Cheftrainerinnen noch immer eine Seltenheit

Imke Wübbenhorst sorgte einst als Trainerin der Männer der Sportfreunde Lotte für Aufsehen. Weitere Türen hat sie dadurch nicht öffnen können. Eine wie Theresa Merk bleibt eine Ausnahme. Sie will am Donnerstag mit dem SC Freiburg den DFB-Pokal holen.
Das einstige Büro von Kult-Trainer Christian Streich am Dreisamstadion hat Theresa Merk (Foto) übernommen. »Selbstverständlich war alles schön leer geräumt - bis auf so eine alte Schrankwand, die früher voll mit DVDs und Videokassetten war. Die braucht man heute natürlich nicht mehr für die Videoanalyse«, sagte die 33-Jährige und lacht. Die gebürtige Ravensburgerin ist eine der wenigen Frauen im deutschen Spitzenfußball, die einen Cheftrainerposten besetzt. Mit dem SC Freiburg fordert sie am Donnerstag (16.45 Uhr/ARD) im DFB-Pokalfinale in Köln den favorisierten VfL Wolfsburg.
Fußball-Trainerin? Viele machen große Augen, wenn Theresa Merk ihren Beruf nennt. »Also vor zwei, drei Jahren war die erste Frage: Okay - und davon kann man leben? Oder: Was machst du sonst so?«, sagt die frühere Wolfsburger Co-Trainerin, die seit Juli 2022 die Verantwortung in Freiburg trägt. »Mittlerweile heißt es meistens: echt cool - erzähl mal!« Das sei für viele Menschen total interessant, weil ja gefühlt jeder ein bisschen Bezug zum Fußball habe. »Ein Klassiker ist auch: Wie sieht denn deine Woche aus? Ihr trainiert doch maximal einmal am Tag? Wenn man dann ein bisschen erzählt, dann sagen die Leute: Krass, das alles gehört dazu?«
Ein weiblicher Chefcoach im Fußball ist nach wie vor sehr selten - selbst in der Frauen-Bundesliga: Neben Theresa Merk sind es bei zwölf Clubs nur noch die Niederländerin Carin Bakhuis (33) beim SV Meppen und Nicole Bender-Rummler (40), die beim 1. FC Köln als Bereichsleiterin interimsmäßig eingesprungen ist.
»Super oft«, so Theresa Merk, werde ihr die Frage gestellt, warum es so wenig Trainerinnen im Fußball gebe. »Ich fände es total spannend, wenn man sie den Vereinen stellen würde, wo keine Trainerin arbeitet«, kontert sie. Man brauche schon einen Mentor oder so, der einen in den Club hole. »Alleine, dass es zu wenig solcher Posten gibt für Frauen, das macht es natürlich zu einem großen Risiko, diesen Weg überhaupt erst einzuschlagen. Deshalb ist die Hemmschwelle relativ groß.«
Viele würden denken: »Da müsste ich schon Bundesliga-Trainerin werden oder irgendwo beim DFB arbeiten, damit es überhaupt ein hauptamtlicher Job ist, von dem ich einigermaßen gut leben kann«, meint Merk. Hochgerechnet seien es in Deutschland vielleicht 20 Posten, dazu noch ein paar Verbandslehrerstellen. »Außerdem fehlt es einfach an weiblichen Vorbildern.«
Solche wie Sabrina Wittmann. Sie trainiert beim FC Ingolstadt die männliche A-Jugend in der Bundesliga und leitet das Nachwuchsleistungszentrum. »Am Anfang hat mich dieser Hype um die Sache genervt. Mittlerweile kann ich das besser einordnen und sehe meine Rolle entspannt«, sagt die 31-Jährige im Magazin »Elfen« und erklärt: »Laut Studien zeigt sich seit vielen Jahren, dass heterogene Teams, - also nicht unbedingt nur Männer in Führungspositionen - erfolgversprechender sind.«
Viele Schlagzeilen schrieb 2019 Imke Wübbenhorst: Sie wurde nach Inka Grings (SV Straelen) die zweite Trainerin, die einen Männer-Viertligisten trainierte - die Sportfreunde Lotte für ein gutes halbes Jahr. Doch weiter nach oben ging es in dem Bereich nicht. Grings ist inzwischen Nationaltrainerin der Schweizer Frauen, Wübbenhorst für die Fußballerinnen von Young Boys Bern verantwortlich.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ist immer wieder mal gefragt worden, ob sie sich zutraut, eine hochklassige Männermannschaft zu betreuen - natürlich hat sie das bejaht. »Ich traue ihr jede Aufgabe zu«, sagte ihr Amtskollege Hansi Flick mal. Fakt ist aber auch, dass Voss-Tecklenburgs Expertise nicht gefragt war, als der Deutsche Fußball-Bund nach dem WM-Desaster der Männer ein Task Force gründete. Und dass der DFB Nachholbedarf im weiblichen Trainerbereich hat, auch wenn mittlerweile in jedem Fußballlehrer-Lehrgang ein oder zwei Frauen dabei sind. »Ich kann mir gut vorstellen, dass die Spielerinnen, die jetzt zum ersten Mal Profifußball erleben, einfach dabei bleiben und vielleicht mal Trainerinnen werden«, sagt Theresa Merk. Nationalspielerinnen wie Alexandra Popp, Merle Frohms und Lina Magull haben schon vor der EM 2022 die Elite-Jugend-Lizenz als ersten Schritt in diese Richtung absolviert.
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