Staunen und freuen

Der unerwartete Erfolg von Konstanze Klosterhalfen steht stellvertretend für die nicht für möglich gehaltenen EM-Leistung des deutschen Leichtathletik-Teams in München, wo auch Malaika Mihambo und Tobias Potye Außergewöhnliches geleistet haben.
Konstanze Klosterhalfen (Bild) strahlte und lachte nach dem grandiosen Gold-Lauf mit der nicht nachlassenden Energie, mit der sie über 5000 Meter die Konkurrenz bei der EM in München abgehängt hatte. »Mit dem ersten Schritt habe ich mich schon so gut gefühlt und war zu keinem Zeitpunkt müde«, erzählte Deutschlands Langstrecken-Star zu schon mitternächtlicher Stunde von ihrem 14:50,47 Minuten langen Siegeszug. »Ich habe meinen ersten internationalen Titel gewonnen, dabei habe ich nicht einmal an eine Medaille gedacht. Ein Traum!«
Mihambo erleidet Kollaps
Während Klosterhalfen in den Katakomben des Olympiastadions am späten Donnerstagabend glückselig Rede und Antwort stand, erlitt Weitsprung-Star Malaika Mihambo unweit davon nach dem Gewinn von EM-Silber einen Kreislaufkollaps. Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin war die große EM-Titelkandidatin, musste aber wohl einer kurz zuvor überstandenen Corona-Infektion Tribut zollen. »Ich habe Silber gewonnen, was unter den Voraussetzungen noch höher zu bewerten ist«, sagte Mihambo am Freitag. »Es war ein sehr schwerer Wettkampf, weil einige Körner fehlten.« Gesundheitlich gehe es ihr wieder »ganz in Ordnung«, wenn auch noch geschwächt und mit Kopfschmerzen. Dass sie trotzdem 7,03 m weit sprang und hinter der Serbin Ivana Vuleta (7,06) Zweite wurde, wertet ihre Leistung noch auf.
Völlig unerwartet kam hingegen der Titelgewinn von Klosterhalfen. Deutschlands beste Langstreckenläuferin ist damit zur Symbolfigur der deutschen Leichtathletik geworden, die bei der EM wieder auftrumpft. Bei den Weltmeisterschaften in Eugene vor knapp vier Wochen gab es noch ein Debakel mit nur zwei Medaillen. Auch für Klosterhalfen war es bei der WM nicht gut gelaufen. Die 25-jährige Leverkusenerin verpasste durch eine Corona-Erkrankung geschwächt das 10 000- Meter-Finale. Nun holte sie für die Gastgeber die fünfte EM-Goldmedaille, zu denen an den ersten vier Tagen fünf aus Silber und eine aus Bronze hinzukamen. »Vielleicht hatte ich den Virus noch im Körper, habe aber auch gezweifelt, ob es wirklich der Virus war oder es am Training lag«, sagte Klosterhalfen. Der Zweifel wurde verstärkt, weil auch das 10 000- Meter-Rennen drei Tage zuvor bei der EM nicht optimal lief, aber immerhin mit Platz vier endete. Ihr US-Coach Pete Julian hatte ihr geraten, über die 5000 Meter nicht anzutreten. »Ich habe keine Sekunde darüber nachgedacht, nicht zu starten«, sagte Klosterhalfen. Die Beharrlichkeit beeindruckte Julian. Er stieg am Morgen in New York ins Flugzeug, um in München dabei zu sein.
»Ich hätte die ganze Nacht weiterlaufen können«, sagte die von gut 30 000 Fans angetriebene Klosterhalfen. Auf jeden Fall wird sie weiter in den USA trainieren. »Paris ist ja nicht mehr weit hin«, meinte sie mit Blick auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Die Nummer eins in Europa zu sein, ist für sie nur eine Etappe. »Das Ziel bleibt, die Welt zu schlagen«, kündigte die zierliche, zerbrechlich wirkende Klosterhalfen energisch an.
In Sachen Ehrgeiz ist ihr Hochspringer Tobias Potye ebenbürtig. »Zweiter zu werden, ist immer etwas tricky. Eine Medaille war das Ziel«, sagte der 27 Jahre alte Münchner, der nach seinem Silbergewinn mit 2,27 m in seiner Heimatstadt wie ein Rockstar gefeiert wurde. Spätestens in Paris will er den italienischen Olympiasieger Gianmarco Tamberi bezwingen, der mit 2,30 Meter siegte. Dass er im Training seit langer Zeit wegen gesundheitlicher Probleme ein wichtiges Element auslassen muss, mit dem er noch an Höhe gewinnen könnte, verblüffte. »Ich habe nicht eine Technikeinheit gemacht die letzten zwei Jahre. Das ist natürlich schwer, dann jeden Sprung zu treffen«, sagte er. »Ich habe nur trainiert fürs Knie und bin im Wettkampf gesprungen, das war die Mission.« Potye erfüllte sie - und das ebenfalls überraschend.
FOTOS: DPA
