Flügelflitzer ist zurück

(sid). Er war Jugend-Europameister, holte Bronze bei der Junioren-WM und stand mit Hannover im Pokalfinale - doch richtig berühmt wurde Timo Kastening erst durch einen der kuriosesten Momente der jüngeren Länderspielgeschichte. »Wie heißt du?«, hatte der damalige Bundestrainer Christian Prokop den EM-Debütanten vor laufenden Kameras während des deutschen Turnier-Auftakts gefragt.
Millionen TV-Zuschauer schmunzelten. Auch Kastening nahm es mit Humor. Netter Nebeneffekt von Prokops Fauxpas: Der Name Kastening war in aller Munde und ist seitdem nicht bloß Handballfans ein Begriff.
Drei Jahre später sind die Augen bei der Nationalmannschaft endlich wieder auf den kleinen Flügelflitzer von der MT Melsungen gerichtet. Mit den Länderspielen in Schweden am Donnerstag (18.35 Uhr/sportschau.de) und gegen Spanien am Sonntag (15.35 Uhr/ARD) feiert Kastening seine Rückkehr nach langer Leidenszeit. Erstmals nach seinem Kreuzbandriss im April 2022 lud DHB-Coach Alfred Gislason den Linkshänder wieder ein. Kastening brennt auf sein Comeback und will sich mit Nachdruck für die großen Aufgaben im kommenden Jahr empfehlen. »Natürlich stehen für mich die Heim-EM 2024 und die Olympischen Spiele klar im Fokus. Dafür lohnt es sich total, den A... aufzureißen«, erzählte Deutschlands Handballer des Jahres 2019 kürzlich der »Handballwoche«. Bei den kommenden Highlights wolle er »unbedingt« dabei sein, betonte Kastening, der die WM im Januar verpasst hatte.
Die Phase nach schwierigen Monaten, in der auch eine Autofahrt unter Alkoholeinfluss publik wurde und er seinen Führerschein abgeben musste, betrachtet der 27-Jährige als einen »Neuanfang«. Während der Verletzungspause habe er gemerkt, »wie wichtig und wie großartig Handball für mich ist«, sagte Kastening: »Mit der Freude war das so eine Sache, es gab diese erste und schwere Verletzung, ich hatte die Dummheit mit dem Führerscheinverlust begangen und auch privat lief es nicht rund damals.« Es sei »Zeit für eine Trendwende« gewesen.
Dass ein Kastening in Topform fürs deutsche Team eine Bereicherung wäre, steht außer Frage. Mit seinen blitzschnellen Tempogegenstößen erinnert der gerade einmal 1,80 m große Rechtsaußen an Speedy Gonzalez, der es liebt, dem Gegner in der Abwehr die Bälle zu stibitzen, um sie vorne in leichte Tore umzumünzen. »Der Timo schleicht sich da unten immer von 1,50 Meter irgendwo raus und klaut dann den Ball. Der macht es überragend«, sagte der frühere DHB-Kapitän Uwe Gensheimer einmal über Kastening - und beschrieb damit genau jene Fertigkeiten, die sie sich beim Verband auch jetzt wieder von dem Rechtsaußen erhoffen.