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Geld und (Ohn)Macht

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Der sehr schnelle Stadtkurs in Dschidda wurde 2021 entlang des Roten Meeres gebaut. © DPA Deutsche Presseagentur

Die Formel 1 fährt weiterhin in Saudi-Arabien und hilft dem Land, sein Image aufzupolieren - das ist allerdings nicht das einzige Problem: Die Abhängigkeit der Rennserie von saudischem Geld wird immer größer.

Rauchwolken stiegen in den Himmel, der Geruch von verbranntem Öl hing in der Luft. Lewis Hamilton wollte nur noch nach Hause, überhaupt war die Verunsicherung greifbar in der Formel 1 - gefahren wurde am Ende natürlich trotzdem. Vor ziemlich genau einem Jahr erschütterte der Rebellenanschlag auf eine Raffinerie unweit der Strecke den Grand Prix in Saudi-Arabien, es war der große, der sichtbare Aufreger des Rennwochenendes.

Und doch ist die Sicherheitslage vor Ort bloß ein Randaspekt, wenn es um Kritik an diesem wohl umstrittensten Rennen im Kalender geht. Die Menschenrechtsverletzungen im Land mögen rund um den Jeddah Corniche Circuit unsichtbar sein, die Lage aber ist unverändert »miserabel«, so sieht es nicht nur Human Rights Watch im Vorfeld des WM-Laufs am Sonntag (18 Uhr MEZ/Sky). Saudi-Arabien sei in dieser Hinsicht weiterhin ein »globaler Ausreißer«.

Die Formel 1 zweifelt dennoch nicht an ihrem Gastspiel in Dschidda, die Rolle, die sie für das Land dabei spielt, ist recht offensichtlich: Imagepolitur dank weltberühmter Stars, Sportswashing wird das genannt - nicht ganz so offensichtlich ist die andere Seite dieser Geschäftsbeziehung: Ist die Formel 1 allmählich abhängig von dem vielen Geld aus Saudi-Arabien?

Fast 50 Millionen Euro Antrittsgage soll der Staat jährlich an die Formel 1 überweisen. Allenfalls Katar und Aserbaidschan können da annähernd mithalten, das britische Magazin »MotorSport« hat das zuletzt vorgerechnet. Traditionsreiche europäische Rennen knacken nicht einmal die 20-Millionen-Grenze, die deutschen Strecken sind bei diesen Summen längst ausgestiegen.

Und die Rennprämie bildet bloß einen Teil der Summen, die aus Saudi-Arabien fließen. Seit 2020 gehört Saudi Aramco zu den Premium-Sponsoren der Formel 1, der weltweit größte Erdölförderer ist in staatlicher Hand, er soll in zehn Jahren knapp 430 Millionen Euro überweisen - insgesamt dürfte Saudi-Arabien mittlerweile der größte Geldgeber der Formel 1 sein. Das bringt Einfluss, den sich der Staat ja längst auch in anderen Sportarten sichert, im Fußball etwa oder im Boxen. Wer in der Formel 1 nach der komplizierten Geschäftsbeziehung fragt, der erhält bewährte Antworten. Man könne in diesen Ländern positiven Einfluss nehmen, sagt CEO Stefano Domenicali, das sei wirksamer als ein Fernbleiben.

Das Problem benennt Joey Shea, Expertin für Saudi Arabien bei Human Rights Watch. »Wenn die Formel 1 in ein Land mit schrecklicher Menschenrechtsbilanz kommt und nichts sagt, dann ist sie nicht neutral«, erklärte Shea dem Guardian, »dann hilft sie aktiv, die Probleme zu beschönigen.« Und tatsächlich benennt die Rennserie keine Missstände, im Gegenteil. Erst im vergangenen Winter wies der Weltverband FIA noch einmal auf sein geltendes Reglement hin: Politische Statements der Fahrer sind unerwünscht.

Und fast alle Piloten schwiegen bislang in Dschidda auch, wenn es kritisch wurde. Sogar Lewis Hamilton, so etwas wie das soziale Gewissen der Formel 1, wollte es zunächst bei Andeutungen belassen. Und sprach dann doch etwas ausführlicher. »Wenn der Sport an Orte wie diesen geht, mit Menschenrechtsproblemen, dann müssen wir das Bewusstsein dafür stärken«, sagte er: »Ich denke, der Sport müsste mehr tun.«

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