Auf den letzten Drücker

Novak Djokovic ist von der australischen Regierung erneut das Visum entzogen worden. Die Posse um den Weltrang- listen-Ersten sorgt für Chaos rund um die Australian Open - und zieht sich in die Länge.
Novak Djokovic klammert sich an einen allerletzten Strohhalm, nach der nächsten dramatischen Wendung wird der Kampf des Tennisstars gegen die Abschiebung zum immer verzweifelteren Wettlauf gegen die Zeit. Dem ungeimpften Serben wurde in Australien erneut das Visum entzogen, nun kommt es zum Showdown vor dem Bundesgericht: Entweder schaffen es Djokovics Anwälte, auf den letzten Drücker einen Start bei den am Montag beginnenden Australian Open zu ermöglichen - oder der Titelverteidiger sitzt im Flieger Richtung Heimat.
In einer kurzfristig angesetzten Online-Anhörung am späten Freitagabend (Ortszeit) kündigte Djokovics Anwalt Nick Wood einen Einspruch gegen die Entscheidung des australischen Einwanderungsministers Alex Hawke an, das Visum des Grand-Slam-Rekordsiegers erneut zu annullieren. Ein Urteil in der umstrittenen Causa soll am Sonntag in höchster Instanz vor dem Federal Court of Australia, einem Bundesgericht, fallen.
Djokovic kämpft verbissen gegen die drohende Ausweisung und ein jähes Ende seiner für Melbourne anvisierten Jagd auf den historischen 21. Major-Titel schon vor dem ersten Aufschlag.
Erstrunden-Match für Montag geplant
Die Zeit drängt für Djokovic, der eine Ausnahme von der Impfpflicht für Einreisende mit einer Corona-Infektion im Dezember begründet. Am Samstagmorgen (Ortszeit) soll der 34-Jährige zu einer Befragung vor den Einwanderungsbehörden erscheinen. Bis dahin will die Regierung von einer erneuten Festsetzung absehen. Anschließend steht er wieder unter Kontrolle der Behörden. Sollte die Entscheidung Bestand haben, warten auf Djokovic schwerwiegende Konsequenzen. Er müsste das Land verlassen, zudem droht ihm auch ein dreijähriges Einreiseverbot nach Australien. Doch das will seine Seite noch nicht akzeptieren.
»Wir sind sehr besorgt über die Zeit«, sagte Wood während der Anhörung vor Richter Anthony Kelly angesichts des baldigen Turnierbeginns, jede Minute sei »kostbar«. Djokovic müsste seine Erstrunden-Begegnung gegen seinen Landsmann Miomir Kecmanovic bereits am Montag bestreiten. Im Zuge dessen bemängelte der Anwalt auch das lange Zögern des Einwanderungsministers. Schließlich hatte Djokovic schon am Montag nach einem Teilerfolg vor Gericht sein Visum zurückbekommen und konnte die Unterbringung für Ausreisepflichtige verlassen, in der er sich nach Ankunft am 5. Januar wegen Nichterfüllung der Pandemie-Einreisebestimmungen zunächst aufhalten musste. Seitdem prüfte die Regierung Australiens weitere Schritte.
Der zuständige Minister Hawke ließ sich lange Zeit, bevor er seine weltweit beachtete Entscheidung traf. Offenbar führte die Regierung als eine Begründung ihrer Entscheidung an, Djokovic könnte in der Bevölkerung Stimmung gegen Corona-Impfungen schüren - so stellten es die Anwälte des Serben dar. Premierminister Scott Morrison hatte zuvor die Entscheidung verteidigt. »Die Australier haben während dieser Pandemie viele Opfer gebracht, und sie erwarten zu Recht, dass das Ergebnis dieser Opfer geschützt wird«, sagte er: »Das ist es, was der Minister mit seiner heutigen Maßnahme tut.«
Djokovic, der sich in der Vergangenheit schon oft impfkritisch geäußert hatte, war in den vergangenen Tagen immer stärker in Bedrängnis geraten. Am Mittwoch räumte er ein, dass er im Dezember in Serbien an einem Interview mit französischen Journalisten trotz des Wissens um einen positiven Corona-Test teilgenommen habe. Hinzukam die »unabsichtliche« Falschangabe seines Managements auf dem Einreisebogen, er sei in den 14 Tagen vor dem Abflug nach Melbourne nicht gereist.