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Erstaunliche Wandlung

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imago0246875024h_090523_4c © Imago Sportfotodienst GmbH

Was ist bei Eintracht Frankfurt in den vergangenen Wochen nur passiert? Die Chronik eines Niedergangs.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Gerüchteküche anfängt zu brodeln angesichts der Turbulenzen um Cheftrainer Oliver Glasner (Bild), dessen Stuhl bei Eintracht Frankfurt nicht mehr felsenfest verankert ist. Namen kursieren, Dino Toppmöller, zum Beispiel, der Sohn von Klaus (71), eingangs der 90er Jahre Trainer bei den Hessen. Toppmöller Junior ist im Gefolge der Entlassung von Julian Nagelsmann bei den Bayern auf Jobsuche, auch Matthias Jaissle (RB Salzburg) oder Mike Tullberg (Bor. Dortmund Jugend) spazierten als designierte Nachfolger über dem Boulevard.

Aber Glasner, der nach seiner Roten Karte vom Samstag vom DFB zu einem Spiel Innenraumverbot verurteilt wurde, ist noch der Trainer einer sich selbst fremd gewordenen Mannschaft, die eine erstaunliche Metamorphose vom Champions-League-Anwärter zu einem in der Fußball-Bundesliga fast schon absurd erfolglosen Team hinter sich hat. Die Frage ist: Wie konnte das nur geschehen?

Blickt man zurück an den Beginn der Krise, dann gibt es zwei einschneidende Ereignisse, die das Team in ihrem Kern offenbar nachhaltig berührt und aus dem Tritt gebracht haben. Einmal das Hinspiel im Achtelfinale der Königsklasse, als man schon dachte, weiter zu sein, um dann vom SSC Neapel die Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Diese italienische Demonstration der Stärke, drei Tage nach einem in aller Souveränität herausgespielten 2:0-Sieg gegen Werder Bremen, war ein Stimmungskiller. Danach gab es eine lange nicht mehr erlebte Negativserie von zehn Ligaspielen ohne Sieg, unterbrochen nur durch zwei Erfolge in nationalen K.-o.-Spielen.

Die zweite Zäsur war sicherlich der Auftritt am 19. März bei Union Berlin, den die Hessen nach ansehnlicher erster Hälfte und einer Unmenge an Torchancen schlafmützig 0:2 verloren hatten. Vor allem: Danach zerlegte ein erstmals dünnhäutiger Glasner seine Hintermannschaft, seine Kritik gipfelte in der bockigen Antwort: »Ich weiß nicht, wie man Qualität trainieren kann.« Es war das erste Mal, dass der Fußballlehrer derart schonungslos Kritik äußerte und seinem Unmut darüber freien Lauf ließ, im Winter keinen resoluten Verteidiger, wie gefordert, erhalten zu haben. Und es dauerte nicht lange, da legte der 48 Jahre alte Österreicher den nächsten ungewohnten Auftritt hin. In Leverkusen, nach einer 1:3-Niederlage, fühlte er sich gleich zweimal von Reporterfragen provoziert, beim ersten Mal brach er das Interview ab, beim zweiten Mal und einer Frage nach der von ihm selbst beanstandeten »fehlenden Handlungsschnellligkeit« beendete er die Pressekonferenz.

Glasner geriet immer mehr in ein ungutes Spannungsfeld: Das Team schwächelte mehr und mehr, Spieler fehlten verletzt, Leistungsträger suchten plötzlich nach ihrer Form. Und Glasner merkte ja auch, dass der Klub im Begriff war, alle Ziele zu verpassen. Er merkte selbst, dass all seine Lösungsversuche - die sich im Kern auf das Prinzip Hoffnung stützen - wirkungslos verpufften. Dazu kam, dass im ganzen Klub plötzlich Unruhe herrschte, ein Machtkampf zwischen Aufsichtsratschef Philip Holzer und Vorstandssprecher Axel Hellmann band Kräfte. Zu dem Zeitpunkt kursierten Gerüchte, wonach Glasner das Interesse anderer Klubs erregt habe, er selbst kokettierte ganz gerne damit, blieb in der Frage um seine Zukunft in Frankfurt im Ungefähren.

Und zu allem war da noch Sportvorstand Markus Krösche, der in Permanenz das Erreichen der hochgesteckten Ziele anmahnte. Unlängst erst, als er gefragt wurde, ob die Spieler verstünden, was auf dem Spiel stehe, hat er gesagt: »Sie haben es nicht begriffen.« Ein Aussage, die Glasner, ohnehin häufig anderer Meinung als Krösche, als Affront auffassen musste.

Glasner ist mittlerweile zwischen alle Mahlsteine geraten. Er droht, zerrieben zu werden von allen möglichen Seiten, da ist der Druck, ambitionierte Ziele zu erreichen, ein eigener hoher Anspruch und eine ebensolche Erwartungshaltung des Umfeldes. Das alles trifft auf eine Mannschaft, die ihr Leistungsvermögen nicht ausschöpft, aus Fehlern nichts lernt. Das alles nagt an Glasner, piesackt und belastet ihn, weshalb Wutausbrüche wie jener vom Wochenende erklärbar und menschlich sind. Es ist aber ein Weg in die Sackgasse. FOTO: IMAGO

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