten über den Tagessieg. Fast wie ein Gewinner durfte sich aber auch Granerud fühlen. Zwar kann der Norweger nicht mehr wie zuvor nur Sven Hannawald, Kamil Stoch und Ryoyu Kobayashi alle Springen einer Tournee gewinnen. Der Gesamtsieg bei der 71. Ausgabe des Schanzen-Spektakels ist dem 26-Jährigen aber nur noch bei einem groben Patzer zu nehmen. Vor dem Tournee-Finale beträgt sein Vorsprung auf Rang zwei schon umgerechnet rund 13 Meter. Dritter in der Gesamtwertung ist der Slowene Anze Lanisek.
In den vergangenen Jahren hatten immer auch die deutschen Springer mindestens um einen Podestplatz gekämpft. Davon sind sie nun extrem weit entfernt. »Das tut natürlich schon sehr weh«, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. »Es ist eine schwierige Situation für uns, aber wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken.« Der Österreicher stellte klar: »Ich bin definitiv nicht ratlos.«
Als bester Deutscher belegte Youngster Philipp Raimund am Mittwoch den 13. Platz. Wellinger bestätigte seine zuvor ansteigende Form auf der beeindruckenden Schanzenanlage mit Blick auf die Nordkette nicht. Er landete nur auf dem 18. Rang und ist als Achter nun der mit Abstand beste Deutsche im Gesamtranking. Eisenbichler war schon zufrieden, erstmals bei dieser Tournee den zweiten Durchgang erreicht zu haben.
Auch wenn es in dieser Saison vor dem Höhepunkt rund um den Jahreswechsel schon nicht wirklich gut gelaufen war: Derart enttäuschende Auftritte waren nicht zu erwarten gewesen. Kurz vor der Tournee hatte Horngacher sogar gesagt, »noch nie mit so einer guten Mannschaft zu einer Vierschanzentournee gefahren« zu sein. Seine Athleten bestätigten ihn nicht.
Während die derzeitigen Spitzenspringer aus Polen, Norwegen und Slowenien in Österreich große Flug-Kunst zeigten, schaute Deutschlands bester Springer Fernsehen. Erstmals seit März 2018 war Geiger in einer Weltcup-Qualifikation gescheitert und schaute sich den Wettkampf aus dem Teamhotel an. Schon an diesem Donnerstag (16.30 Uhr/ZDF) ist er in der Quali für den Tournee-Abschluss in Bischofshofen gefordert.
(dpa). Katharina Hennig hat beim Tour-de-Ski-Abschied aus ihrer Wahlheimat Oberstdorf erneut ein Top-10-Ergebnis erreicht. Am Mittwoch kam die Teamsprint-Olympiasiegerin in einem 20-Kilometer-Verfolgungsrennen in der Skating-Technik auf Platz neun. Die Oberwiesenthalerin hatte 1:49,1 Minuten Rückstand auf Siegerin Frida Karlsson aus Schweden, die in 48:02,6 Minuten vor der Finnin Krista Parmakoski und Tiril Udnes Weng aus Norwegen gewann. Karlsson führt mit 1:28 Minuten Vorsprung die Tour-Gesamtwertung klar an. Hennig belegt mit einem Rückstand von 2:31 Minuten vor den letzten drei Etappen ab Freitag im italienischen Val di Fiemme Rang sieben.
Bei den Männern steht der norwegische Langlauf-Star Johannes Klaebo vor seinem insgesamt dritten Gesamterfolg. Der Titelverteidiger gewann auch die vierte Etappe vor seinem Landsmann Sindre Björnestad Skar und dem Italiener Federico Pellegrino und steht nur noch einen Erfolg hinter dem Etappensiegrekord des Russen Sergej Ustjugow.
Für ein ganz starkes deutsches Ergebnis sorgte Friedrich Moch. Der Läufer aus Isny wurde 15., schaffte dabei aber die beste Laufzeit des Tages, was einem Weltcupsieg gleichkommt. »Er hat es toll gemacht, toll gefightet, sich seine Kräfte toll eingeteilt«, lobte Bundestrainer Peter Schlickenrieder. »Ich war am Ende leider nicht mehr so positioniert, um noch einmal angreifen zu können«, sagte Moch und bedauerte, dass er nicht noch weiter nach vorn gekommen ist. Als Gesamt-Elfter geht er nun mit einem Rückstand von einer Minute auf Klaebo ins Tour-Finale in Italien.
Hennig wäre in ihrer eher schwächeren Technik auch gern weiter vorn gelandet. Dennoch war sie nicht unzufrieden: »Man brauchte viel Aufmerksamkeit, um gut durchzukommen. Jetzt freue ich mich, dass ich als Gesamt-Siebte aus Oberstdorf weggehe. Val di Fiemme gehört zu meinen Lieblingsstrecken«, sagte Hennig. Laura Gimmler als 20. und Pia Fink als 24. liefen auch noch in die Punkteränge.
Zuvor war bekannt geworden, dass Oberstdorf ab der nächsten Saison kein Tour-Etappenort mehr ist. Durch die Aufnahme eines Frauen-Weltcupspringens am 1. Januar ist der Ort organisationstechnisch ausgelastet, zudem machen die Anfang Januar im Allgäu vorherrschenden Witterungsbedingungen eine Präparierung der Nordic Arena immer schwieriger. Der deutsche Verband will aber weiter Langlauf-Weltcups in Oberstdorf organisieren.

