Gesichter eines Jahres

Alexander Zverev, Annika Scheu, Christian Eriksen und Emma Raducano - vier Menschen, die beispielhaft für all die großen Emotionen stehen, die der Sport auch im abgelaufenen Jahr geboten hat - Titel, Tragödien und Überraschungen.
Der Titelsammler: Alexander Zverev
Diese Tennis-Sternstunde von Tokio lässt Alexander Zverev einfach nicht los. Sei es auf dem Trainingscourt, im Kraftraum oder am Strand auf den Malediven - am liebsten trägt der 24-Jährige seine Olympia-Bekleidung von »Team D«. Und selbst nach seinem Sieg bei den ATP Finals war da sofort wieder der Hinweis auf Tokio. »Die olympische Goldmedaille«, sagte Zverev, »wird immer über allem stehen.«
Sechs Titel hat der Hamburger in dieser Saison gewonnen, so viele wie kein anderer Spieler auf der Tour. An den Glanz dieser Goldmedaille, der ersten im Einzel für das deutsche Männer-Tennis und mit einem Wahnsinns-Comeback im Halbfinale gegen Dominator Novak Djokovic redlich verdient, kommt aber kein Sieg heran. Zumindest bislang nicht. Denn natürlich »fehlt noch eine Sache«, wie der Olympiasieger nach seinem Triumph beim Saisonabschluss der besten Tennisprofis des Jahres betonte: dieser erste Grand-Slam-Titel. »Ich werde meinen Arsch dafür aufreißen«, versprach Zverev, der im Dezember zu Deutschlands Sportler des Jahres gekürt wurde. Schon bei den Australian Open im Januar könnte die nächste Sternstunde des Titelsammlers folgen.
Der Aufreger: Annika Schleu
»Hau drauf, hau richtig drauf!« Die Worte der Fünfkampf-Bundestrainerin Kim Raisner an Annika Schleu hallten lange nach. Die Berlinerin hatte bei den Olympischen Spielen in Tokio auf Goldkurs gelegen, bis das Drama seinen Lauf nahm. Unter Tränen versuchte Schleu, das ihr zugeloste und völlig verängstigte Pferd Saint Boy mit Sporen zurück in den Parcours zu bringen. Die von Raisner geforderten Schläge mit der Gerte vergrößerten das Leid für Pferd und Reiterin nur noch.
Die verstörenden Bilder gingen um die Welt. Die Folgen eines der großen Skandale der Sommerspiele waren weitreichend. Es entbrannte eine Grundsatzdiskussion über den Modernen Fünfkampf und die Teildisziplin Reiten. Das Ergebnis? Das Springreiten wird zu den Spielen in Los Angeles 2028 aus dem Fünfkampf-Programm gestrichen. Wann die neue Disziplin bekannt gegeben wird, ist noch nicht bekannt. Vermutlich wird eine Radkonkurrenz etabliert.
Das Drama: Christian Eriksen
Was waren das bange Minuten im Kampf um Leben und Tod im Kopenhagener Parken-Stadion. Wie vom Blitz getroffen sackte Christian Eriksen im Vorrundenspiel gegen Finnland kurz vor der Halbzeit zusammen. Regungslos lag der dänische Fußball-Star auf dem Rasen, Notärzte kämpften minutenlang mit einem Defibrillator um sein Leben.
Die Fußball-Welt hielt den Atem an - erst nach gut einer Stunde kam aus dem Krankenhaus die erlösende Entwarnung. Schon am Tag danach bekam Eriksen einen festen Herzschrittmacher eingesetzt, der Erholungsprozess verlief gut. Sogar so gut, dass Eriksen Anfang Dezember bei seinem Jugendklub Odense BK für Einzeltraining auf den Trainingsplatz zurückkehren konnte.
Was das restliche dänische Team »für Christian« geleistet hat, war dabei aller Ehren wert. Erst der Sichtschutz während der Behandlungsmaßnahmen auf dem Feld, dann der wunderbar offene Umgang mit den eigenen Emotionen und zu guter Letzt sportliche Glanzleistungen beim bewegenden Siegeszug bis ins Halbfinale. Dänemark war der Europameister der Herzen.
Die Überraschung: Emma Raducanu
Allzu viele sportliche Schlagzeilen gab es von Emma Raducanu nach ihrem Märchen von New York nicht mehr - doch dem gewaltigen Hype um die britische Tennis-Hoffnung tat das keinen Abbruch. Schließlich hatte es sowas noch nicht gegeben: Im Alter von 18 Jahren, als erste Qualifikantin überhaupt, stürmte Raducanu bei den US Open zu ihrem ersten Grand-Slam-Titel - und das, ohne vorher auch nur ein Match auf der WTA-Tour gewonnen zu haben.
Nach ihrem Coup - ohne Satzverlust wohlgemerkt - flanierte Raducanu bei der Met Gala in New York oder der Londoner Fashion Week über die roten Teppiche, dazu wurde sie Botschafterin der Luxus-Modemarke Dior. Ab der kommenden Saison wird das Tennis-Juwel von Torben Beltz geschliffen - der deutsche Erfolgstrainer hatte auch schon Angelique Kerber in der Weltspitze etabliert. SID/FOTOS: IMAGO


