Teamgeist auch abseits des Feldes

(mol). Wirklich überraschen konnte es wohl nur die wenigsten, dass sich die HSG Pohlheim kürzlich dank des 27:21-Erfolges gegen TuSpo Obernburg zum Meister der Männerhandball-Oberliga gekürt und den Aufstieg in die Dritte Liga geschafft hat. Offensiv war das Team von Andi Lex und Jens Dapper die Saison angegangen und hatte die Meisterschaft als Ziel ausgegeben.
Doch dass vom davon Erzählen noch keiner etwas erreicht hat und dass viele gute Individualisten allein nicht immer ausreichen, um als Mannschaft Erfolg zu haben, ist bekannt. Und daher war es doch am Ende ein Team, das nach neun Jahren die Rückkehr in die dritthöchste Klasse Deutschlands geschafft hat.
»Es hätte uns doch vor der Saison keiner abgenommen, wenn wir mit dem Kader formulieren, um Platz drei oder vier mitspielen zu wollen. Und sich hohe Ziele zu setzen, motiviert ja auch«, berichteten Coach Lex und Pohlheims Kapitän Jan Wüst unisono. Und doch trieben dem HSG-Trainer die ersten Wochen der Saison die ersten Sorgenfalten ins Gesicht. Er selbst stand aufgrund der gestiegenen Verantwortung durch den »Rollentausch« mit Jens Dapper nicht mehr als Spieler zur Verfügung. Früh folgten dann mit dem Mittelhandbruch Max Rühls und der schweren Kreuzbandverletzung von Torben Weinandt die Ausfälle zweier absolut wichtiger Spieler. »Da hatte ich natürlich schon meine Bedenken, wie wir diese Verluste auffangen können und welche Alternativen wir uns überlegen können. Hier hat sich schon direkt unser breiter Kader bezahlt gemacht. Zudem sind auch junge Spieler früh in die Verantwortung gekommen und haben oftmals Leistungen abgerufen, die eigentlich noch keiner von ihnen erwartet hatte«, erinnert sich Lex.
Durch frühe Wechsel Last auf den gesamten Kader verteilt
So denkt der 37-Jährige dabei vor allem an die starken Auftritte von Tom Gilbert oder von Leon Friedl, der als Spielmacher überzeugen konnte (»Leon hat in dieser Saison sicherlich den größten Entwicklungsschritt gemacht und schon viel Verantwortung übernommen«, Lex). Und so schlossen die Pohlheimer die Hauptrunde trotz der Ausfälle dann am Ende mit lediglich vier Minuspunkten ab, von denen die beiden des schwachen Auftritts bei der HSG Wettenberg Anfang Januar (27:28) nicht in die Meisterrunde mitgenommen wurden. Doch generell war die Konstanz in Spielen gegen Teams aus den hinteren Regionen der Schlüssel für den Erfolg. »Dort haben wir in der Vergangenheit oftmals entscheidende Punkte liegenlassen, die wehgetan und am Ende gefehlt haben. Von der Wettenberg-Partie abgesehen, haben wir das diesmal sehr souverän gelöst, haben frühzeitig durch Wechsel die Last auf den gesamten Kader verteilt und hatten am Ende daher oftmals mehr zuzusetzen. Und das waren alles andere als einfache Spiele, da die Gegner gegen uns nie Druck hatten, aber hoch motiviert waren«, betont Lex. Während Wüst ergänzt: »Da waren schon sehr unangenehme Spiele darunter, vor allem wenn du auswärts dann ohne Harz spielen musstest wie in Petterweil. Diese Spiele musst du auf vom Kopf und von der Einstellung annehmen, was wir getan haben!«
Vorgezogenes Meisterstück in Obernburg
