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Djokovic entnervt Kyrgios

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_1SPOHSPORT9-B_190021_4c © AFP GmbH

Novak Djokovic gewinnt zum siebten Mal das Tennis-Turnier in Wimbledon. Nick Kyrgios hatte seine Chance, doch er verliert die Kontrolle.

Nachdem Novak Djokovic (Foto) die australische Tennis-Rebellion in seinem Rasenreich Wimbledon mit gnadenloser Präzision zurückgeschlagen hatte, bahnte er sich den Weg durch die Menge. Auf der Tribüne fiel er seiner Mutter Dijana, seinem Vater Srdjan und seiner Ehefrau Jelena um den Hals. Unten am Rande des Heiligen Rasens hockte Nick Kyrgios tief enttäuscht und schüttelte mit leerem Blick den Kopf.

Djokovic hatte den unberechenbaren Finaldebütanten mit beinahe unmenschlicher Gelassenheit entnervt und nach dem 4:6, 6:3, 6:4, 7:6 (7:3) seinen vierten Titel in Folge im All England Club gewonnen. Ein »emotionales Feuerwerk« hatte nur Kyrgios abgebrannt - und konnte nur staunen. »Er ist ein bisschen wie ein Gott«, sagte der Verlierer.

Auch Djokovic fand lobende Worte für Kyrgios, der ihn einst verspottet hatte. »Du hast gezeigt, dass du einer der besten Spieler der Welt bist«, sagte der Serbe: »Ich respektiere dich sehr und hätte nie gedacht, dass ich so viele nette Dinge über dich sagen werde.« Das gemeinsame Abendessen fiel aber aus, Djokovic genoss lieber den achten Hochzeitstag mit seiner Frau.

Zu feiern gab es genug: Mit insgesamt sieben Titeln in Wimbledon schloss er zu seinem Jugendidol Pete Sampras auf und liegt nur noch einen Erfolg hinter Rekordchampion Roger Federer - zudem nähert er sich im Grand-Slam-Ranking dem Spitzenreiter: Nach Djokovics 21. Triumph ist Rafael Nadal (22 Titel) wieder in Reichweite.

Djokovic, Federer, Nadal: Die Dominanz der großen Drei war oft erdrückend. In den letzten 20 Jahren gesellte sich in Wimbledon nur Andy Murray zu diesem Siegertrio. Kyrgios (27) brachte die Unberechenbarkeit zurück ins Finale: Genialität und Wahnsinn, Weltklasse und Wutanfälle liegen bei ihm eng beieinander. Die Nervosität hatte der Außenseiter gut im Griff, der erste Aussetzer passierte Djokovic: Mit einem Doppelfehler gab er seinen Aufschlag ab. Wenig später war der Satz weg, doch davon ließ sich Djokovic nicht beunruhigen. Im zweiten Durchgang gelang ihm der Durchbruch: Zum ersten Mal im diesem Duell nahm er Kyrgios dessen Aufschlag ab.

Kyrgios hatte im Turnier eine erstaunliche Entwicklung vom Super-Flegel zum Titelkandidaten durchgemacht. Doch er wandelt auf einem schmalen Grat. Djokovic zog das Tempo an, sein Gegner die Schultern hoch. Immer häufiger brüllte Kyrgios über den Centre Court, auf dem Djokovic seit 2013 kein Match mehr verloren hat. Er schimpfte über eine Zuschauerin, die angeblich gestört hatte und aussehe, »als hätte sie 700 Drinks gehabt«. Es fielen Worte, die der kleine Prinz George noch nicht oft gehört haben dürfte. Djokovic blieb gelassen, er hatte Kyrgios, wo er ihn wollte, er dominierte die Partie, breakte nach 0:40 zum 5:4 und ging mit 2:1 Sätzen in Führung. Kyrgios suchte die Schuldigen in seiner Box, Djokovic die Entscheidung. Kyrgios rettete sich mit seinem starken Aufschlag in den Tiebreak, doch Djokovic behielt die Nerven.

Rybakina siegt - Russland jubelt

Nach vielen fröhlichen Tagen, Wohlfühlgeschichten wie »Mama Marias« Tennis-Märchen, drängte nach dem Damen-Finale die Erinnerung mit Macht zurück, dass die weltpolitische Lage auch Wimbledon belastet. Jelena Rybakina, geboren, aufgewachsen und ausgebildet in Moskau, bestieg nach dem 3:6, 6:2, 6:2 im Finale gegen Ons Jabeur den Wimbledon-Thron und Russland jubelte - das hatte sich der All England Club anders vorgestellt. Der Ausschluss der Profis aus Russland und Belarus wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine sollte verhindern, dass Russland Erfolg zu Propagandazwecken ausschlachten kann. Und nun? »Gut gemacht, Rybakina! Wir haben Wimbledon gewonnen«, sagte Russlands Tennis-Chef Schamil Tarpischtschew der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti und nannte die Siegerin »unser Produkt«. Dabei startet Rybakina (23) seit vier Jahren für Kasachstan. »Ich kann nichts dafür, wo ich geboren bin«, sagte Rybakina. Sie könne »nur sagen, dass ich Kasachstan repräsentiere.« Aber nicht, ob sie den Krieg und Wladimir Putins Vorgehen verurteile: »Sorry, mein Englisch ist nicht das Beste.«

Ihr Tennis war es. Verdient - weil erstaunlich nervenstark - gewann Rybakina am Samstag gegen die Weltranglistenzweite. Jabeurs Traum vom Titel platzte. Die Tunesierin, die zwei Tage zuvor ihre Freundin Tatjana Maria rausgeworfen hatte, verhedderte sich in den eigenen Möglichkeiten, verspielte sich, statt wie im ersten Satz konsequent dagegenzuhalten. Später saß die »Botschafterin des Glücks«, wie sie in der Heimat genannt wird, traurig auf dem Podium, sie hätte den Menschen in der arabischen Welt, in ganz Afrika gerne den ersten Grand-Slam-Titel geschenkt: »Vielleicht wollte ich es zu sehr.«

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Die für Kasachstan spielende Elena Rybakina gewinnt das Damen-Finale. © AFP GmbH

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