Bei der Eintracht knirscht es

Vor vier Monaten hat der frisch bestellte Sportvorstand von Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt einem Umbruch im größeren Stil bei der Mannschaft eine Absage erteilt. »Das wollen wir definitiv nicht«, hatte Markus Krösche deutlich gesagt und erläutert: »Schauen Sie: Es kommt ein neuer Sportvorstand, es kommt ein neuer Trainer.« Das sei Input genug.
»Wenn du dann noch anfängst, die Mannschaft zu zerpflücken, wird es schwierig.« Es war Anfang Juni, der Mann war erst ein paar Tage im Amt, die Aussichten noch rosig. Und die Europa League, dort bestreitet der Klub am Donnerstag sein zweites Spiel bei Royal Antwerpen (18.45 Uhr/TV Now), gab es als Sahnehäubchen obendrauf.
Traurige Ausbeute
Ein bisschen hat die Realität den Frankfurter Sportvorstand eingeholt. Die Mannschaft befindet sich sehr wohl in einer Umbruchphase, sucht nach einer Linie, nach Struktur, wenn nicht gar nach Identität. Am Samstag im Bundesligaspiel gegen den 1. FC Köln (1:1) standen vier Neuzugänge in der Startformation, wurde ein fünfter eingewechselt, und wäre Christopher Lenz nicht verletzt gewesen, hätte der von Union Berlin gekommene Verteidiger mit Sicherheit von Anfang an gespielt. Die Hälfte des Teams war also neu, einige müssen gar noch lernen, wie Bundesliga funktioniert, stellte Trainer Oliver Glasner fest. Überraschend ist das nicht, wenn Spieler aus Kroatien, Kolumbien, Italien, Dänemark geholt werden.
Überrascht ist die Gemeinde bei allen Unwägbarkeiten aber dann doch über den verkorksten Start. Dass nicht alle Rädchen gleich ineinandergreifen würden, war klar. Dennoch durfte man einen deutlich besseren Start in die Saison erwarten, zumal sich der Spielplan fast wie gemalt für die Eintracht anließ: Nach einem Hochkaräter kommen stets zwei, drei lösbare Aufgaben gegen Teams auf Augenhöhe auf die Hessen zu. Nach Dortmund zum Auftakt folgten Augsburg, Bielefeld und Stuttgart, nach Wolfsburg der 1. FC Köln, nach den Bayern werden es die Hertha und Bochum sein. Umso trauriger die Ausbeute nach sechs Spieltagen, fünf Punkte, Platz 15, Aus im Pokal gegen einen Drittligisten, ein Punkt international. Es knirscht.
Auch hinter den Kulissen muss sich vieles noch einschleifen. Groß waren die Veränderungen in der sportlichen Führung, nicht nur beim Sportvorstand und auf der Cheftrainerposition. Es kamen Assistenz- und Athletiktrainer, ein neuer Leiter der Lizenzspielerabteilung. Sie alle traten die Nachfolge eines Teams an, das Fredi Bobic zusammengestellt hat und das mit ihm teilweise nach Berlin gewechselt ist. Bobic mag kein einfacher Zeitgenosse gewesen sein, aber unter seiner Ägide hat die Eintracht den größten Sprung nach vorne in der jüngeren Geschichte getan. Keine ganz einfache Aufgabe für die Neuen.
Und sie hatten gleich ein paar Brocken aus dem Weg zu räumen. Der Verlust des besten Torschützen André Silva, die Ersatzlösung, dann entwickelte sich Amin Younes zum Problemfall, dessen Wechsel nach Saudi-Arabien platzte. Ohnehin ist diese Causa hochkomplex, sitzen doch drei Parteien an einem Tisch. An einer Lösung wird weiterhin gefeilt, Younes, dessen Qualitäten auf dem Feld dieser Mannschaft guttun würden, ist freigestellt. Schließlich provozierte Filip Kostic kurz vor Transferschluss seinen Wechsel nach Rom. Da zeigte Krösche Rückgrat, auch weil ein stümperhaft abgegebenes, lächerlich niedriges Angebot aus Italien keine andere Vorgehensweise zuließ. All diese Kulissenschiebereien strahlten auf die Mannschaft ab, es herrschte eine latente Unruhe im Klub.
Politikum um Blanco
Deutlich positioniert hat sich Krösche beim anschwellenden Problem um den 17 Jahre alten Fabio Blanco, der mit seiner momentanen Situation unzufrieden ist, er ist komplett außen vor. Der Spanier, als eines der größten europäischen Talente gepriesen, hatte sich trotz Angeboten von Topvereinen Europas wegen der guten Perspektiven für die Eintracht entschieden. Doch der Spanier spielt keine Rolle. Wenn für Trainingsspiele bei elf gegen elf zu viele Feldspieler zur Verfügung stehen, muss er, oft als Einziger, Runden laufen. Am Wochenende spielte er in der A-Jugend. Glasner hat unlängst Verständnis gezeigt für die Situation des Jungen. Er sei ein »sehr großer Schritt zum Erwachsenenfußball«, sagte Glasner, er brauche Spielpraxis, aber »die können wir ihm momentan nicht gewähren«.
Andererseits: Wenn man ein Supertalent aus Valencia lockt, muss man es da nicht stärker einbinden? Einem Verkauf im Winter hat Krösche allerdings einen Riegel verschoben. Immerhin. THOMAS KILCHENSTEIN