Der Stolz überwiegt

Eintracht Frankfurt zieht nach dem Aus in der Champions League den Hut vor Neapel, leckt Wunden und befürchtet keinen Knacks - was freilich zu beweisen wäre.
Besonders schwer war es nach der Demonstration der Stärke am Mittwochabend niemandem im Frankfurter Lager gefallen, diese 0:3-Niederlage zu akzeptieren. Dazu war die SSC Neapel zu überlegen, zu gut, »zu groß für uns«, wie der Frankfurter Trainer Oliver Glasner einräumen musste. Die Italiener hatten den Hessen schonungslos »die Grenzen aufgezeigt«, sie waren in allen Belangen die bessere Mannschaft, hatten sehr klugen, sehr guten Fußball gespielt, ohne, wie andernorts, den Gegner zu demütigen. »Dieses Niveau können wir noch nicht spielen«, betonte der österreichische Fußballlehrer. Kapitän Sebastian Rode sprach gar von »einer fantastischen Mannschaft«, gegen die man verloren habe.
Gegen diese SSC Neapel, das Maß aller Dinge in Italien, hätte es die Eintracht selbst in der Gala-Form aus dem Herbst schwer gehabt. In der aktuellen Verfassung war sie chancenlos. Aktuell unterlaufen den Hessen einfach zu viele Fehler, individuelle und im Kollektiv, vor dem 0:1 etwa, unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff, oder auch vor dem 0:2. Solche Bolzen werden auf Champions-League-Niveau gnadenlos bestraft.
Und wenn dann noch die beiden torgefährlichsten Angreifer, Randal Kolo Muani und Jesper Lindström, nicht zur Verfügung sehen, wird es erst recht aussichtslos. Im Grunde war das Aus im Achtelfinale besiegelt, als der stürmische Franzose im Hinspiel nach 58 Minuten des Feldes verwiesen worden war. Ohne Kolo Muani ist Eintracht Frankfurt ohne Wucht, ohne Durchschlagskraft und Punch, schlicht zu harmlos. Zumal für einen Widerpart wie die Jungs von Trainer Luciano Spalettini. »Das Level von Neapel war für uns zu hoch«, wiederholte Glasner.
Bei aller Enttäuschung über das Aus in der Königsklasse wird doch in den nächsten Wochen der Stolz überwiegen, sich in der obersten Etage des Spitzenfußballs ordentlich geschlagen zu haben. Erstmals seit fast 20 Jahren ist es einem deutschen Debütanten gelungen, ins Achtelfinale einzuziehen. Das ist aller Ehren wert. Und man muss auch immer sehen, woher Eintracht Frankfurt kam. Glasner nannte sein Team vor der Partie pfeifend im Wald zwar »amtierender Champion« und meinte damit den Europa-League-Erfolg vom Mai, tatsächlich war die Mannschaft in der Bundesliga am Ende aber auf einem elften Tabellenplatz eingelaufen - nicht direkt eine Einladung in die Königsklasse.
Dort aber hat sie diese ganze spezielle Dynamik, diesen außergewöhnlichen Zauber entfaltet und im Zusammenspiel mit ihren Fans, den friedlichen, nicht jenen, die in Neapel ein verabscheuungswürdiges Schauspiel geliefert hatten, zuweilen über ihren Möglichkeiten gespielt. Und sich deutlich besser verkauft als ihr viele zugetraut hatten. »Wir haben sehr erfolgreiche eindreiviertel Jahre gehabt, haben Geschichte im Verein geschrieben. Das ist unheimlich schön«, fasste Frankfurts Bester an diesem Abend, Kevin Trapp, zusammen.
Bemerkenswerte Entwicklung
Auch das Tempo, in dem die Mannschaft nach dem Dämpfer im ersten Spiel gegen Sporting Lissabon (0:3) ihre Lehren zog und sich an das höhere Niveau anpasste, war bemerkenswert. Drei Siege (zweimal Marseille, einmal Lissabon), ein Remis, zwei Niederlagen in der Gruppenphase brachten Rang zwei, und hätte Tottenham im allerletzten Spiel nicht in der Nachspielzeit noch einen Treffer erzielt, die Hessen wären als Erster durchgegangen (und damit Neapel aus dem Weg). Allemal hat die Mannschaft Blut geleckt. »Wer einmal Champions League gespielt hat, will immer auf diesem Niveau spielen«, beteuerte Trapp.
Davon ist die Eintracht momentan aber weit entfernt. Zwar steht das Team aussichtsreich in zwei Wettbewerben, doch in der Liga muss sie in erster Linie zusehen, Platz sechs gegen heranhechelnde Verfolger abzusichern, im Pokal steht sie zwar im Viertelfinale, zu Hause muss aber auch erst mal Union Berlin bezwungen werden. Alles keine leichten Aufgaben, vor allem in der gegenwärtigen Verfassung. Die Eintracht muss sich schütteln und sich neu aufstellen. Die Formkurve des Teams zeigt nach unten. Zwei Grundprobleme ziehen sich seit Wochen durch: Zu wenig Durchschlagskraft und Torchancen im Angriff, zu viele leichte Fehler in der Defensive.
Wenigstens habe man durch den Wegfall eines Wettbewerbs mehr Trainingszeit, findet Glasner. Ob das hilft, steht auf einem anderen Blatt, zumal nach dem wichtigen Spiel am Sonntag bei Union Berlin sich während der Länderspielzeit die meisten Spieler in »alle Winde zerstreuen« (Glasner). Immerhin glaubt Sportchef Markus Krösche nicht, dass das Aus in Champions League der Mannschaft einen Knacks versetzt habe.