Den Kopf stets über dem Wasser

Reflektiert, bescheiden, geradeheraus: Nils Petersen sticht als Fußballprofi hervor. Nach der Saison beendet der Rekord-Joker der Bundesliga seine Karriere.
Ob er in seiner vielen Freizeit ab Sommer lieber als Bücherwurm der »Verblödung« entgegenwirkt oder als Schiedsrichter zur Pfeife greift, weiß Nils Petersen noch nicht. »Ich glaube, ich werde irgendwas finden, das sich wie ein neues Hobby anfühlt«, sagt der Stürmer des SC Freiburg schmunzelnd. Profifußball wird es auf jeden Fall nicht mehr sein, nach der Saison ist Schluss - und Petersen wird als Typ in der Bundesliga eine Lücke hinterlassen.
»Er hat eine großartige Karriere gemacht, einen großartigen Weg hingelegt. Er war immer ein total integrativer Faktor. Einfach ein sehr, sehr guter Typ«, schwärmte sein Trainer Christian Streich. Petersen sei vor dem Tor »einfach weltklasse« und damit für jüngere Generationen stets ein Vorbild gewesen. »Für uns wird das ein großer Verlust sein - menschlich und sportlich. Er wird uns in jedem Training und auf dem Platz fehlen«. Petersen sei er auch ein Kandidat, den heute (15.30 Uhr) gegen Hertha BSC gelbgesperrten Michael Gregoritsch ersetzen könnte.
Der gebürtige Harzer sorgte in seinen knapp 16 Profijahren eben nicht nur sportlich als Freiburger Rekordtorschütze, treffsicherster Joker der Bundesligageschichte oder Olympia-Silbermedaillengewinner in Rio für Aufsehen. Auch mit seinem für den Profifußball ungewöhnlichen Blick über den Tellerrand fiel der 34-Jährige, der gerne einfach frei Schnauze redet, immer wieder auf. »Salopp gesprochen«, sagte er etwa 2017 in einem denkwürdigen »Focus«-Interview, »verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann.« Die Fußballbranche sei »oberflächlich«, meinte er, und manchmal schäme er sich sogar, »weil ich so wenig Wissen von der Welt besitze«. Dabei ist Petersen, der neben seiner Karriere ein BWL-Fernstudium abschloss und überzeugter Veganer ist, gewiss nicht auf den Kopf gefallen.
Und doch stand er eben als Stürmer mit dem besonderen Instinkt, auch bei seinen Bundesligastationen Bayern München, Werder Bremen und Energie Cottbus, im Mittelpunkt. Mit 104 Treffern löste er Joachim Löw (83 Tore) als Freiburger Rekordschützen ab, seine 33 Tore als Joker sind Bundesliga-Bestmarke. 2018 stand Petersen sogar im vorläufigen WM-Kader, es blieb allerdings bei zwei Testspiel-Einsätzen für die Nationalmannschaft.
Noch bis Sommer soll trotz bislang weniger Einsatzminuten das ein oder andere Tor für den Sport-Club im Kampf um die erneute Europapokal-Qualifikation und im DFB-Pokal folgen. Danach werde er »wahrscheinlich als Fan kommen, und auch mal das Stadionbier genießen«. Und am vergangenen Wochenende tat sich ja noch eine weitere Option auf, die ihm »Spaß gemacht« hat.
Zusammen mit dem Mainzer Profi Anton Stach leitete Petersen ein Bezirksliga-Spiel, um Werbung für das Schiedsrichter-Amt zu machen. Dem Fußball will er jedenfalls verbunden bleiben, über Instagram kündigte er an: »Ihr hört von mir. Versprochen.« Dessen kann man sich bei Nils Petersen sicher sein.