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Viele Buben, wenig Asse

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Von: Ralf Waldschmidt

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Berlins Kreisläufer Mijajlo Marsenic (gelb) hat sich einmal mehr durchgesetzt. © Oliver Vogler

Die HSG Wetzlar hat in der Handball-Bundesliga auf Grund einer Vielzahl an vergebenen Chancen einen Sieg gegen die Füchse Berlin verpasst und muss sich mit 28:30 (15:12) geschlagen geben.

Die HSG Wetzlar hat sich für eine lange Zeit starke Vorstellung nicht belohnt. In der Handball-Bundesliga unterlagen die Mittelhessen am Samstagabend vor 3500 Zuschauern den Füchsen Berlin trotz einer 15:12-Halbzeitführung am Ende noch mit 28:30.

Die Hauptstädter haben ihre Chance im Kampf um die Qualifikation für die Champions League gewahrt. Die HSG Wetzlar bleibt Tabellensechster und empfängt am Donnerstag den HC Erlangen (19.05 Uhr), gegen den es im Hinblick auf die noch immer mögliche Europa League-Qualifikation auch Revanche für die Niederlage im DHB-Pokal zu nehmen gilt.

Die Grün-Weißen lagen dank einer bärenstarken Abwehrleistung nach 35 Minuten noch mit vier Treffern (17:13) vorne und mussten erst in der 42. Minute den 20:20-Gleichstand hinnehmen. Kurz zuvor noch hatte Berlins Abwehrstratege Viran Morros nach einer Gesichtsattacke gegen Lenny Rubin die rote Karte gesehen und Domen Novak im Anschluss das hoffnungsvolle 20:18 markiert - aber die HSG Wetzlar schaffte es nicht, das Momentum auf ihre Seite zu bringen und davonzuziehen.

Wie schon vor der Pause, nach 20 Minuten, als aus dem 11:9-Vorteil bei vier nacheinander vergebenen Chancen das 12:9, 13:9 oder gar 14:9 fahrlässig weggeworfen worden war. »Heute war einiges mehr drin für Wetzlar. Wir können verdammt froh sein, das wir in er ersten Halbzeit für unsere eigenen Fehler nicht noch schlimmer den Arsch versohlt bekommen haben«, kommentierte Berlins Trainer Aaron Siewert ungewohnt drastisch die Phase zwischen der 15. und 30. Minute.

In dieser übernahm die HSG Wetzlar - spieltaktisch einmal mehr glänzend eingestellt von Trainer Benjamin Matschke - trotz der anfänglich unter enormen Tempo hohen, von Lasse Andersson, Jacob Holm und Milos Vujovic zelebrierten Berliner Spielkunst das Kommando. Die Wetzlarer stellten bei ihren Anwehrsteals Meisterdieb Lupin in den Schatten; die Wetzlarer reizten mithilfe von Kreuzbube Till Klimpke (sieben Paraden), Pikbube Stefan Cavor (fünf Treffer) sowie Herzbube Magnus Fredriksen (Assistgeber und Vollstrecker) stets höher als der Champions League-Anwärter. Folglich schmeichelte das Pausen-15:12 den Spree-Athenern - wie Siewert eingestanden hatte - extrem.

Der Beginn der zweiten ähnelte dem Ende der ersten Hälfte. Emil Mellegard und Adam Nyfjäll vergaben nacheinander freistehend - was sich böse rächen sollte. Denn in der Folge trauerte die Mannschaft von Trainer Benjamin Matschke dem halben Dutzend hochkarätig vergebener Chancen nach, scheiterte bei dessen 15 Paraden immer wieder an Füchse-Keeper Dejan Milosavljev und konnte vor allem die Achse von Spielmacher Jacob Holm zu Kreisläufer Mijajlo Marsenic nicht hinreichend stoppen.

Selbst die erwähnte rote Karte gegen Viran Morres und das - wie erwähnt - 20:18 von Domen Novak (40.) konnten die einsetzende Negativspirale nicht aufhalten. In der 44. Minute führten die Berliner erstmals wieder mit 21:20 durch Hans Lindberg. Und als Lenny Rubin nach dem torpedoartigen Fredriksen-23:23 (49.) frei auf Milosavljev zulaufend nicht zum 24:23 (50.) nutzte, verschaffte sich der Favorit in der Schlussphase mit all seiner Routine, Cleverness und individuellen Qualität den entscheidenden 29:26-Vorteil (58.).

»In der zweiten Halbzeit haben wir extrem viel Glück gehabt in den vier Minuten Unterzahl, haben das Ding dann irgendwie aber noch gedreht. Ich bin ehrlich, die Gründe dafür sind sehr, sehr gering«, gestand Gästecoach Siewert abermals ein.

Gestochen hatten am Ende wie beim Skat die Asse, die Berlin in größerer Anzahl auf seinem Blatt hatte. Die Fredriksen und Co. hatten die Füchse mit ihren Buben gereizt, gestochen aber hatten Milosavljev im Tor, Spielmacher Holm und Marsenic am Kreis.

In Anbetracht der Vielzahl vergebener Möglichkeiten und der fehlenden Torgefahr vom Kreis bzw. aus dem Nahbereich sowie mit Blick auf alle Spielstatistiken, fehlten am Ende sogar die Argumente, um darauf hinzuweisen, dass den Grün-Weißen nicht ein Siebenmeter zugesprochen worden war und die Schiedsrichter Offensivfouls unterschiedlich bewertet hatten.

Das Fazit eines noch lange nach Spielschluss aufgewühlten Benjamin Matschke: »Das Pendel war ab der 40. Minute gefühlt schon für Berlin ausgeschlagen. Wir haben unseren Vorsprung zu früh verwaltet, wir haben gute Chancen nicht verwertet und Berlin hat das brutal genutzt in der zweiten Halbzeit. Vorne die Chancen nicht gemacht, hinten passiv verteidigt, das kannst du dir gegen Berlin nicht erlauben.«

Im Stenogramm

HSG Wetzlar: Till Klimpke, Komok; Srsen, Nyfjäll (1), Boczkowski (n.e.), Ole Klimpke (n.e.), Mirkulovski, Danner (1), Weissgerber (n.e.), Holst, Fredriksen (3), Forsell Schefvert (6), Novak (5), Mellegard (3), Rubin (2), Cavor (7).

Füchse Berlin: Milosavljev, Grenz (n.e.); Lindberg (7/2), Holm (7), Marsenic (5), Vujovic (3), Andersson (3), Matthes (2), Langhoff (1), Drux (1), Wiede (1), Morros, Langhoff, Chrintz, Beneke, Matthes, Jacobs, Kopljar.

Im Stenogramm / SR.: Schulze/Tönnies (Magdeburg). - Zuschauer: 3500. - Zeitstrafen: Forsell Schefvert (6.), Danner (60., beide Wetzlar); Drux (25., Berlin). - Disqualifikation: Morros (40.). - Siebenmeter: 0/0:2/2.

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Enttäuscht und mit hängenden Köpfen: Die Wetzlarer Lenny Rubin und Magnus Frederiksen nach dem Heim-28:29 gegen die Füchse Berlin. © Oliver Vogler

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