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Trainer Daniyel Cimen zur Stabilität des FC Gießen: »Damit konnte man nicht rechnen«

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Von: Sven Nordmann

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»Wir wachsen zusammen«: FC-Trainer Daniyel Cimen mit seinem komplett neu zusammengestellten Team. OV © Oliver Vogler

Auch Trainer Daniyel Cimen zeigt sich nach der späten Kaderzusammenstellung überrascht von den stabilen sportlichen Leistungen des FC Gießen, der aktuell Fünfter der Fußball-Hessenliga ist.

Wer Mitte Juli 2022 prognostiziert hätte, dass der damals personell kaum bestückte FC Gießen zwei Monate später grundsolide auf Platz fünf der Fußball-Hessenliga steht und immerhin einen Zuschauerschnitt von 580 Besuchern pro Partie aufweist, wäre als kühner Optmist bezeichnet worden.

In vier Liga-Heimspielen gewann der FC im Waldstadion viermal - und steht nun vor einem Heimspiel-Dreierpack (Griesheim, Dietkirchen, Hadamar), der am Samstag (14 Uhr) beginnt.

Zweifelsfrei lässt sich festhalten: Auch wenn der Besucherschnitt im Winter erfahrungsgemäß sinken dürfte und wenige Spieler mit Gießener Bezug im Kader zu finden sind, hat die erste Mannschaft des FC Gießen sportlich bisher positiv überrascht.

Trainer Daniyel Cimen erklärt, woran er die stabilen Leistungen fest macht, wie es sich mit den weiten Fahrtwegen der Akteure aus dem Rhein-Main-Gebiet verhält und welchen Wunsch bezüglich der Infrastruktur er liebend gerne erfüllt sehen würde.

Herr Cimen, durch Platz fünf nach zehn Partien steht der FC Gießen, wie von ihnen angestrebt, im vorderen Drittel der Hessenliga - Sie dürften zufrieden sein, oder?

Ich bin mit diesem Wort immer vorsichtig. Zufriedenheit ist mit Stillstand verbunden. Wir wollen mehr. Das zeigen die Jungs mir auch Woche für Woche. Sie werden fitter, wir hatten ja schon einige Spieler, die mit etwas körperlichem Rückstand zu uns gekommen sind. Wir wollen individuell besser werden und uns als Mannschaft weiter finden. Wir müssen von der Fitness her alle auf einem Level sein, wenn wir oben mitspielen wollen.

Für viele kommt der gute Start nach der zähen und späten Kaderzusammenstellung in diesem Sommer überraschend.

Dass wir uns so schnell finden, damit konnte man auch nicht rechnen. Zwölf Tage vor Saisonstart hatten wir vier Spieler vertraglich fixiert. Als sich der Kader langsam finalisierte, habe ich gemerkt: Es kann sich was entwickeln. Angesichts der Kürze der Zeit war es aber wichtig, dass wir uns auf keine feste Platzierung als Ziel festlegen.

Worauf führen Sie Platz fünf nach zehn Spieltagen zurück?

Dass wir zuletzt auf einem echten Matschplatz in Steinbach, auf dem Du kaum Fußball spielen konntest, einen 1:3-Rückstand aufgeholt haben, zeigt, dass wir zusammenwachsen. Wo wir es zeitlich konnten, haben wir darauf geachtet, gute Charaktere mit Mentalität zu verpflichten. Wir haben mit Leon Akulinin einen Glücksfall im Sturmzentrum bekommen. Und wir haben darauf geachtet, dass sich einige Spieler bereits kennen und eine Verbindung besteht. So zum Beispiel bei Keanu Hagley, Johannes Tatchouop und Yassine Maingad, die alle aus Zeilsheim kamen und sich kannten. Genauso haben wir einen Hanauer Block. So war es nicht für jeden neu und so, dass keiner keinen kannte. Das beschleunigt den Prozess. Die Mannschaft zeigt, dass sie jeden schlagen kann.

Wen erachten Sie als tragende Säule dieser Mannschaft?

Über Michael Fink brauchen wir nicht zu sprechen. Dann kommt Adrian Kireski in der Verteidigung, der mit seiner ruhigen, abgeklärten Art und Weise trotz seines jungen Alters wichtig für uns ist. Wir haben Pech, dass uns auf der Doppelsechs derzeit die erfahrenen Deniz Vural und Denis Mangafic fehlen. Und auch Mert Perkesen und Aykut Öztürk sind Spieler, die von ihrem Naturell her Verantwortung übernehmen.

