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Chaos in Barcelona

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imago1013703155h_120822_4c © Imago Sportfotodienst GmbH

Es war einmal ein Wunder, das hieß FC Barcelona. Etwa eine Dekade her, dass der katalanische Fußballklub alles in sich vereinte, Erfolg, Schönheit, Bodenständigkeit. Was heute davon übrig ist: nichts. Nichts übrig von den alten Idealen, nichts übrig vom poetischen Fußball der kurzen Pässe und der bewundernswert demütigen Ausstrahlung einer überragenden Mannschaft.

Messi. Iniesta. Xavi. Geisterspieler eines verbrauchten Traums.

Xavi, der alte Kapitän, ist jetzt der Trainer des FC Barcelona. Als Spieler stand er nicht nur sportlich wie kein anderer für die Werte eines Klubs, der jahrelang keinen kommerziellen Trikotsponsor hatte, sondern Unicef; der keinem Oligarchen oder US-Investor gehört; dessen größte Spieler nicht eingekauft waren, sondern selbst ausgebildet in der Jugendabteilung.

Einmal, als Barcelonas Profis sich ein Auto aussuchen durften, als Geschenk von einem Sponsor nach dem Gewinn der Champions League, und ein Teamkollege ein besonders großes Modell auswählte, nahm Xavi ihn zur Seite. So sind wir nicht, sagte er dem Kollegen. Es ist ein Geschenk, sei bescheiden, suche dir bitte ein kleineres Modell aus.

Ja, so war er mal, Xavi, und nun würde man allzu gerne mal von diesem Xavi erfahren, ob er noch der gleiche Mensch ist. Und wenn ja, was er dann davon hält, was der FC Barcelona da gerade veranstaltwet.

Denn der FC Barcelona war vielleicht mal ein Wunder, jetzt ist er eine Perversität. Ist pleite und kauft trotzdem, wie im Wahn, Spieler ein, um zur alten Größe zurückzukommen, wenigstens sportlich. In diesem Sommer ist nicht nur Sturmstar Robert Lewandowski (Bild) vom FC Bayern für 45 Millionen Euro (plus Bonuszahlungen) verpflichtet worden mit großem Tamtam, sondern auch der Verteidiger Joules Koundé für 50 Millionen vom FC Sevilla und der Außenangreifer Raphina für 58 Millionen von Leeds United. An diesem Samstag, zum ersten Spieltag der spanischen Liga, sollen sie sich im ersten Heimspiel der Saison gegen Rayo Vallecano den Fans präsentieren. Wenn sie denn dürfen.

Um die Profis registrieren zu können, muss Barca nämlich sein Gehaltsetat ausbalancieren, um die Auflagen des Ligaverbandes zu erfüllen. Jüngst hat der hoch verschuldete Klub (angeblich 1,3 Milliarden Euro Verbindlichkeiten) zwar für insgesamt knapp 900 Millionen Euro 25 Prozent seine Medienrechte verpfändet für die nächsten 25 Jahre. Doch der Liga ist das egal. Weiterhin gilt: Spieler müssen gehen, sonst dürfen Lewandowski und Co. nicht mitspielen. Weil dies eine nicht auszudenkende Peinlichkeit wäre für Barca, unternimmt Klubpräsident Joan Laporta alles, um Spieler loszuwerden. Allen voran: Mittelfeldstar Frenkie de Jong. Der Niederländer, eigentlich einer der wichtigsten Spieler der vergangenen Jahre, soll offenbar regelrecht rausgemobbt werden, weil er einer der Großverdiener ist mit einem kolportierten Jahresgehalt von 20 Millionen Euro.

Der Klub bat zuerst um einen saftigen Gehaltsverzicht. De Jong lehnte ab. Also sollte er zu Manchester United verkauft werden. Erneut lehnte de Jong ab. Da führte Barca seine Anwälte ins Feld und droht seinem Spieler offensichtlich mit rechtlichen Schritten, sollte er nicht auf Geld verzichten oder den Verein wechseln. De Jong, wer würde es ihm verdenken, wirft Barca nun angeblich eine »Verleumdungskampagne« und »Erpressung« vor, wie spanische Medien berichten.

Für de Jong war 2019 ein Traum in Erfüllung gegangen, als er von Ajax Amsterdam zum FC Barcelona wechselte, der so sehr vom großen Niederländer Johan Cruyff geprägt wurde. Doch der Klub hat Cruyffs Werte verraten und damit seine eigenen. Der FC Barcelona, ein verbrauchter Traum, nun auch für Frenkie de Jong. TEXT: JAKOB BÖLLHOF / FOTO: IMAGO

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