Das Gegurke von Berlin

Eintracht Frankfurt hadert nach dem 1:1-Unentschieden bei der Hertha mit einer Entscheidung des Schiedsrichters und mit der eigenen Leistung - die ist über weite Strecken bedenklich.
Am Ende dieser leidigen Diskussionen machte Oliver Glasner einen Strich drunter. »Für mich«, sagte der Fußballtrainer von Eintracht Frankfurt, »war es einer. Und für ihn war es eben keiner.« Kein Elfmeter in den aufregenden Schlusssequenzen eines ansonsten wenig aufregenden 1:1 (1:0) zwischen der Hertha aus Berlin und der Eintracht aus Frankfurt. Ein leistungsgerechtes Ergebnis zwar, das die Frankfurter dennoch verärgert zurückließ. Verärgert über sich selbst, weil die Leistung eine dürftige war. Und verärgert über Frank Willenborg, den Pfeifenmann.
Als in der 90. Minute Rafael Borré vom überragenden Randal Kolo Muani freigespielt wurde, der Frankfurter Stürmer den Berliner Torwart Oliver Christensen umspielen wollte, legte dieser sich quer. Die Hand schnappte heraus, traf nicht den Ball, dafür leicht den Fuß von Borré. Der Kolumbianer nahm dankend an, sank darnieder, obwohl er nicht hätte darnieder sinken müssen. Ein Pfiff, ein Foul, ein Elfmeter. So weit, so logisch. In der Logik von Frank Willenborg und dessen Videoassistenten Markus Schmidt aber sollten lieber die TV-Bilder Aufschluss bringen. Und als Willenborg da so stand, ganz allein vor seinem Bildschirm, tick-tack, tick-tack, als eine Minute verstrich, tick-tack, noch eine zweite, tick-tack, ahnten sie auf Frankfurter Seite bereits, was bald folgen sollte. Der Elfer futsch, der Sieg ebenso. Frustrierend.
»Wenn es eine klare Fehlentscheidung gewesen wäre, dann hätte der Schiedsrichter ja nicht so lange draufschauen müssen«, kritisierte Eintracht-Torwart Kevin Trapp den Meinungswechsel. Zudem habe es eine Berührung gegeben. Das Offensichtliche bestätigte später auch Willenborg, interpretierte das jedoch anders als der Frankfurter: »Meine Wahrnehmung auf dem Spielfeld war die, dass der Torhüter dem Stürmer den Fuß wegzieht. Es schien zunächst eine klare Sache zu sein.« Dann aber habe der Blick auf die Bilder etwas anders offenbart. »Ich sehe, dass die Berührung nicht ursächlich ist für das Fallen des Spieles. Für mich ist das ein Streifen.« Ein Streifen, das nach Meinung von Glasner trotzdem hätte Strafstoß geben müssen: »Der Schiedsrichter hat das Spiel entschieden.«
So ausführlich die Diskussionen nachher geführt wurden, so intensiv begannen sie unmittelbar nach dem Abpfiff auf dem Platz. Und Trapp berichtete noch von einer Unterredung mit dem Referee. Der habe gesagt, dass er »keinen Gurkenelfmeter geben wollte«. Ist auch ein Argument. Wenngleich ein seltsames.
Und doch passte es zum ganzen Spiel, das - wenn man so will - ebenfalls ein ziemliches Gegurke war. Von den fehlgestarteten Berlinern war ja allenthalben nichts mehr erwartet worden, sie agierten verbissen, leidenschaftlich, nicht viel mehr - was die Fans im weiten Rund bereits zufriedenstellte. Die Eintracht dagegen agierte unter ihren eigenen Ansprüchen. Gerade die erste Hälfte war eine bedenkliche.
»Unser Zweikampfverhalten, die Intensität waren da einfach desaströs«, so Glasner: »Wenn ich denke, ich kann nur rumjoggen, dann sieht es eben so aus.« Bezeichnend das frühe 1:0 für die Hertha, als Daichi Kamada im Mittelfeld einen Ball vertändelte, Evan Ndicka im Schlendern die Flanke verhindern wollte und Ansgar Knauff den Torschützen Suat Serdar aus den Augen verlor (3.).
»Wir haben noch nicht die Stabilität gefunden, die wir haben wollen«, sagte Glasner, der im Vergleich zum Supercup gegen Real Madrid seine Startelf personell wie taktisch veränderte, was jedoch nicht den gewünschten Effekt haben sollte. Während Lucas Alario nur durch eine ausgelassene Riesenchance auffiel, Mario Götze einen maximal unauffälligen Auftritt hinlegte, zeigte Randal Kolo Muani eine Erste-Sahne-Leistung. Der Franzose macht Freude, der Wille, etwas zu reißen, vorhanden. Nicht umsonst war er an fast allen Offensivaktionen der Hessen beteiligt, bereitete den Ausgleich von Kamada überlegt und uneigennützig vor (48.). War Kolo Muani am Ball, wurde es gefährlich. »Eine tolle Leistung«, bedeutete Glasner. Die Unzufriedenheit des Trainer ist ansonsten spür- und hörbar. Im ersten Abschnitt strapazierte Glasner seine Stimmbänder quasi durchgehend. Das, was der Trainer stets versucht hat, zu vermeiden, eine gewisse Laissez-faire-Haltung nach dem Europa-League-Triumph, scheint in den einen oder anderen Kopf seiner Spieler doch Einzug gehalten zu haben.