Was ist das größte Argument für einen Zuschauer, ins Waldstadion zu gehen? Viele Akteure mit Gießener Bezug gibt es nicht mehr.

Die Mannschaft macht Spaß und gibt nie auf. Sie bringt Emotionen auf den Platz - das ist es doch, weshalb ich ins Stadion gehe. Klar hätten wir gerne den einen oder anderen heimischen Spieler gehabt. Aber das ging einfach nicht mehr. Als wir angefangen haben, den Kader zusammenzustelle, waren im mittelhessischen Raum fast alle Spieler schon bei einem Verein unter. Wir haben mit Ryan Harder einen gebürtigen Gießener, der in Steinbach sein Startelf-Debüt gegeben hat. Generell sollte an erster Stelle stehen, dass Du eine Mannschaft hast, die alles auf dem Platz lässt.

Wie verhält es sich angesichts der Entfernungen und der Spritpreise mit den Fahrtkosten für die weiter entfernten Spieler?

Viele aus dem Rhein-Main-Gebiet haben Fahrgemeinschaften gebildet. Ansonsten sind wir räumlich wirklich breit aufgestellt. Daniel Duschner beispielsweise kommt aus Bad Nauheim, Leon Akulinin aus Bad Homburg, zwei Jungs aus Darmstadt...

Der FC Gießen hat seine bisherigen vier Heimspiele allesamt gewonnen. Nun steht ein Dreierpack im Waldstadion bevor. Stimmt das optimistisch?

Es ist grundsätzlich erst einmal immer schön, eine Heimstärke zu entwickeln. Da sind Deine Zuschauer. Wir freuen uns immer, wenn wir zuhause spielen. Wir wollen das Selbstvertrauen mitnehmen und gegen Griesheim daran anknüpfen, auch, wenn das ein unangenehmer Gegner ist. An dem Donnerstag gegen Dietkirchen um 19 Uhr müssen wir noch schauen, wo wir spielen - im Waldstadion wird es aufgrund der Dunkelheit jedenfalls nicht sein.

Nach einem absolvierten Viertel der Saison: Auf wen tippen Sie als Aufsteiger in die Regionalliga Südwest?

Viele haben erwartet, dass die U21 von Eintracht Frankfurt vorneweg marschiert. Bei aller Qualität und dem Potenzial darf man aber nicht vergessen, dass sieben Spieler aus der Startelf noch A-Jugend spielen können und mit der Youth League eine Doppelbelastung haben. Walldorf und Friedberg haben sich vorgearbeitet und bieten mit einer fitten Startelf individuelle Qualität. In dieser engen Liga ist mit mannschaftlicher Geschlossenheit viel möglich. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass Walldorf und Friedberg oben dran bleiben. Ob sie dann auch in die Regionalliga Südwest aufsteigen wollen, ist eine andere Frage. Wenn man das berücksichtigt, tippe ich darauf, dass Stadtallendorf und Frankfurt am Ende ganz oben stehen werden.

Und welche Rolle will der FC Gießen einnehmen?

Wir wollen noch ein paar Plätze nach oben kommen. Auf eine Platzierung will ich mich aber nicht festlegen.

Kann der Aufstieg ein Thema für den FC Gießen sein?

Ich beschäftige mich nicht damit. Das ist eine Frage, die der Verein beantworten muss. Rein sportlich streben wir den maximalen Erfolg an.

Sind Sie mit der Organisation rund um die Teambetreuung und die Absprachen zufrieden?

Durch die Hessenliga ist das alles entspannter geworden. Die Trainingszeiten und die Fahrten sind überschaubarer. Der Verein hat sich etwas breiter aufgestellt. Ich bin zufrieden in dem Sinne, als dass es keine Probleme im alltäglichen Ablauf gibt.

Wenn Sie einen Wunsch für den FC Gießen frei hätten, der sich erfüllt...

...dann würde ich sagen, dass es toll wäre, wenn wir es schaffen, den Standort Waldstadion zu stärken und die Infrastruktur und das Training komplett nach Gießen zu verlagern. Es gibt einen Ascheplatz und zwei Kunstrasenplätze in der Nähe. Auf einem trainieren wir im Winter ohnehin schon desöfteren. Ich würde mich auch freuen, wenn das Vereinsleben in den Räumlichkeiten oberhalb der Kabine für ein Sportheim genutzt werden könnte, sodass sich ein Standort entwickelt, an dem Du vor und nach dem Training, vor und nach den Spielen zusammenkommst und Dich triffst - egal ob als Spieler oder als Fan. Vielleicht können Stadt und Verein da einen Schritt aufeinander zugehen. Man muss einfach miteinander reden.

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