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Duell der Unverstandenen

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Duell der Strategen: Manchester City mit Ilkay Gündogan (r.) und Toni Kroos von Real Madrid kämpfen heute mit ihren Teams um den Einzug ins Champions-League-Finale. © Imago Sportfotodienst GmbH

(dpa). Ilkay Gündogan mag sich, wenn es um die Champions League geht, vorkommen wie der Hase in dem Märchen mit dem Igel. Wenn er glaubt, die Hand endlich am Henkelpott zu haben, ist plötzlich Toni Kroos schon da. Nun geht es im Halbfinal-Rückspiel der Königsklasse zwischen Gündogans Manchester City und Kroos’ Real Madrid natürlich nicht um eine private Angelegenheit der beiden deutschen Fußball-Stars.

Auch haben beide keine Wette laufen, wer denn nun schneller sei, Hase Gündogan oder Igel Kroos. Besondere Eifersüchteleien zwischen den Strategen des Spiels mit der Rückennummer 8 sind auch nicht bekannt.

Aber: Die Historie und die Magie des Henkelpotts macht die zweite Partie am Mittwochabend (21 Uhr/DAZN) im Ethihad Stadium von Manchester nach dem 1:1 in der Vorwoche auch zu einem Duell der beiden in ihrer Heimat chronisch unverstandenen Profis mit einer ähnlichen und doch so unterschiedlichen Vita. Beide wurden 1990 geboren. Gündogan im Oktober in Gelsenkirchen, Kroos im Januar in Greifswald - und damit in sozialen Milieus, die im deutschen Einheitsjahr Welten auseinander lagen. Beiden wurde in der Heimat nie die ganz große Fan-Liebe zuteil, sie zogen in die große Fußball-Welt und fanden dort ihr Glück.

Nur: Kroos hat die Champions League fünfmal gewonnen, Gündogan noch nie. Das ist die Unwucht, die im Londoner Wembleystadion 2013 ihren Anfang nahm. Gündogan traf für Borussia Dortmund damals per Elfmeter. Der FC Bayern München gewann dennoch 2:1 und Kroos durfte sich erstmals Champions-League-Sieger nennen, obwohl er im Endspiel verletzt fehlte.

Kroos ging zu Real Madrid und ließ vier Königsklassen-Siege folgen. Gündogan wechselte später nach England zu City und sehnt sich so sehr wie sein ganzer, nur national dauererfolgreicher Club nach diesem internationalen Titel, der den Königlichen irgendwie immer wieder zufliegt.

Das Drama kulminierte im vergangenen Mai, als Real City den Finaleinzug nach zwei Last-Minute-Toren letztlich in der Verlängerung (3:4/3:1) verwehrte. »Niemand hat im vergangenen Jahr erwartet, dass wir gewinnen würden. Und das haben wir trotzdem«, erinnerte sich Kroos nun vor der Neuauflage. Seine Worte klangen wie eine Drohung: »Ich vertraue unserer Erfahrung.«

Dabei ist es keineswegs so, dass City Real nicht schlagen kann. Im Corona-Jahr 2020 setzten sich die Engländer im Achtelfinale zweimal mit 2:1 durch - um dann im Viertelfinale an Olympique Lyon (1:3) zu scheitern. 2021 hatte Gündogan das Endspiel mit den Cityzens gegen den FC Chelsea (0:1) verloren. »Es ist unser großer Traum, die Champions League zu gewinnen«, sagte Gündogan dem Portal t-online. Im Finale in Istanbul am 10. Juni soll sich dieser erfüllen.

Bei aller bislang ungestillten Sehnsucht muss man sich Gündogan nicht als unzufriedenen Fußballer vorstellen. Im Gegenteil. Bei City, der derzeit individuell wohl besten Mannschaft der Welt, ist er der Kapitän und nicht andere Koryphäen wie Kevin De Bruyne oder Erling Haaland. Trainer Pep Guardiola bezeichnete ihn sinngemäß als klügsten Spieler, den er je betreute. Guardiola will Gündogan unbedingt zum Bleiben überreden, wenn der Vertrag im Sommer ausläuft.

Kroos hat sich praktisch schon entschieden, eine letzte Saison in Madrid dranzuhängen. Er hat dort seinen Mittelpunkt gefunden. Trainer Carlo Ancelotti ist ein Kroos-Fan, der Junge von der ostdeutschen Ostseeküste ist eine Institution bei den Königlichen. Dieser Stellenwert bei internationalen Top-Clubs ist die Parallele von Gündogan und Kroos. In der Fremde erreichten sie den Status, der ihnen in der Heimat verwehrt blieb. Zu unnahbar, zu introvertiert kommen beide oft rüber. Egal, wie das Kräftemessen ausgeht. 2024 kann sich ein Kreis schließen, dann findet das Finale der Champions League wieder in Wembley statt.

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