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Abschied von einer Legende

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imago0001387953h_220722_4c © Imago Sportfotodienst GmbH

DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler ist im Alter von 85 Jahren gestorben. In den 60er Jahren war er als Stürmer Vorbild einer ganzen Generation. Für den HSV schoss er mehr als 400 Pflichtspieltore. Deutschlandweit zeigt die Fußball-Prominenz Anteilnahme.

Fußball-Legende Uwe Seeler ist tot. Der 72-malige Nationalspieler und DFB-Ehrenspielführer starb am Donnerstag im Alter von 85 Jahren, wie sein früherer Verein Hamburger SV unter Berufung auf die Familie Seelers bestätigte. Zuerst hatte die »Bild« darüber berichtet.

Seeler war bei vier WM-Turnieren dabei, war Vizeweltmeister 1966 in England und WM-Dritter 1970 in Mexiko. Er war als einer der besten Mittelstürmer seiner Zeit Vereins-Ikone des Hamburger SV, für den er zeit seiner aktiven Karriere spielte. Von 1952 bis 1973 stürmte »Uns Uwe« für den HSV und war 16 Jahre Mitglied der deutschen Nationalelf. Aufgrund seiner Verdienste um den deutschen Fußball war er zum Ehrenspielführer der Nationalmannschaft ernannt worden.

Er war ein Inbegriff an Bodenständigkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Treue. Die Popularität des einstigen Torjägers par excellence gründete sich nicht nur auf dem sportlichen Ruhm mit Hinterkopftoren und Fallrückziehern, sondern auch auf seinen menschlichen Qualitäten. »Das Schönste auf der Welt ist doch, normal zu sein«, meinte der Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes vor seinem 85. Geburtstag im November 2021. »Ich bin stinknormal, und das gefällt mir.«

Seeler widerstand dem Millionen-Angebot aus Mailand und wurde zur Kultfigur: »Mehr als ein Steak am Tag kann man nicht essen.«

Dazu gehörte auch, dass er einem Millionen-Angebot von Inter Mailand widerstand. Es regnete, als der Stürmer im April 1961 zur Legende wurde. Typisches Hamburger Wetter. Also ging er nach dem Training hastig zu seinem Ford 12 M und fuhr in seiner »blauen Badewanne« die paar Kilometer vom Rothenbaum zum Hotel Atlantic, damals Hamburgs feinste Adresse.

In einer Suite im ersten Stock, mit Blick auf die Alster, wartete Helenio Herrera, damals bester Trainer der Welt, schon auf Uwe, damals einer der besten Stürmer der Welt. Herrera wollte Uwe zu Inter Mailand holen. Mit aller Macht. Eine Million Mark sollte es allein als Prämie für die Vertragsunterschrift geben - das Handgeld lag in einem Aktenkoffer unter dem Tisch. Dazu 500 000 Mark Jahresgehalt netto, eine Villa, ein Auto, die deutsche Schule für die Kinder.

»Das Angebot war sensationell«, sagte Seeler einmal, »aber Herrera wäre sicher noch höher gegangen.« Er hätte nur seinen Namen kritzeln müssen und wäre ein gemachter Mann gewesen, mit 25 Jahren. Zwei Tage lang wurde verhandelt - doch am Ende schüttelte Uwe den Kopf und schickte den Mann mit dem schicken italienischen Anzug und dem Geldkoffer nach Hause.

Hamburg stand kopf, Deutschland feierte Seeler. Den Star, der allen gehörte. Den man anfassen konnte. Der auf traumhaften Reichtum verzichtete und damit zum Idol aufstieg. »Uns Uwe« war jetzt nationales Eigentum, Vorbild und moralischer Kompass. »Mehr als ein Steak am Tag kann man nicht essen. Und wenn ich heute Bilanz ziehe, war diese Entscheidung goldrichtig«, sagte Seeler rückblickend. Es gibt keine Geschichte, die diesen Mann besser beschreibt.

»Uwe Seeler war ein außergewöhnlicher Fußballer, vor allem aber ein außergewöhnlicher Mensch«, sagte Hans-Jo-achim Watzke, Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball-Liga (DFL): »All dies, gepaart mit einer Bescheidenheit, die ihresgleichen suchte, hat ihn zu einem Idol und zu einem Vorbild für Millionen Menschen werden lassen.«

Die deutschen Fußballerinnen liefen im EM-Viertelfinale gegen Österreich am Donnerstag in Gedenken an Seeler mit einem Trauerflor auf. Die Stadt Hamburg verabschiedete sich auf ihrer Webseite von ihrem Ehrenbürger: »Mit Uwe Seeler verliert die Hansestadt Hamburg einen Ausnahme-Fußballer und besonderen Menschen. Tschüs, Uwe!«

Seeler hatte seit

einem Autounfall 2010 mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen

Ein Traum blieb dem großen Uwe Seeler trotz aller sportlichen Erfolge unerfüllt. »Wenn ich schon bei vier Weltmeisterschaften dabei war, hätte ich auch gern einmal den Titel geholt. Aber ich hatte nicht das Glück. Trotzdem war alles wunderschön. Ich vermisse nichts«, sagte Seeler.

Seine Erfolgsbilanz: mehr als 400 Pflichtspieltore für den HSV, 72 Länderspiele mit 43 Treffern zwischen 1954 und 1970, dreimal Fußballer des Jahres, deutscher Meister und Pokalsieger.

Mit Ehefrau Ilka war er mehr als 63 Jahre verheiratet. Wenn sich »Mäuschen«, wie Ilka Seeler ihren Mann liebevoll nannte, mit Terminen zu viel zugemutet hatte, war sie sein Korrektiv. Aus ihrer Ehe sind drei Töchter hervorgegangen. Ihr Enkel Levin Öztunali ist eine feste Größe in der Fußball-Bundesliga.

Deutschlands erster Fußballer des Jahres hatte zuletzt öfter mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Seit einem Autounfall 2010 war er auf dem rechten Ohr taub und beklagte Gleichgewichtsprobleme. Zudem bekam Seeler einen Herzschrittmacher und musste sich einen Tumor in der Schulter entfernen lassen. Mehrmals war er zuletzt in seinem Haus in Norderstedt gestürzt. Einmal hatte er sich dabei die rechte Hüfte und drei Rippen gebrochen. Ihm war daraufhin ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden. Danach musste er einen Gehstock nutzen. Bei einem Sturz wenige Wochen zuvor hatte er sich einen Finger gebrochen und das rechte Schienbein aufgerissen.

Termine und Einladungen konnte er immer seltener wahrnehmen. »Du willst den Leuten eine Freude machen, aber du kannst manchmal nicht. Das ist anderen schwer zu verklickern«, betonte er einmal. DPA/SID

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Uwe_Seeler_71478844_2207_4c © Imago Sportfotodienst GmbH
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Uwe_Seeler_wird_85_71479_4c_1 © DPA Deutsche Presseagentur

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