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Beispielhaft für den derzeitigen Zustand bei der Frankfurter Eintracht: Fassungslosigkeit bei Eric Dina Ebimbe nach einer vergebenen Chance. © Imago Sportfotodienst GmbH

Die Frankfurter Eintracht ist auf dem besten Wege, einmal mehr eine starke Hinrunde zu verspielen. Es scheint so, als müsste es der DFB-Pokal retten. Aber Geschichte wiederholt sich nicht beliebig.

Eintracht Frankfurt hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Verein gemausert, der auf den Punkt eine zielgenaue Fixierung initiieren und Kräfte mobilisieren kann, die eigentlich gar nicht vorhanden sind. Diese Fokussierung auf Alles-oder-nichts-Spiele ist ein von innen erwachsenes Phänomen, das zu mehreren Halbfinalteilnahmen im nationalen Pokal und auf europäischer Bühne führte, zu einem Cupsieg gegen die Bayern, einem historischen Erlebnis in Barcelona und dem geschichtsträchtigen Europapokalerfolg von Sevilla. Zur Wahrheit gehört auch, dass die innere Geschlossenheit längst gebröckelt ist und Eintracht Frankfurt dieser Tage eher heterogen denn homogen wirkt, sich seit Wochen im Krisenmodus befindet. Und in der Bundesliga ganz schön abgeschmiert ist, nur elf Punkte in elf Spielen. Der nächste Einbruch.

Damit kennt sich die Eintracht aus, gefühlt hängt sie nach der Winterpause regelmäßig durch und verspielt das, was sie sich zuvor mühevoll errichtet hat. Über allem thront die »Rückrunde der Schande«, als das Team nach Platz sieben in der ersten Hälfte tatsächlich noch in die zweite Liga durchgereicht wurde. 2011 war das.

So arg war es im zurückliegenden Jahr nicht, aber auch da rutschte das Team ab - von Rang sechs auf elf, Platz 15 der Rückrundentabelle - natürlich billigend in Kauf genommen und kaschiert durch den großen Europapokaltriumph in Andalusien. Da wurden die Prioritäten irgendwann anders gesetzt. Verständlich.

Wer aber etwas tiefer in die Materie eintaucht, der stellt fest, dass die These, wonach die zweite Saisonhälfte stets deutlich abfällt, so nicht vollumfänglich zu halten ist. Seit der Rettung in der Relegation gegen den 1. FC Nürnberg 2016 schmierte die Mannschaft in den Partien 18 bis 34 nur noch einmal ähnlich kolossal ab wie letztes Jahr: 2017 holte sie nach Platz sechs in der Vorrunde (29 Punkte) nur noch 13 Zähler, schlechter war kein anderes Team. Am Ende stand Rang elf - aber der Einzug ins DFB-Pokalfinale.

Im Endspurt schwächer

Zweimal gab es keine nennenswerte Unterschiede zwischen den Halbrunden (2017/18 erst 26 Punkte, dann 24), (2018/19 zweimal 27 Punkte). Zweimal wurde die Leistung der Hinserie noch signifikant überboten, 2019/20 standen 27 Punkte nach der Winterpause und 18 davor (Rang neun). Das Ganze war gleichwohl durch die Corona-Irrungen mit Restart und Geisterspielen reichlich eingetrübt. Und auch 2020/21 holte die Eintracht nach der Pause auf, nach 27 Punkten ergatterte das Team von Trainer Adi Hütter 33 Zähler und schloss die Saison mit der besten Punktzahl seit Jahrzehnten (60) auf Rang fünf ab. Nur so ist der Europapokalsieg ein Jahr später überhaupt möglich geworden.

Und doch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Eintracht immer dann, wenn es in der Liga in den Endspurt geht, oftmals schwächer und schwächer wird. 2017/18 lag sie nach 27 Spieltagen auf Champions-League-Rang vier mit 45 Punkten, holte in den ausstehenden acht Partien aber nur noch vier Zähler und rutschte auf Platz acht ab - übertüncht freilich durch den Cupsieg gegen die Bayern.

Auch 2018/19 lag das Ensemble bestens im Rennen, nach 28 Spieltagen auf Rang vier mit 52 Zählern. Es sollten nur noch zwei hinzukommen, die internationalen Strapazen (dramatisches Halbfinal-Aus im Elfmeterschießen in London bei Chelsea) waren zu groß. Und 2020/21 verspielten die Frankfurter in den letzten Wochen die Champions League und acht Zähler Vorsprung auf Borussia Dortmund. Es war die Zeit, da die komplette Sportführung um Coach Hütter, Sportvorstand Fredi Bobic und Manager Bruno Hübner von Bord ging. Zu viele Turbulenzen. Es ist also sehr wohl so, dass der Eintracht am Ende oft genug die Puste ausging, zumindest in der Bundesliga. Aber was sind die Gründe? Gewiss ist es so, dass nur absolute Topteams ihr Leistungslevel so austarieren können, dass sie in allen Wettbewerben auf einem ähnlich hohen Niveau spielen können. Dazukommt der zurzeit nur ruhende, nicht beigelegte Streit der Bosse. Er ist Gift, auch wenn er keinen unmittelbaren Einfluss auf den Sport hat.

Bei der Suche nach Absturz-Gründen ist auch der Spielstil einzubeziehen. Der war gerade bei Niko Kovac und Adi Hütter höchst intensiv, die Spieler sind nicht selten ausgelaugt gewesen - geistig wie körperlich, konnten sich nur noch zu Highlightspielen aufraffen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Eintracht dort in dieser Saison besser aufgestellt sah, das Spiel sollte durch Mario Götze und Daichi Kamada nicht mehr so extrem aufwendig und nur auf Power ausgelegt sein. Und im Herbst kam man dem Idealzustand sehr nahe, da war ein perfekter Mix aus Schnelligkeit über die Außen und im Sturm sowie Kreativität und Spielstärke in der Zentrale zu bestaunen.

Kolo Muani, die Ein-Mann-Tormaschine

Doch davon ist wenig geblieben, eigentlich nur noch Randal Kolo Muani, die Ein-Mann-Tormaschine. Das hängt, ganz banal, an personellen Veränderungen: In Eric Dina Ebimbe und Jesper Lindström sind zwei wichtige Stützen weggebrochen, beides schnelle Spieler, hinzu kommt, dass Daichi Kamada nicht mehr der Daichi Kamada aus dem alten Jahr ist. Auch Mario Götze kämpft mit sich, und Ansgar Knauff spielt kaum mehr eine Rolle. Immerhin: Zuletzt drängten die Joker ins Team, Ebimbe ist zurück, und mit Lindström ist vielleicht schon im Pokal-Halbfinale in Stuttgart am 3. Mai zu rechnen. Berlin ist nahe, dort könnte sich ein Abschmieren in der Liga reparieren lassen. Doch ob’s immer klappt?

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