Brasilien in tiefer Trauer

Der Tod von Brasiliens Legende Pele erschüttert die (Fußball-)Welt. Sogar die NASA ehrt O Rei, den König. Und der Präsident ruft eine dreitägige Staatstrauer aus.
Dreitägige Staatstrauer, eine einmalige Spiralgalaxie, die Christusstatue in den Landesfarben - und ein emotionaler Kaiser, der dem König voller Emotionen huldigt: »Er war einer, der mit den Sternen spielte und immer auf dem Boden geblieben ist«, sagte Franz Beckenbauer schwer bewegt über einen »einzigartigen Freund«. Der Tod von Brasiliens Legende Pele hat die (Fußball-)Welt erschüttert und ein Land in tiefe Trauer gestürzt.
Wenn »Pele eterno«, der ewige Pele, am Dienstag in seiner Heimatstadt Santos tränenreich zu Grabe getragen wird, steht Brasilien still. Und selbst bei seiner Beerdigung wird der »Unsterbliche« dem Himmel so nah sein wie kein Anderer: Pele wird im höchst aufragenden Friedhof der Welt, im Memorial Necropole Ecumenica, im neunten Stock beigesetzt.
Dies sei »ein Ort, der spirituellen Frieden und Ruhe ausstrahlt, wo niemand sich deprimiert fühlt«, sagte Pele, als er die Grabstätte vor 19 Jahren gekauft hatte. Der Blick geht zudem auf »sein« Estadio Urbano Caldeira, wo er für den FC Santos von 1956 bis 1974 brillierte - und wo nach der Todesnachricht am Donnerstag auf der Anzeigetafel eine goldene Krone aufleuchtete, daneben der Name Edson Arantes do Nascimento mit den Jahreszahlen 1940 und 2022.
Sogar die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA ehrte die Sport-Ikone mit einem besonderen Foto. Das von einem Satelliten aufgenommene Abbild einer Spiralgalaxie im Sternbild Bildhauer leuchtete am Donnerstag in den Trikotfarben der Selecao - Blau, Grün und Gelb. In der Bildzeile auf dem Instagram-Post schreibt die NASA von Pele als »König des schönen Spiels«.
Im Alter von 82 Jahren war O Rei einem Krebsleiden erlegen - sein Mythos lebt aber weiter. Die Größten der Branche wie Beckenbauer, Neymar, Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Zico, Gerson oder Rivaldo verneigten sich ehrfürchtig vor einem noch Größeren. Die weltweite Anteilnahme war riesig, die Huldigungen staatstragend für einen, der laut seiner Familie »auf seiner Reise alle verzauberte«. Pele war wohl der größte Fußballspieler der Geschichte, ein Jahrhunderttalent. Für viele Brasilianer war er in einem gespaltenen Land auch Vorbild und Nationalheld.
Der scheidende Staatspräsident Jair Bolsonaro rief umgehend eine dreitägige Staatstrauer aus. »Der einzige dreimalige Weltmeister bewies mit seinen Taten, dass er nicht nur ein großer Athlet, sondern vor allem ein großer Staatsbürger und Patriot war«, schrieb der 67-Jährige.
Pele, der im Dorf Tres Coracoes (Drei Herzen) geboren wurde und aus ärmlichen Verhältnissen stammte, sei ein Mann gewesen, so Bolsonaro weiter, »der mit dem Fußball den Namen Brasiliens in die Welt getragen hat. Er hat Fußball in Kunst und Freude verwandelt«. Sein Nachfolger Luiz Inacio Lula da Silva fügte noch liebevoll hinzu: »Er ging, um mit Coutinho, seinem großartigen Partner bei Santos, Doppelpass im Himmel zu spielen.«
Bereits am Montag soll in Absprache mit den Angehörigen in Santos eine öffentliche Trauerfeier stattfinden. Die Fans werden zudem 24 Stunden Zeit haben, an dem im Stadion aufgebahrten Sarg Abschied zu nehmen. Geplant ist auch eine Prozession durch die Straßen von Santos, vorbei auch am Hause seiner Mutter Dona Celeste, die kürzlich 100 wurde.
Es ist nicht die einzige außergewöhnliche Würdigung für den Ausnahmefußballer, »der dem Ruhm neue Grenzen gab«, wie »Folha de Sao Paulo« schrieb. Der Fußball-Tempel Maracana in Rio, wo Pele einst sein 1000. Tor für Santos erzielt hatte, leuchtete golden. Die berühmte Christusstatue in Rio wurde grün und gelb angestrahlt. Und selbst das Wembleystadion in London wurde in den brasilianischen Landesfarben illuminiert - zu Ehren des Königs.
