Relegation als Neuland

(dpa). Felix Magath betrat die Aula der Goldschmiede im Olympia-Trainingszentrum in Kienbaum mit Badeschlappen und orderte erstmal den obligatorischen Pfefferminztee. Nervenflattern? Zitter-Relegation? Angst-Modus in der Big City? Nicht mit dem Magier. Auch die ersten Psychospiele von Hamburgs Trainer Tim Walter ließ der Hertha-Coach einfach an sich abperlen.
»Tatsache ist, wenn man es objektiv sieht, seitdem ich die Verantwortung trage, haben wir eine positive Entwicklung gemacht. Wer das Spiel in Dortmund gesehen hat, hat zwei Erstligisten gesehen, einer davon waren wir«, sagte Magath.
Vor dem Relegationshinspiel um die Bundesliga-Zugehörigkeit am Donnerstag (20.30 Uhr/Sky und SAT.1) postuliert Magath eine fast schon aufreizende Gelassenheit. Er setzt damit seine Strategie fort. Seit der 68-Jährige Mitte März den Krisen-Club in der Hauptstadt übernahm, redet Magath immer gegen den Strom. Als in Berlin jeder die direkte Rettung schon als gegeben annahm, sagte er die riskanten Ausscheidungsspiele voraus und redete sein Team fast schon madig. Jetzt sieht Magath die Hertha in einer ziemlich guten Ausgangslage, den siebten Abstieg der Club-Historie zu verhindern - und seinen ersten aus der Fußball-Bundesliga natürlich auch.
»Es gibt keinen Grund, mit einem schlechten Gefühl an die Aufgabe zu gehen. Wir sind gut drauf, das zeigen wir noch zweimal«, betonte Magath am Mittwoch im Trainingslager der Berliner in Kienbaum. Cool müsse man bleiben, forderte Geschäftsführer Fredi Bobic schon mit Blick auf das Rückspiel in Hamburg am Montag (20.30 Uhr/Sky und SAT.1) Cool? Okay, das könnte klappen. Aber gut drauf? Diese Zustandsbeschreibung hat Magath in der Hauptstadt fast exklusiv. Dreimal wurde die direkte Rettung in einer fatalen Kombination aus Pech und Unvermögen in den vergangenen Wochen verspielt.
Nicht umsonst meint Tim Walter, der HSV habe das »Momentum« auf seiner Seite. »Wir haben die letzten fünf Spiele gewonnen und sieben Punkte aufgeholt«, sagte der HSV-Coach. »Das haben wir Hertha vielleicht voraus.« Überhaupt sei seine Mannschaft nach vier harten Jahren in der 2. Liga »jung, hungrig und sprühe vor Elan«. Und die Hertha? Die sah zuletzt wie ein Bundesliga-Dino aus, kopierte in vielen Belangen die Missgeschicke und Pannen der Hanseaten.
Diese atmosphärische Großwetterlage will Magath unbedingt verbal wegpusten. Er macht das auf seine ganz eigene Art und wählte einen Ort, der den Fußball-Millionären fremd vorkommen muss. Im olympischen Trainingszentrum in Kienbaum, im Osten von der Hauptstadt, herrscht Landschulheim-Atmosphäre. Mit Basketballern und Volleyballern teilen sich die Berliner das Areal. Für Magath zählt die Sieger-Aura. »Weltmeister und Olympiasieger haben hier gearbeitet. Das färbt ab. Wir sind in bester Gesellschaft«, sagte der einstige Meistertrainer. Den offensiven Taktik-Code des HSV unter Walter sieht Magath als entschlüsselt an. »Für uns ist klar, wie der HSV auftritt«, meint der Hertha-Coach - also: Vorteil Berlin. Die Realitäten kann Magath aber auch nicht ganz ausblenden. Und wehe, die Hertha gerät in Rückstand. Nur vier Punkte holten die Berliner diese Saison, wenn sie mal hinten lagen - pikanterweise alle unter Glücklos-Trainer Tayfun Korkut.