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Eigentor völlig ohne Not?

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(sid). Das Banner war nicht zu übersehen. Scharfe Kritik an der FIFA, ein Boykott-Aufruf gegen die WM des Ausbeuter-Regimes Katar und eine Schockzahl - das saß. Damit wäre es nach vier Minuten des Länderspiels zwischen Deutschland und Italien aber auch vorbei gewesen, hätte nicht die Polizei Mönchengladbach die entsprechenden Fans kontrolliert und deren Personalien festgestellt.

Auf expliziten Hinweis des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Der Verband weist den bei Fans entstandenen, sehr delikaten Eindruck, es würden Überbringer unliebsamer Botschaften gegängelt, weit von sich. Die Gruppe habe das Stadion »sehr schnell« verlassen, sich aber weiter im Arena-Umfeld bewegt, teilte der DFB am Mittwoch mit: »Aufgrund dieses untypischen Verhaltens und aus Sorge um die Sicherheit der Veranstaltung informierte der DFB die Polizei.«

Es liege »nicht im Interesse« des Verbandes, die Meinungsfreiheit einzuschränken, im Gegenteil: Die Fragen der WM-Austragung in Katar und der Arbeiterrechte, »die eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit und die Situation für die LSBTIQ+ Gemeinschaft« bedürften eines kritischen Diskurses. »Hierzu trägt deutsche Fankultur in erheblichem Maße bei, was wir ausdrücklich begrüßen.« Welche Gefahr allerdings von einer Personengruppe mit einem strafrechtlich irrelevanten Großplakat hätte ausgehen sollen, wusste die Polizei auch am Mittwoch nicht befriedigend zu erklären. Es gebe »mehrere Ansätze und gedankliche Linien«, sagte Sprecher Wolfgang Röthgens. Er versicherte: »Wir sind keine Handlanger eines Veranstalters.«

Keine Folgen

In einer »dynamischen Lage« habe gesichert werden sollen, dass der DFB, sofern es Verstöße gegen dessen Geschäftsbestimmungen gegeben hätte, Ansprüche hätte verfolgen können. »Es hat ein Interesse daran gegeben, zu wissen, wer das war«, sagte der Sprecher, die Frage sei gewesen: »Was haben die Aktivisten vor? Was ist an Folge-Aktionen geplant?« Die Personalienfeststellung sei »eine der mildesten Maßnahmen überhaupt«.

Für die Fans, die nach SID-Informationen Eintrittskarten gekauft hatten, bleibt die Kontrolle folgenlos. Der DFB verzichtete auf jegliche Ansprüche und die Übermittlung der Daten durch die Behörden, auch polizeilich wird es »keine weiteren Maßnahmen« geben.

Das Banner mit der Aufschrift »15 000 Tote für große Kulissen - FIFA und Co. ohne Gewissen. Boykott Katar« hat das erwünschte Aufsehen erregt. Die Zahl bezieht sich auf einen Bericht von Amnesty International, sie umfasst Regierungsdaten zu allen Todesfällen von Nicht-Katarern zwischen 2010 und 2019, unabhängig von Alter, Todesart oder Bezug zu WM-relevanten Baustellen. Die Polizei schreibt sich zu, ein wenig zur Verbreitung der Botschaft beigetragen zu haben: »Die Meinungskundgabe hat ja durch die Kontrolle noch mehr Auftrieb bekommen.« Die Betroffenen werden das kritischer sehen.

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