Der Unersättliche

(dpa). Tadej Pogacar gönnte sich eine Trainingsrunde mit Freundin Urska Zigart entlang der Mittelmeerküste. Ein wenig Erholung vor dem strapaziösen Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo. Aber eigentlich habe es der zweimalige Tour-de-France-Sieger in diesem Jahr ohnehin ganz gemächlich angehen lassen, wie er suggerieren will. So habe er auf ein Höhentrainingslager verzichtet.
»Ich fühle mich frischer im Kopf, aber weniger stark in den Beinen.« Worte, die sich für die Konkurrenz noch zusätzlich wie eine Drohung anfühlen müssen.
Denn was der slowenische Ausnahmefahrer in dieser noch jungen Saison bereits auf seinen zwei Rädern demonstrierte, hatte schon kannibalistische Züge à la Eddy Merckx. Neun Saisonsiege hat er bereits eingefahren, bei der Rundfahrt Paris - Nizza erteilte Pogacar jüngst seinem großen Rivalen und aktuellen Tour-Champion Jonas Vingegaard eine Lehrstunde. Nun will er seinen scheinbar grenzenlosen Hunger auf Siege bei den großen Klassikern fortsetzen, gleich heute schon in Sanremo. »Ich mag dieses Rennen wirklich sehr, auch wenn es wahrscheinlich am schwersten ist, dort zu gewinnen«, sagt der 24-Jährige vor dem Ritt über 294 Kilometer (ab 9.45 Uhr/Eurosport2).
Das Ziel in Sanremo liegt nur unweit seines Wohnortes Monaco, wo er zusammen mit der Radrennfahrerin Zigart lebt. Und nachdem Pogacar im vergangenen Jahr am Poggio zu früh beschleunigt hatte und am Ende nur Fünfter wurde, hat er den Schlussanstieg der Classicissima in die ein oder andere Trainingsrunde eingebaut. Pogacar macht nur selten einen Fehler zweimal. So habe er auch im Sommer bei seinem zweiten Platz bei der Tour, als er von Vingegaard entthront worden war, viel gelernt: »Daraus ziehe ich meine Motivation.«
Was das für die Konkurrenz bedeutet? Der Franzose Romain Bardet, selbst zweimal auf dem Tour-Podium, kann es sich ausmalen. »Wenn er beschleunigt, bin ich eine Stufe darunter. Ich hoffe, dass ich noch Luft nach oben habe, sonst fahre ich nicht mehr lange Rad. Wenn man solche Schläge einstecken muss...«, sagte Bardet der Zeitung »L’Equipe« nach Pogacars Machtdemonstration bei Paris - Nizza. Die drei schwersten Etappen hatte das Leichtgewicht aus Komenda dort gewonnen. »Man sagt doch: Angriff ist die beste Verteidigung«, scherzte Pogacar.
Im Fahrerfeld macht sich mitunter eine gewisse Resignation breit angesichts der Überlegenheit von Pogacar. Seit Merckx hat es kaum einen Fahrer gegeben, der auf jedem Terrain Siege einfährt. Das ist jetzt anders. Pogacar will es heute und bei weiteren Monumenten im Frühjahr beweisen.