Erster Härtetest für Flick

237 Tage vorm WM-Anpfiff ist Allesgewinner Flick im Prestigeduell mit den starken Holländern und Trainerkollege van Gaal erstmals richtig gefordert mit dem DFB-Team - und das mit einem arg reduzierten Bayern-Block.
Mitten hinein in Hansi Flicks Ausführungen zur großen WM-Zwischenprüfung gegen Holland platzte ein Anruf auf dem Handy des Bundestrainers. »Jetzt ruft gerade Joshua Kimmich an«, verriet Flick beim kurzen Blick auf das Display. »Da gehe ich jetzt natürlich nicht dran«, sagte Flick auf dem DFB-Podium im Teamhotel laut lachend in die laufende Übertragung seiner Pressekonferenz. Und schloss an: »Ich schreibe mal zurück, dass ich gleich zurückrufe.«
Später kehrte der Bundestrainer tatsächlich noch einmal zurück und berichtete kurz, dass Kimmichs drittes Kind weiter auf sich warten lasse. »Es ist alles noch ruhig«, führte er später im ARD-Hörfunk aus. Er habe »zum Jo gesagt, dass er zu Hause bleiben soll«. Es sei in diesem Moment »die richtige Entscheidung, zu sagen, das bringt jetzt alles nichts«. Flick riet Kimmich vielmehr: »Konzentriere dich jetzt auf deine Frau.«
Wie beim 2:0 gegen Israel wird der Leistungsträger vom FC Bayern damit auch am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) gegen die Niederlande in Amsterdam fehlen, wohin Flick mit seinen 23 Spielern erst nach dem noch in Frankfurt abgehaltenen Abschlusstraining aufbrach. Sieben Monate musste der Allesgewinner auf einen Fußballabend warten, der sich nach einer echten WM-Prüfung anfühlt. Holland gegen Deutschland - der Klassiker mit dem speziellen Prestigefaktor setzt auch Flick unter Strom. »Wir freuen uns auf das Kräftemessen.«
Auch für den Bundestrainer persönlich ist es eine besondere Aufgabe, weil er sich mit Oranje-Coach Louis van Gaal (70) messen kann, dem einstigen Coach des FC Bayern, den Flick seit Jahren sehr schätzt: »Louis ist ein absoluter Fußball-Fachmann.« Bondscoach van Gaal ist ebenfalls gespannt. »Wir haben Deutschland ausgewählt, weil wir den größtmöglichen Widerstand haben wollten«, sagte der Niederländer. Im DFB-Kreis kribbelte es schon lange vor dem Anpfiff in der Arena von Ajax Amsterdam, in der Flick mit einem arg reduzierten Bayern-Block ohne Kimmich, Leon Goretzka, Serge Gnabry und Niklas Süle die große Halbzeitprüfung auf dem Weg nach Katar bestehen muss. Acht Spiele mit acht Siegen und 33:2 Toren gegen ausschließlich zweitklassige Gegner liegen hinter Flick - in Amsterdam beginnt nun die zweite Hälfte des WM-Countdowns mit noch einmal acht Länderspielen.
»Holland hat eine Mannschaft, die sehr gut Fußball spielen kann, die Topspieler in ihren Reihen hat, ob in der Defensive, im Mittelfeld oder im Sturm.« Flicks Matchplan steht: »Wir wollen den Gegner zu Fehlern zwingen und unser eigenes Spiel aufziehen.«
Die Niederländer mit dem Freiburger Mark Flekken im Tor sind Flicks erster Gegner aus den Top Ten der FIFA-Weltrangliste. Oranje steht auf Position zehn, Deutschland ist die Nummer elf - ist es ein Duell auf Augenhöhe. Flick wird - anders als beim Warm-up gegen Israel - das Beste aufbieten, was ihm zur Verfügung steht. Kapitän Manuel Neuer kehrt ins Tor zurück und wünscht sich zwei Tage nach seinem 36. Geburtstag ein nachträgliches Geschenk seiner Teamkollegen.
Ins Abwehrzentrum rückt wieder Antonio Rüdiger, der in seinem 50. Länderspiel in Abwesenheit des verletzten Süle den Defensivchef geben soll. »Ich bin total happy, dass wir so einen Spieler in unseren Reihen haben. Er will immer den Sieg«, sagte Flick zu Jubilar Rüdiger. Auch die gegen Israel anfangs geschonten Thomas Müller und Leroy Sané werden wieder in der Startelf auflaufen.