Er sei geboren worden, sagte Pele einst, »um Fußball zu spielen, so wie Beethoven geboren wurde, um Musik zu komponieren, und Michelangelo geboren wurde, um zu malen«. Pele, ergänzte er, »stirbt nicht. Pele wird niemals sterben. Pele wird für immer weiterleben«. Wird er in den Herzen seiner Fans weltweit. »Pele: einzigartig, legendär und ewig. Adeus, König«, titelte seine Heimatzeitung »A Tribuna«: »Nichts wird sein wie zuvor.«
Für Flick der Größte
Auch Bundestrainer Hansi Flick und DFB-Präsident Bernd Neuendorf haben mit Bestürzung auf den Tod von Pele reagiert. »Einen besseren Spieler als Pele hat es nicht gegeben, für mich war und ist er der König des Fußballs«, sagte Flick. Das Spiel des Brasilianers sei »nahe der Perfektion« gewesen.
Flick hob vor allem Peles Qualitäten auf dem Platz hervor. »Der Fußball war sein bester Freund und vermutlich gilt das auch umgekehrt. Pele hinterlässt eine Lücke, die niemals geschlossen werden kann«, sagte er.
Ähnlich äußerte sich Neuendorf. Der Fußball habe »einen seiner Größten verloren«, sagte der DFB-Chef. Die Bedeutung des dreimaligen Weltmeisters reiche weit über das Spielfeld hinaus: »Er hat eine ganze Sportart nachhaltig geprägt und wird immer einer der größten Botschafter seines Sports und seines Heimatlandes bleiben.«
Pele hatte in seiner langen und ruhmreichen Karriere in drei Länderspielen gegen Deutschland zwei Tore erzielt und dabei weder 1963 (2:1), 1965 (2:0) noch 1968 (2:2) gegen die Auswahl des DFB verloren.
Pele (2009) über die Debatte, wer der größte Fußballer der Geschichte sei: »Die Leute streiten über Pele und Maradona. Di Stefano ist der Beste, er ist viel kompletter.«
*
Pele (2014) über die Niederlage im WM-Finale 1950: »Als Brasilien verlor, sah es so aus, als ob etwas gestorben wäre, als ob das Land gestorben wäre - so wie es bei Kennedy der Fall war. Ich war neun Jahre alt. Es war das erste Mal, dass ich meinen Vater weinen sah.«
*
Pele in seiner Autobiografie: »Ein Elfmeter ist eine feige Art, ein Tor zu erzielen.«
*
Edson Arantes do Nascimento im »Time Magazine« (2014) darüber, warum er sich selbst Pele nennt: »Alles, was gut ist, das macht Pele. Das Schlechte macht Edson.«
*
Pele (2003) im Interview mit »The Guardian« über die Unsterblichkeit des Fußballs und die menschliche Sterblichkeit: »Pele stirbt nicht. Pele wird niemals sterben. Pele wird für immer weiterleben. Aber Edson ist ein normaler Mensch, der eines Tages sterben wird und die Leute vergessen das.«
*
Franz Beckenbauer über Pele: »Der beste aller Zeiten ist Pele. Er liegt knapp vor Messi. Ich habe noch nie einen Spieler wie Pele gesehen. Ich habe mit ihm bei New York Cosmos gespielt und wenn man ihm den Ball gab, sah man ihn nicht wieder, weil er zu schnell war. Pele war ein Instinktspieler.«
*
Diego Maradona (2012) über Pele: »Pele hat gesagt, er sei der Beethoven des Fußballs. Ich habe noch nie Beethoven-Musik in einem Spiel gehört. Wie ich schon sagte, immer wenn er die falsche Pille nimmt, kommt er mit einer verrückten Aussage daher.«
*
Johan Cruyff über Pele: »Pele war der einzige Fußballer, der die Grenzen der Logik überschritten hat.«
*
Italiens Tarcisio Burgnich, der als Verteidiger Pele im WM-Finale 1970 (1:4) bewachen sollte: »Ich habe mir vor dem Spiel gesagt, dass er aus Haut und Knochen besteht wie alle anderen auch - aber ich habe mich geirrt.« (sid)


