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»Kein Anschluss unter ...«

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Erst kürzlich hat Eintracht-Trainer Oliver Glasner (l.) einen Verkauf Martin Hintereggers verhindert. Abzuwarten bleibt, wie er sich in diesen Tagen positioniert. FOTO: IMAGO © Imago Sportfotodienst GmbH

(dur). Auch am Tag nach den von Martin Hinteregger ausgelösten Turbulenzen herrscht in Frankfurt größte Verwunderung über den zuweilen etwas sonderbaren Fußballprofi. Eskapaden ist man vom allgegenwärtigen Eintracht-Hinti schon gewohnt, klar, doch dass er sich nun mit einem in Österreich bekannten Rechtspopulisten eingelassen hat, in einem eigenen Statement irgendwie nur halbherzig und wenig reumütig zurückgerudert ist und dann noch die Chuzpe besitzt, einfach nicht abzuheben, wenn ihn seine Chefs anrufen, hat für ungläubiges Staunen gesorgt.

Kein Anschluss unter dieser Nummer. Den ganzen Tag lang. Das schlägt dem Fass den Boden aus. Hinteregger hat das Potenzial, ein Sommerloch ganz alleine zu füllen.

Im Führungszirkel der Eintracht herrscht maximales Unverständnis und Irritation über den Abwehrchef. Eigentlich hatte man sich gewünscht, die Sache mit einer gemeinsamen, deutlichen Erklärung, in der auch der Spieler sich eindeutig von seinem rechten Geschäftspartner distanziert und zu den Werten des Vereins bekennt, aus der Welt zu schaffen oder zumindest zu glätten. Doch so blieb es bei einem Gespräch mit Hintereggers Berater und »lediglich der Verweis auf die Stellungnahme des Spielers via Instagram«. Dass diese den Verantwortlichen nicht weit genug ging, ist offenkundig. Auch eine Absage des Hobbyturniers sehen die Funktionäre als alternativlos an.

Volkstribun zelebriert Nähe

Es ist kaum davon auszugehen, dass der Spieler noch eine gedeihliche Zukunft in Frankfurt haben wird. Vieles deutet auf eine Trennung hin, aber nicht zum Nulltarif. Die Eintracht schreckte auch deshalb vor weitreichenden Konsequenzen zurück, weil sie den Wert des Spielers nicht verbrennen will. Sportlich ist Hinteregger weiterhin auf einem Topniveau, die Eintracht will ihn nicht verscherbeln. Es geht um Millionen. Es ist daher nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der Verteidiger erst einmal bleibt.

Hinteregger ist zum Politikum geworden, er spaltet Fußball-Frankfurt. Verein und Spieler bewegen sich in einem aufgeladenen Spannungsfeld. Da kommen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen Hintereggers Standing in der Öffentlichkeit: Der 29-Jährige genießt Heldenstatus, ihm wird quasi alles verziehen, er kann sich mehr rausnehmen als andere. Im Privaten und auf dem Platz. Selbst wenn er den Ball übers Stadiondach schießt, branden Sprechchöre auf. Weshalb das so ist, lässt sich nur noch schwerlich ergründen, die Sympathiewelle ist losgerollt und ward nicht mehr gestoppt. Die Ultras sind dagegen nicht ganz so glücklich über den Hype um den Spieler, sie lehnen Personenkult ab.

Hinteregger, der Volkstribun, bedient diese Sehnsucht, er zelebriert die Nähe zu den Fans, mittlerweile auch über die sozialen Kanäle. Das ist keine Masche, aber er weiß um seine Popularität, spielt die Karte Publikumsliebling gerne aus. Generell aber gilt: Hinteregger ist, wie er ist, entscheidet aus dem Bauch heraus, schert sich nicht um eine Norm oder dass er als prominenter Sportler in der Öffentlichkeit unterm Brennglas steht. Als die Mannschaft etwa nach dem exzessiven Feier- marathon nach dem Europa-League-Triumph völlig abgekämpft im Proficampus ankam und 99 Prozent der Spieler nur noch nach Hause ins Bett wollten, ist Hinti noch mal auf die Pirsch ins Kneipenviertel gegangen - dutzende Handyvideos zeigen ihn bei seltsamen Handlungen. Ihn schert das nicht, er macht es, weil er es so fühlt, weil er Bock darauf hat.

Hintereggers Status macht es auch für Markus Krösche nicht leichter, der Sportvorstand braucht diplomatisches Geschick. Der 41-Jährige ist erst ein Jahr in Frankfurt - und dann gleich den beliebtesten Spieler rasieren? Knifflig. Krösche darf sich davon freilich nicht leiten lassen, macht er auch nicht. Leicht ist es auf diesem Parkett dennoch nicht. Hinteregger ist nämlich schwer kontrollierbar. In einem Interview vor wenigen Wochen etwa plauderte er Interna aus, zählte die Vereinsführung an und klagte bitterlich: »In diesem Jahr ist sehr viel in die Brüche gegangen.«

Und: Auch der Trainer steht sportlich auf seinen Landsmann und hält zu ihm. Oliver Glasner hatte es der Spieler überhaupt zu verdanken, dass die Eintracht kurzzeitig davon Abstand nahm, ihn verkaufen zu wollen (was sich jetzt wieder geändert hat). Man darf gespannt sein, wie sich Oliver Glasner nach dem neuerlichen Eklat positioniert.

Bei der Eintracht wussten sie damals, was auf sie zukommt, dass da ein unangepasster Freigeist kommt, der seinen eigenen Kopf hat, gerne mal um die Häuser zieht und für Ärger und schlechte Stimmung sorgen kann. Als Hinteregger dem Augsburger Manager Stefan Reuter auf den Kopf zusagte, er werde seine Karriere beenden, wenn er ihn nicht nach Frankfurt ziehen lasse, haben sie das bei der Eintracht mit einigem Bauchgrimmen registriert.

Klar haben sie durch diese dreiste, aber ernst gemeinte Drohung den Lieblingsspieler von Ex-Trainer Adi Hütter bekommen, doch sie ahnten, dass das schwierig werden könnte mit dem eigenwilligen Typen aus Kärnten. »So was oder so was ähnliches kann uns eines Tages auch blühen. Da bin ich mir sicher«, sagte damals einer aus der Füh- rungscrew. Er sollte recht behalten.

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