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Zusammen in die Weltspitze

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Von: Ronny Herteux

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Adam (l.) und Issam Ammour nehmen die Glückwünsche für Platz vier entgegen. © pv

Der Gießener Bobpilot Adam Ammour feiert in Sigulda sein Weltcup- Debüt, wird dabei von Bruder Issam im Zweier angeschoben und verpasst nur haarscharf das Podest. Der Blick richtet sich nun bereits auf die neue Saison, für die im Sommer die Grundlagen gelegt werden müssen.

Geschafft. So oder so. Nach dem Saisonhöhepunkt Weltmeisterschaft in St. Moritz haben die Bobpiloten nun ihre Weltcup-Saison 2022/23 in Sigulda zu den Akten gelegt.

Mit dabei der 21-jährige Gießener Adam Ammour, der bei seinem Weltcup-Debüt ausgerechnet von seinem Bruder Issam angeschoben wurde. Und es sollte eine Erfolgsgeschichte werden, denn nach dem ersten Durchgang lagen die Sportler vom TSV Klein-Linden zeitgleich mit Rekord-Weltmeister Francesco Friedrich nur 16/100 Sekunden hinter Zweier-Dominator Johannes Lochner. »Das war fahrerisch von Adam eine herausragende Leistung, wohlgemerkt: Wir sind (wieder) mit nachteiligem Material an den Start gegangen«, sprach Issam seinem pilotierenden Bruder vom WRC Thüringen ein großes Lob aus. Schließlich »haben wir nicht erwartet, dass wir so weit vorne mit dabei sind«. Zumal die Bedingungen »sehr schwierig waren, es hat heftig geschneit und geweht«.

Überdies war der 29-jährige Issam Ammour kurz zuvor aus dem Urlaub nach Sigulda eingeflogen, und der jüngere Bruder hatte noch mit den Folgen seines Sturzes bei der WM in St. Moritz zu kämpfen, für die er sich als Junioren-Weltmeister qualifiziert hatte.

Infolgedessen war natürlich davon auszugehen, dass die beiden Gießener nicht 100 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit abrufen konnten. Und so war am Ende »ein vierter Rang nicht ein verlorener dritter Platz« für die Ammour-Brüder, die um fünf Hunderstel Sekunden das Podest verpassten. Issam Ammour sprach im Nachgang von »einem richtig starken Ding, auch haben wir mit dem Start als zwei Brüder Geschichte geschrieben: Noch nie gab es in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland Geschwister, die gemeinsam in einem Schlitten für die deutsche Nationalmannschaft in der höchsten Rennserie an den Start gegangen sind.«

Im lettischen Sigulda beherrschten die Deutschen um Lochner (Stuttgart/1.) und Friedrich (Oberbärenburg/2.) den Weltcup, nur Michael Vogt aus der Schweiz brach als Dritter in die Dominanz aus. Dabei ließen die Ammour-Brüder sogar den zuletzt auftrumpfenden Engländer Brad Hall nicht an sich vorbeiziehen. Wie ist die deutsche Dominanz überhaupt zu erklären? »Deutschland hat mit der FES (Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten) eine richtig starke Schlitten-Schmiede im eigenen Land, die akribisch jedes bisschen Leistung aus den Schlitten holt«, sei nur ein Aspekt: »Dann gibt es noch hart arbeitende Piloten wie den Francesco Friedrich, der immer tüftelt und probiert, testet und testet - und davon profitiert dann die deutsche Mannschaft insgesamt.« Überdies nutznießen die deutschen Bobfahrer von den zahlreichen Stützpunkten mit ihren Bahnen und dem »guten Fördersystem über die Behörden wie Bundeswehr, Bundespolizei und Landespolizei«. Adam und Issam Ammour gehören der Spitzensportförderung der Bundeswehr an und sind in Oberhof stationiert.

Auch wenn die Weltcup-Saison beendet ist, wird der 21-jährige Adam Ammour noch ein paar Rennen fahren, um weiterhin Erfahrung zu sammeln. Ende März steht zudem noch eine Trainingseinheit in Lake Placid (USA) auf dem Programm, »um sich eine neue Bahn zu erarbeiten«. Mitte April gilt es noch, den fünfwöchigen Unteroffiziers-Lehrgang bei der Bundeswehr zu bestehen.

Issam Ammour hat bereits in diesen Tagen einen Bundeswehr-Lehrgang zu bewältigen, »ehe ich mich dann meinem Praktikum im Rahmen meines Bachelor-Studiengangs in BWL widme. Die Bachelor-Arbeit soll möglichst vor der nächsten Bob-Saison abgeschlossen sein.«

Kurzfristig heißt es zunächst aber einmal, »den Körper runterfahren zu lassen«, was ganz besonders für Vielfachfahrer Adam Ammour nach »einer sehr langen, stressigen Saison« gilt. Der ältere der beiden Sportsoldaten will nun »mehr Cardio-Training machen und zumindest das Schnellkrafttraining runterfahren, um das System mal zu entlasten«. Denn bald geht es mit dem Grundlagentraining wieder von vorn los: »Hohe Laufumfänge, Wiederholungen beim Krafttraining, dazu ordentlich Gekloppe beim Oberkörper-Training, um die Substanz für den kommenden Winter aufzubauen.« Unter anderem gehören auch Treppenläufe zum Programm, wobei in Oberhof die Skischanze hochgelaufen wird. Da kommt so mancher »Otto Normalbürger« nur schon beim Hochgehen an seine Grenzen. Auch werden Adam und Issam Ammour wieder öfters im heimatlichen Gießen sein, und dann möchten sie sich über den Frühling und Sommer hinweg wieder um das Kinderleichtathletik-Training beim TSV Klein-Linden kümmern.

Eine punktgenaue Planung ist momentan noch nicht möglich, da »die Termine für die nächste Saison noch gar nicht feststehen«. Erst wenn demnächst der Weltverband mit seinen Planungen an die Öffentlichkeit tritt, könne der nationale Verband seine Strategie darauf anpassen.

Relativ sicher ist allerdings, dass im Oktober die zentralen Leistungstests in Oberhof anstehen, »daran schließt sich der Team-Anschubwettkampf an, ehe es dann in die Selektion um die begehrten Weltcup-Startplätze geht«, wie Issam Ammour erläutert.

Das Thema Umweltschutz ist natürlich auch im Bobverband wegen der energieintensiven Anlagen längst angekommen, erst recht nach der Wärmeperiode zuletzt im späten Herbst. Deshalb sei es der Wunsch von Bundestrainer Rene Spies, dass vor November keine Bobs auf deutschen Bahnen fahren. Ob allerdings der Weltverband da mitspielt und die Termine entsprechend legt, dies bleibt abzuwarten.

Adam und Issam Ammour haben nach dem Weltcup-Ende noch ein ganz persönliches Anliegen: »Wir sind beide Gießener und würden uns riesig über Unternehmen freuen, die Interesse haben, uns anzuschieben. Anzuschieben als Sponsoren.«

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