Noch einen raushauen!

Bevor Trainer Oliver Glasner irgendwo im Süden etwas Wärme tankt, soll die Eintracht ihre Topform nun auch noch den FSV Mainz 05 spüren lassen.
Beim Blick ins Heiligtum wurde es dem Frankfurter Trainer Oliver Glasner ein klein wenig bang, da verflog die unbändige Freude über den enorm wichtigen und »fantastischen« Auswärtssieg bei Borussia Mönchengladbach für kurze Zeit. »Als ich in die Kabine geschaut habe, da wusste ich, wir werden einiges zu tun haben«, sagte der Österreicher. Es wäre übertrieben, zu behaupten, dass die Eintracht-Umkleide einem Lazarett glich, aber fünf, sechs Spieler fühlten sich nicht ganz so prickelnd, »kleinere oder größere Wehwehchen« will Oliver Glasner ausgemacht haben. »Die intensiven Wochen haben Spuren hinterlassen.«
Sieben Spiele in 25 Tagen samt Reisestress in die Türkei an den Bosporus - Strapazen, denen selbst Marathonmänner wie Djibril Sow oder Kristijan Jakic Tribut zollen mussten. Jakic wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Heimspiel am Samstag gegen Mainz 05 (15.30 Uhr/Sky) mit Schmerzen an der Hüfte ausfallen, genauso wie Christopher Lenz (Wade) und Aymen Barkok (Innenbanddehnung im Knie). Die Eintracht, obzwar topfit und konditionell absolut auf der Höhe, geht ziemlich ausgelaugt auf die letzten Meter des Jahres. Zumindest körperlich.
Die geistige Beschaffenheit aber könnte besser nicht sein, sie stellt die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga, hat das Feld von hinten aufgerollt und sich einen Spieltag vor Beendigung der Hinrunde in eine komfortable Situation gebracht. Platz sieben, Schlagdistanz zu den internationalen Startplätzen. Der Blick geht klar gen Europa.
Und genau diese Beschwingtheit kann der Mannschaft helfen, auch das letzte Spiel in diesem Jahr, ausgerechnet gegen den Nachbarn Mainz 05, mit all den Tugenden anzugehen, die sie in den letzten Wochen ausgezeichnet hat: Hingabe, Einsatzfreude, Laufstärke, Aggressivität. »Jetzt heißt es, gegen Mainz noch einmal alle Kräfte zu mobilisieren«, gibt Glasner die Losung vor.
Das wird schwer genug, die Rheinhessen spielen eine hervorragende Runde und haben sich eine ähnlich intensive Spielweise wie die Eintracht angeeignet, nicht selten »fressen« sie ihre Gegner mit Körperlichkeit und Draufgängerfußball einfach auf - so wie am Dienstag Hertha BSC bei diesem furiosen 4:0-Sieg. »Es gibt Parallelen in der Herangehensweise. Sie haben ein wahnsinnig aggressives Gegenpressing«, findet Glasner. »Das wird ein richtig guter Gradmesser zum Abschluss der Hinrunde.«
Auch Kapitän Sebastian Rode glaubt, dass die Partie eine anspruchsvolle, umkämpfte werden wird. »Da geht es noch mal heiß her«, orakelt er. »Mainz ist immer ein unangenehmer Gegner.« Komischerweise tut sich die Eintracht gerade zu Hause gegen den regionalen Rivalen schwer, nur einen Punkt konnte sie im Waldstadion in den letzten drei Begegnungen gegen die Nullfünfer holten - das war im Mai dieses Jahres. Aber der späte Ausgleich durch ein spektakuläres Sitz-Tor von Ajdin Hrustic war viel zu wenig, das 1:1 am 32. Spieltag ein weiterer Stolperstein auf dem Weg in die Königsklasse, die letztlich ja auch verpasst wurde. Schnee von vorgestern.
Sebastian Rode könnte zum ersten Mal seit vielen Monaten wieder eine tragende Rolle in der Anfangsformation übernehmen und den verletzten Jakic ersetzen. Dem lädierten Knie geht es trotz der 70 Minuten Spielzeit in Mönchengladbach gut, »es hat nicht reagiert«, wie Glasner berichtet. Ob der 31-Jährige aber schon fit genug für ein ganzes Spiel ist? »Ich habe ihm auch keine 70 Minuten zugetraut«, antwortet der Fußballlehrer schmunzelnd.
Sollte der Routinier doch passen müssen, könnte Makoto Hasebe im Mittelfeld einspringen. Der japanische Großmeister könnte aber auch in der Abwehr gefragt sein, weil dort eine Stelle vakant ist: Tuta ist nach seiner Gelb-Roten Karte gesperrt. Glasner bringt als Ersatzleute auch noch Almamy Touré oder den von einer starken Erkältung genesenen Stefan Ilsanker ins Spiel. Am wahrscheinlichsten scheint aber, dass Hasebe den Libero gibt und Linksfuß Martin Hinteregger nach rechts rückt - dann nämlich hätte der Trainer all seine stärksten Abwehrspieler gemeinsam auf dem Platz. Nicht unwichtig, denn mit dem Defensivverhalten hadert Glasner so ein bisschen: »Da sind wir jetzt anfälliger, als wir es vor einiger Zeit waren.« Aber: Damals hakte es in der Offensive. »Jetzt sind wir da kreativer und haben uns massiv verbessert«, wie der Österreicher erkannt hat. Alles eine Frage der Balance. Die Eintracht hat sich im trüben Spätherbst 2021 fußballerisch tatsächlich enorm entwickelt, »wir haben wieder einen Schritt nach vorne gemacht«, stellte Sportvorstand Markus Krösche nach dem 3:2-Erfolg bei Borussia Mönchengladbach fest.