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Vier Ws prägen das Sportjahr 2021

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Von: Sven Nordmann

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Wildcard-Wagnis der 46ers, Wandschneider-Weggang, Waldstadion-Wahnsinn und Wettenberg-Welle - vier Ws prägen das Sport- jahr aus mittelhessischer Sicht. Erneut wird deutlich: Gießen ist sportlich vielfältig. Corona sorgt für Wettkampfannullierungen und ein Wechselspiel von leeren und vollen Rängen.

Das sportliche Spektrum von Gießen 2021, zusammengefasst in fünf Merkmalen.

Wildcard-Wagnis der Gießen 46ers: Kurz vor Weihnachten 2020 übernimmt der bisherige Pro-B-Trainer Rolf Scholz bei den Gießen 46ers für Ingo Freyer und stabilisiert den ins Wanken geratenen heimischen Basketball-Bundesligisten im Jahr 2021 - »es war eine sehr intensive Zeit, auch, weil ich Gießener bin und das für mich nicht nur ein Job war«, sagt der 41-Jährige.

»Es war eine schöne Zeit, in der ich viel Unterstützung erfahren habe, auch beim Einkaufen oder im Kindergarten. Gleichzeitig war es eine lehrreiche Zeit: Viele Menschen zerren an dir, du musst dir treu bleiben. Das heißt: Nicht zu viele Kompromisse eingehen und deiner Idee folgen.« Diese Idee führt zwar zur Aufholjagd, letztlich bleibt sie aber unvollendet: Sportlich steigen die 46ers im Mai als Tabellenvorletzter mit acht Siegen und 26 Niederlagen ab.

Für 700 000 Euro, zahlbar in zwei Raten, nutzen die Gesellschafter die Möglichkeit der Wildcard. Scholz: »Ich freue mich für den Standort, dass wir erstklassig bleiben. Von der Unterstützung von Frau Roth, die vorneweg geht, und den Gesellschaftern lebt der Spitzensport. Da kann man nur dankbar sein. Es ist bemerkenswert, mit welcher Kompromisslosigkeit investiert wurde.«

Wettenberg-Welle durch Jana Becker und Niklas Römer: Zwei Hessenrekorde, zwei deutsche Meistertitel und der Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Laubach im Alter von 15 Jahren: 2021 war ein herausragendes Jahr für die begabte Langstreckenläuferin Jana Becker (LG Wettenberg). »Es war geradezu gigantisch. Jana liebt einfach, was sie macht«, sagt Mutter Mirjam. »Dabei fing das Jahr mit den vielen Wettkampfabsagen durch die Pandemie gar nicht so richtig gut an.«

Als die 15-Jährige aus dem Laubacher Ortsteil Lauter dann loslegen darf, liefert Becker reihenweise ab: Ihren Hessenrekord in der U16 über die 800 Meter in Karlsruhe verbessert sie drei Wochen später in Pfungstadt selbst (2:07,45 Minuten), holt im Blocklauf der U16 den deutschen Meistertitel und krönt ihre Saison mit der deutschen Meisterschaft in der U16 über die 800 Meter. »Sie ist selbst total geplättet von den Erfolgen. Daran merke ich, dass sie im Grunde noch ein Kind ist, auch wenn sie schon sehr reif ist«, sagt ihre Mutter.

In die deutsche Spitze stieß in diesem Jahr auch der Krofdorfer Schwimmer Niklas Römer vor. Der 16-Jährige sammelte Bronze bei den deutschen Freiwassermeisterschaften über 2,5 Kilometer in seinem Jahrgang und wurde Dritter bei den deutschen Jahrgangsmeisterschaften über die 200 Meter Freistil. Der Athlet des TV Wetzlar gehört seit diesem Jahr auch der Jugend-Nationalmannschaft an.

Wandschneider-Weggang bei der HSG Wetzlar: Seit 1998 spielt die HSG Wetzlar in der Handball-Bundesliga - Erfolgstrainer Kai Wandschneider sorgt in seinen neun Jahren in Mittelhessen trotz verhältnismäßig bescheidener finanzieller Mittel dafür, dass das bis heute so bleibt. Ständig kreiert der 61-Jährige mit seiner Mannschaft die »beste Version seiner selbst« - und muss im Sommer 2021 doch gehen. Zum Abschluss widerlegt Wandschneider mit Platz zehn die »Lame duck«-These, die aufgebaute Struktur führt unter Neu-Trainer Benjamin Matschke derzeit sogar zu Platz fünf. Die HSG Wetzlar im Jahr 2021: auf Erfolgskurs!

Waldstadion-Wahnsinn beim FC Gießen: Borussia Dortmund kommt am 13. Juli mit Marco Reus und Julian Brandt zum Testspiel ins Gießener Waldstadion und schlägt den FC Gießen vor 3700 Zuschauern mit 2:0 - in der Saison 2021/22 liegt der Besucherschnitt in der Regionalliga Südwest dagegen nur noch bei 480 Zuschauern pro Heimspiel.

Sportlich legt der FC mit Platz elf in Liga vier zum Saisonende das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte hin - das Trainerduo Daniyel Cimen/Michael Fink verlängert um zwei Jahre und kämpft derzeit erneut um den Klassenverbleib.

Überschattet wird all das vom Wirken des Notvorstandes Turgay Schmidt, der seit Oktober 2020, vom Amtsgericht bestellt, in Amt und Würden ist und im März und Mai 2021 auf denkwürdigen Pressekonferenzen öffentlichkeitswirksam die Gesellschafter angreift, von »geflossenem Schwarzgeld« spricht und sich später damit rühmt, den Schuldenstand von »2,18 Millionen Euro auf rund 270 000 Euro gesenkt« zu haben. Je älter das Jahr wird, desto weniger steht Schmidt für Fragen und Transparenz zur Verfügung, schließt im Dezember sogar die Presse von der Mitgliederversammlung aus.

…und natürlich Corona: Ein ständiges Anpassen an die politischen Verordnungen mit leeren Rängen, vollen Rängen (mit Masken) prägt die Arbeit der mittelhessischen Sportfunktionäre. Sinnbildlich sagt der Vorsitzende der HSG Pohlheim, Patrik Marsteller, Anfang Dezember nach neuen Regelungen: »Ich verfasse damit bereits tatsächlich die 20. Version unseres Hygienekonzeptes.« Die anfängliche Euphorie für Online-Kurse und virtuelle Läufe ebbt ab, Rundenwettkämpfe werden pandemiebedingt annulliert, Veranstaltungen häufig abgesagt.

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