Alpine auch ohne »Stockerl« froh

(sid). Linus Straßer brüllte ein langgezogenes »Yeees« ins Schneetreiben, Thomas Dreßen warf bewegt Kusshände ins Publikum und Kira Weidle busselte ihren Ski: Die deutschen Skirennläufer hatten rund drei Wochen vor der WM auch ohne Podestplatzierung Grund zur Freude.
Allen voran Straßer. Platz vier beim Slalom-Klassiker in Wengen »nehme ich gerne, mit Kusshand«, sagte er nach einem »wieder mal sehr schweren Rennen« mit wechselhaften Bedingungen. Abfahrer Dreßen belegte am Lauberhorn zwar nur Rang 23. Dass er wiederholt mit den Tränen kämpfte, lag aber nicht am Ergebnis - vielmehr schien ihn seine emotionale Rückkehr an diesen »besonderen Ski-Ort« nach drei Jahren zu überwältigen. »Boah, unglaublich, also wirklich«, sagte er bewegt, »für mich ist es einfach so schön, dass ich jetzt wieder da sein kann.«
Ähnlich befreit wirkte Weidle nach Platz sieben im ersten von zwei Super-G in St. Anton. »Es war ein brutal hartes Rennen«, sagte sie nach ihrem besten Weltcup-Resultat in ihrer Zweitdisziplin, »mit dem Ergebnis bin ich glücklich, da kommt niemand perfekt runter.« Da ließ sich der »Rückschlag« mit Rang 18 im zweiten Rennen verschmerzen.
Auch Straßer haderte nicht damit, dass er das Podest verpasst hatte - mit einer Sekunde war der Rückstand auf Rang drei zu groß. Der Norweger Henrik Kristoffersen war bei seinem 30. Weltcup-Erfolg sogar 1,49 Sekunden schneller, Sebastian Holzmann kam auf Platz 18. »Nennen wir es clever«, sagte Straßer über seine dosierte Fahrt im Finale. Unterwegs habe er gedacht: »Verdammt, das kann man wirklich schneller fahren.« Er habe sich »nicht gut gefühlt. Deshalb die Freude im Ziel.« Zumal sich Piste und Wetter von der extremen Seite zeigten, im ersten Lauf war die Kurssetzung grenzwertig. Straßer, der seine günstige Startnummer 2 genutzt hatte, meinte: »Es ist schade, es sollte für jeden halbwegs fair sein.«
Das war es in der Abfahrt, in der Aleksander Aamodt Kilde (Norwegen) das Double nach dem Super-G perfekt machte. Bester deutscher Starter war Romed Baumann an seinem 37. Geburtstag auf Rang 16 - zufrieden war er nicht. Anders Dreßen, der nach seiner Leidenszeit erstmals seit Platz drei 2020 in Wengen startete.
»Das ist ziemlich emotional für mich«, sagte er. »G’stellmäßig«, also körperlich, gehe es ihm nach der erneuten Pause über Weihnachten wieder »super, ich bin mega happy.« Der Spaß, der ihm zwischenzeitlich abhanden gekommen war, sei zurück, berichtete er selig, und er sei »parat« für das nächste Highlight Kitzbühel.
Ähnlich zuversichtlich klang Weidle auf der Heimfahrt aus Österreich. Das gute erste Rennen »lässt hoffen auf die Zukunft«, sagte sie im Auto, »ich habe gezeigt, was für ein Potenzial im Super-G ich habe«. Die Tagessiege gingen an Federica Brignone (Italien) und Lara Gut-Behrami aus der Schweiz.
(sid). Auf die Hauptattraktion mussten 19 000 euphorische Fans bei der stimmungsvollen Biathlon-Party in der Chiemgau-Arena verzichten. Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick ließ nach einem umjubelten zweiten Platz mit der Staffel den Massenstart am Sonntag in ihrem »Wohnzimmer« aus.
Leicht angeschlagen wollte Herrmann-Wick mit Blick auf die Heim-WM in Oberhof (8. bis 19. Februar) nichts riskieren - zumal es in Ruhpolding zum Abschluss stark regnete. »Die Gesundheit«, betonte Herrmann-Wick 24 Tage vor dem Saisonhöhepunkt, »ist jetzt das A und O«. Da nahm die Lokalmatadorin selbst die Enttäuschung der Anhänger in Kauf. Immerhin sorgte Vanessa Voigt im Rennen über 12,5 km als starke Fünfte für Jubel. »Die Zuschauer haben mich echt beflügelt. Ich habe alles gegeben«, sagte Voigt, die beim Sieg von Julia Simon ihren zweiten Podestplatz der Karriere knapp verpasste.
Doch längst gilt im Team des Deutschen Skiverbandes (DSV) »das Augenmerk komplett der WM«, wie DSV-Sportdirektor Felix Bitterling nach dem Heim-Weltcup in Ruhpolding betonte: »Für uns hat eine sehr wichtige Phase angefangen.« Die WM-Generalprobe in Antholz von Donnerstag bis Sonntag ist da auch nur ein Zwischenschritt.
Die Bilanz von Ruhpolding war abgesehen von den zweiten Plätzen der deutschen Staffeln hinter den überragenden Norwegern gerade bei den Männern durchwachsen. Im Massenstart spielten sie bei den Festspielen der Norweger um Dominator Johannes Thingnes Bö wie schon im Einzel nur eine Nebenrolle. Zwar erreichte Justus Strelow als Achter sein bestes Karriereergebnis, ansonsten wurden die hohen Erwartungen aber nicht erfüllt.
