Shiffrin patzt vor dem Ziel

(sid). Mikaela Shiffrin lächelte ungläubig, winkte tapfer ins Publikum und gab sich alle Mühe, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Beim ersten Griff nach Gold bei der Weltmeisterschaft in Frankreich weckte die unbestrittene Ski-Königin sogleich Erinnerungen an das Drama vor einem Jahr in Peking, als sie von Olympia ohne Medaille heimgeflogen war:
Bereits klar auf Goldkurs liegend, schied die Titelverteidigerin in der alpinen Kombination drei Tore vor dem Ziel aus. Neue Weltmeisterin ist Federica Brignone aus Italien. Emma Aicher belegte den respektablen achten Rang.
»Natürlich ist es enttäuschend, nicht ins Ziel zu kommen«, sagte Shiffrin, die nach dem Super-G 0,96 Sekunden Rückstand auf Brignone hatte, im ZDF. »Ich bin aber froh«, ergänzte sie, »dass ich so aggressiv gefahren bin. Ich musste das Risiko nehmen, es ist eine WM.« Eine Frage zu Olympia wehrte sie gleich ab. »Oh nein«, sagte Shiffrin, die in Meribel noch im Super-G, im Riesenslalom und im Slalom starten will.
Zu Brignone aufs Podest fuhren nach dem Super-G am Vormittag und dem einem Slalom-Lauf am Nachmittag Wendy Holdener (Schweiz/+1,62 Sekunden), Weltmeisterin von 2017 und 2019, und Ricarda Haaser (Österreich/+2,62).
Emma Aicher, das große deutsche Ski-Talent, erzielte das beste Kombi-Resultat bei einer WM seit dem Sieg von Maria Höfl-Riesch im Jahr 2013. »Platzierungstechnisch passt es schon, skifahrerisch geht es noch besser«, sagte die 19-Jährige, die ein besseres Resultat im Super-G vergab: Da fuhr sie zu zaghaft.
Als Shiffrin wenige Minuten vor Aicher die rote Ziellinie überfuhr, leuchtete zunächst noch die grüne »1« vor ihrem Namen auf, doch Brignone wusste gleich: Gold gehört diesmal mir. Die gescheiterte Titelverteidigerin steuerte auch sofort auf die Olympiadritte zu, nach einem kurzen Small Talk gratulierte die alte Weltmeisterin der neuen mit einem »Fist Bump«. »Ich bin glücklich und dankbar, eine Goldmedaille hat mir noch gefehlt in meiner Karriere«, sagte Brignone.
Doch wie sich die Bilder glichen: Bei Olympia war Shiffrin im damals zunächst angesetzten Riesenslalom im ersten Lauf nach sieben Toren ausgeschieden. Danach folgte ein wahres Drama. In ihrem Kopf, sagte Shiffrin nach ihrer Ankunft in Meribel, seien diese traurigen Tage noch »immer ein bisschen« drin, daher sei sie »darauf vorbereitet, mein Bestes zu geben - und trotzdem keine Medaille zu gewinnen«. Das sei möglich, sie könne ja in jedem Rennen ausscheiden. »Aber«, keine Sorge, »ich erwarte es nicht.« Der erste Wettbewerb ist allerdings schon mal schiefgegangen.
