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Sprintstaffel bricht den Bann

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(dpa). Mit der deutschen Fahne über den Köpfen schrien die deutschen Sprinterinnen mit einem lauten »Jaahh!« ihre überschäumende Freude erleichtert heraus. Gerade als Julian Weber im Speerwerfen die erhoffte erste Medaille für das deutsche Leichtathletik-Team endgültig aus den Händen glitt, raste die Sprintstaffel in Eugene überraschend zu Bronze - und erlöste nach einer oft bitteren WM-Woche am vorletzten Wettkampftag auch den in Erklärungsnot geratenen deutschen Verband.

Die Begeisterung und Emotionen von Tatjana Pinto, Alexandra Burghardt, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) nach Rang drei hinter den USA und Jamaika konnte Weber am Samstag (Ortszeit) nur wenige Meter entfernt im letzten Versuch aber nicht für sich nutzen. Er blieb wie schon bei den Olympischen Spielen in Tokio Vierter.

Die Sprinterinnen schlugen derweil nach den vielen deutschen Enttäuschungen im US-Bundesstaat Oregon im Ziel immer wieder ungläubig die Hände vor die Gesichter und lagen sich dann freudetrunken in den Armen. »Wir haben im Vorfeld die ganze Zeit vom Glück der Tüchtigen gesprochen, und heute war es endlich mal mit uns«, sagte Deutschlands beste Sprinterin Gina Lückenkemper. »Es fühlt sich an wie ein Traum gerade, ich hoffe, ich wache nicht auf«, sagte Pinto. Nach acht trostlosen Tagen für die deutschen Athletinnen und Athleten mit nur einem Top-Acht-Resultat rauschte die Staffel über 4x100 Meter nach 42,03 Sekunden ins Ziel. Gold ging in 41,14 überraschend an die US-Auswahl, die 0,04 Sekunden vor Jamaika um die 100- Meter-Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce und 200-Meter-Weltmeisterin Shericka Jackson ins Ziel kam. Dann folgte das deutsche Quartett - auch weil sich die britische Top-Läuferin und WM-Vierte Dina Asher-Smith direkt neben Lückenkemper laufend in der Zielkurve verletzte. Schlussläuferin Haase hatte Platz drei auf der Zielgeraden abgesichert und war danach besonders emotional: »Wir sind unfassbar stolz. Wir haben sieben Jahre zusammen für diese Medaille gekämpft«, sagte die Wetzlarerin.

Auch Speerwerfer Weber kämpfte. Mit dem ersten Wurf war er auf 86,86 m gekommen, konnte sich aber nicht mehr verbessern und wurde noch aus den Medaillenrängen verdrängt. »Nach dem ersten Wurf war die Luft einfach raus und ich habe mich dann klein gemacht. Ich habe nicht die Power gehabt«, berichtete der 27-Jährige aus Mainz enttäuscht. Schwacher Trost: Im erfolgreichen Titelverteidiger Anderson Peters aus Grenada (90,54 m), Olympiasieger Neeraj Chopra aus Indien (88,13) und dem Olympia-Zweiten Jakub Vadlejch (88,09) aus Tschechien waren drei Top-Werfer besser als der deutsche Meister. In der Nacht zum Montag startete aus deutscher Sicht u. a. noch Weitspringerin Malaika Mihambo im Finale, das sie mit 6,84 m mühelos erreichte.

Fabelweltrekord durch McLaughlin

Für eine der sagenhaftesten Leistungen der Leichtathletik-Geschichte hatte in der Nacht zum Samstag Sydney McLaughlin gesorgt, die auf der Laufbahn mit offenem Mund auf die riesige Anzeigetafel schaute: 50,68 Sekunden über 400 m Hürden im Finale - der erste Weltrekord der Titelkämpfe ist jener einer Außerirdischen. »Das ist einfach unwirklich«, sagte die 22 Jahre alte US-Amerikanerin. Mit ihrem Wahnsinns-Sturmlauf zum ersten WM-Titel zeigte die Olympiasiegerin, dass sie keine Grenzen kennt. Die niederländische Europarekordlerin Femke Bol als Zweite (52,27) und McLaughlins Landsfrau Dalilah Muhammad (53,13) hatten nicht den Hauch einer Chance. McLaughlins 51,46 im Olympia-Finale von Tokio galten schon als Ende der Weltrekord-Fahnenstange. Vier Wochen vor der WM lief McLaughlin dann ebenfalls in Eugene 51,41 - und nun noch einmal 73 (!) Hundertstel schneller. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Im WM-Finale über 400 m - ohne Hürden - wäre McLaughlin - mit Hürden - Siebte geworden.

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