»Mir hat ein bisschen die Leichtigkeit gefehlt«, sagte Leistungsträger Benedikt Doll nach einem schwachen 15. Platz enttäuscht. Auch wenn Strelow zufrieden war, »mitschwimmen zu können« - an Bö und seine Norweger kam auch er bei weitem nicht ran. »JBT« feierte im zwölften Einzelrennen des Winters seinen neunten (!) Sieg vor drei Mannschaftskollegen.
Die fünf Tage von Ruhpolding boten dem DSV-Team einen Vorgeschmack auf die WM. Gerade am Schießstand herrsche ein »krasser Druck«, sagte Johannes Kühn: »Wenn es gut läuft, ist es schön. Wenn nicht, ist es die Hölle.« ARD-Experte Arnd Peiffer sprach von einem »Super-Test, denn in Oberhof wird die Stimmung noch euphorischer sein«. Es werde, so David Zobel »ein noch größerer Druck auf uns lasten«.
Immerhin behielten die beiden Staffeln die Nerven und begeisterten die Massen. Dies sei »extrem wichtig für die Mannschaft« gewesen, sagte Bitterling, »um ein Gefühl zu bekommen: Wir sind hier in Deutschland, und uns muss man erst einmal schlagen.« Gerade beim Saison-Höhepunkt gilt diese Devise. Er halte nichts »von einer strikten Medaillenvorgabe«, so Bitterling: »Aber wir wollen bei jedem Wettkampf vorne dabei sein und gerade in den Staffeln angreifen.« Seine Hoffnung: »Irgendwann erwischen diese Über-Athleten wie ein Johannes Thingnes Bö auch mal einen schlechten Tag. Da müssen wir da sein.«
Skispringen: Nach dem dritten Platz im Team-Springen hinter Österreich und Polen am Samstag haben die deutschen Ski-Adler auch im Einzelwettbewerb am Sonntag beim Weltcup im polnischen Zakopane einen Aufwärtstrend gezeigt. Markus Eisenbichler schaffte mit Platz sechs sein bestes Saisonergebnis. »Ich habe einfach versucht, meinen Job zu machen. Das hat sich ausgezahlt. Der zweite Sprung war schon richtig weit«, sagte Eisenbichler in der ARD, der auf 130,5 und 132 Meter kam. Andreas Wellinger wurde Elfter. Karl Geiger hatte im ersten Durchgang zu starken Rückenwind, verbesserte sich aber mit einem starken Satz noch vom 24. auf den 14. Platz. Es gewann Vierschanzentournee-Sieger Halvar Egner Granerud aus Norwegen vor Lokalmatador Dawid Kubacki und dem Österreicher Stefan Kraft.
Selina Freitag hat unterdessen zum Abschluss der Japan-Tour der Frauen ihren ersten Weltcupsieg nur um Zentimeter verpasst. Die 21-Jährige aus Aue landete im Schneegestöber von Zao knapp hinter Weltcup-Spitzenreiterin Eva Pinkelnig aus Österreich auf Rang zwei, durfte sich aber über das beste Ergebnis ihrer Karriere freuen. Die Olympia-Zweite Katharina Althaus rundete als Siebte das gute DSV-Ergebnis ab.
Bob: Vier Rennen, zwei Siege, insgesamt acht Podestplätze: Die deutschen Bobsportler haben sich auf die EM in der nächsten Woche in Altenberg eingestimmt. Beim Weltcup an gleicherer Stelle wirkten die Schützlinge von Bundestrainer René Spies in allen Wettbewerben bestens vorbereitet, auch wenn ihnen im Monobob der Frauen Kaillie Humphries aus den USA und im Vierer der Brite Brad Hall die Siege wegschnappten. In den anderen Rennen dominierten die deutschen Athleten: Lisa Buckwitz/Kira Lipperheide im Frauen-Zweier und Johannes Lochner/Georg Fleischhauer im kleinen Männer-Schlitten.
Rodeln: Zum Abschluss der EM haben die deutschen Rodler und Rodlerinnen ihre Medaillen-Ausbeute noch einmal erhöht. Anna Berreiter und Dajana Eitberger feierten in der Einzelkonkurrenz am Sonntag im lettischen Sigulda einen deutschen Doppelerfolg. Wenig später holte Berreiter gemeinsam mit Max Langenhan sowie dem Doppelsitzer-Duo Tobias Wendl und Tobias Arlt Silber in der Mixed-Staffel hinter Lettland. Nach Gold und Silber im Männer-Rennen sowie Gold bei den Herren-Doppelsitzern und Bronze im Damen-Doppel holte das deutsche Team bei den kontinentalen Titelkämpfen insgesamt sieben Medaillen.
Snowboard: Die deutschen Raceboarderinnen feierten beim Parallel-Riesenslalom in Scuol am Samstag einen überraschenden Doppelerfolg. Carolin Langenhorst bezwang im Finale ihre Team- und Clubkollegin Ramona Hofmeister vom WSV Bischofswiesen und holte ihren ersten Weltcup-Sieg. »Einfach nur geil! Hammer!«, sagte die 26-Jährige nach ihrem Coup in der Schweiz. Bei den Herren war Stefan Baumeister schon in der Qualifikation gescheitert. DPA/SID
