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Semenya setzt ihren Kampf fort

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Der Fall Caster Semenya geht in die nächste Runde. Nach ihrem überlegenen Diamond-League-Sieg in Doha sieht die Südafrikanerin keinen Anlass, sich der neuen Testosteron-Regel zu unterwerfen. Die Fachwelt ist gespalten.

Die Antwort auf die Frage aller Fragen gab Caster Semenya so schnell wie entschieden. Ob sie denn nun ihren Testosteronspiegel medikamentös senken werde, um weiter 800 m laufen zu können? »Hell, no!«, sagte die meistdiskutierte Leichtathletin der Welt nach ihrem Diamond-League-Sieg in Doha, ganz sicher werde sie das nicht. Aber – und das wird die Brisanz in Semenyas Fall weiter steigern: Über eben jene Lieblingsstrecke wolle sie definitiv weiter antreten.

Das passte zu einem Abend, der ein wenig Klarheit bringen sollte, aber nur noch mehr Unklarheit brachte. Die Fachwelt ist gespalten. Auch IOC-Präsident Thomas Bach war hin- und hergerissen. »Es ist eine extrem komplexe Angelegenheit mit den Themen Wissenschaft, Ethik und Fair Play. Das ist sehr delikat«, sagte der Tauberbischofsheimer in Australien.

Während Präsident Jürgen Kessing vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) das Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes CAS mangels Alternative begrüßte (»Mir fehlt die Idee, Chancengleichheit anders zu erreichen«), bezog Dr. Frank-Ulrich Montgomery klar Stellung dagegen. Der Vorsitzende des Weltärztebundes WMA forderte die Mediziner auf, sich nicht an der Umsetzung der umstrittenen Maßnahmen zu beteiligen.

Jeder dahingehende Versuch sei ein Verstoß gegen den Ethik-Code, argumentierte Montgomery, der auch das Argument der Chancengleichheit nicht gelten lässt. »Der nächste Schritt ist dann vielleicht, dass Basketballer über 2,25 m Körpergröße durch einen chirurgischen Eingriff kleiner gemacht werden müssen, weil sie sonst einen Wettbewerbsvorteil hätten«, sagte der 66-Jährige.

Eindeutig war in Doha nur die Dominanz der Olympiasiegerin im ersten Rennen nach ihrer Niederlage vor dem CAS, im letzten, bevor am Mittwoch die neue Regel des Weltverbandes IAAF in Kraft trifft. Diese verpflichtet Semenya zur künstlichen Senkung ihres natürlichen Testosteronwertes, will sie weiter auf bestimmten Strecken antreten.

»Taten sind lauter als Worte. Wenn du ein großer Champion bist, lieferst du immer ab«, sagte Semenya am BBC-Mikrofon, nachdem sie in exzellenten 1:54,98 Minuten die Konkurrenz demontiert hatte. Seit September 2015 ist sie über 800 m ungeschlagen. Und daran soll sich auch dauerhaft nichts ändern. »Warum soll ich jetzt aufhören? Mit 28? Ich habe noch zehn oder mehr Jahre vor mir«, sagte Semenya, »Gott wird mein Leben und meine Karriere beenden. Kein Mensch wird mich vom Laufen abhalten.«

Und ihre Zukunft liege auf den zwei Stadionrunden, auf denen sie ihre körperlichen Vorteile perfekt ausspielen kann. Semenya will sich im Kampf gegen das Diktat des Weltverbandes nicht geschlagen geben, sie wird wohl binnen 30 Tagen beim Schweizer Bundesgericht Einspruch gegen den CAS-Entscheid einlegen.

Selbst bei einer weiteren juristischen Niederlage müssen ihre Möglichkeiten nicht ausgeschöpft sein. Thomas Bach äußerte in menschlicher Hinsicht seine Sympathie für Semenya in diesem Fall und ließ durchblicken, dass das IOC den CAS-Entscheid genau prüfen werde.

Es droht also ein langes Hickhack um eine Sportlerin, die unverschuldet in ein riesiges Dilemma geraten ist, das bislang im Sport unvergleichbar ist. Ende September beginnen in Doha, am Schauplatz ihres Triumphs vom Freitag, die Weltmeisterschaften. Dort will Semenya erneut über 800 m siegen. Ihr Gottvertrauen allein wird dafür wohl nicht genügen.

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