So richtig los ging die Saison dann aber erst Ende April, als die Meisterrunde mit zwei glatten Siegen gegen Hanau II und Dotzheim startete, die den optimalen Einstieg bildeten, um nach einigen Wochen Pause wieder in den Wettkampfrhythmus zu kommen. »Wir haben uns da Etappenziele gesetzt und wollten erstmal die ersten vier Spiele, also praktisch die Hinrunde gewinnen, und dann weiterschauen«, erinnert sich Lex. Nach dem furiosen 34:21-Heimerfolg gegen die TSG Offenbach-Bürgel konnte der erste Kontrahent schon deutlich auf Distanz gehalten werden, und nachdem auch der hartnäckigste Verfolger MT Melsungen II Federn gelassen hatte, kam dem vierten Spiel beim »Süd-Hauptrundenmeister« TuSpo Obernburg schon vorentscheidende Bedeutung zu. »Im Anschluss folgten zwei Spiele gegen Teams vom Ende der Tabelle, bei denen ich mir sicher war, dass wir sie gewinnen würden. Wenn wir daher in Obernburg gewinnen, war mir klar, dass wir wirklich alles in der Hand und allerbeste Chancen auf den Aufstieg haben«, betont Pohlheims Trainer. Und so lieferten die Pohlheimer ihr vorgezogenes Meisterstück bereits Mitte Mai ab und siegten in Südhessen souverän mit 27:24. Einmal mehr erwiesen sich auch hier die Defensive um die Torhüter Wüst und Jannik Schlegel (»Für mich das beste Torhüterduo der Klasse«, Lex) und der bärenstarke Innenblock um Mo Lambrecht, Max Rühl, Johannes Träger und Florian Niclas (»Da hatten wir wirklich für diese Positionen gleich vier überragende Akteure zur Verfügung«, Lex) als der Winner. Und nachdem die beiden nächsten Spiele dann wie erhofft gewonnen worden waren, kam es in Offenbach zum ersten Matchball, den die HSG beim 25:26 nicht nutzen konnte. Auch wenn es letztlich ein Fifty-fifty-Spiel war, das in beide Richtungen hätte kippen können, übt Pohlheims Trainer auch Selbstkritik. »Sicherlich haben wir insgesamt zu viel verworfen. Aber das war die einzige Partie, in der ich unser Konzept mit den frühen Wechseln nicht durchgezogen habe. Einige meiner Spieler waren in der entscheidenden Phase dann platt, das muss ich mir ankreiden«, so Lex.
Doch weil trotz kurzer Startschwierigkeiten das »zweite Endspiel« gegen Obernburg dann doch klar dominiert wurde, interessierte die Vorwoche keinen mehr. Als entscheidend nach dem schnellen 1:5-Rückstand sah der HSG-Coach schon die darauffolgenden Minuten. »Obernburg war heiß, das hat man gemerkt. Aber wir haben dann stark gedeckt und sie auch mit leichten Gegenstoßtoren mürbe gemacht. Wir gehen dann mit einem 13:8-Vorsprung in die Pause und Obernburg sagt sich eigentlich, dass sie bis dahin gut gespielt haben. Was sie auch getan hatten. Die Phase vor der Pause war der Schlüssel, da gingen ihre Köpfe dann doch runter. Danach hatten wir dann keine Probleme mehr!«
Bärenstarke Heimbilanz: 13 Spiele, 13 Siege
Neben der bärenstarken Heimbilanz (alle 13 Spiele in der Holzheimer Sporthalle wurden gewonnen, die Redaktion) und der großen individuellen Klasse war aber ausschlaggebend, dass ehemals höherklassige Spieler wie Mo Lambrecht oder Stefan Lex keinerlei Allüren zeigten, den jungen Spielerin immer wieder Hilfsstellung gaben und ihnen mit Rat und Tat zur Seite standen. »Es hat sich da wirklich ein Teamgeist entwickelt, auch abseits des Feldes. Natürlich haben wir Trainer dazu kleine Hilfsstellungen gegeben, aber so was kannst du nicht bestimmen. So etwas entwickelt sich dann oder eben nicht«, betont Lex, und »Käptn« Wüst fügt noch an: »Wir hatten wirklich ein sehr gutes Gefüge im Team, alle haben an einem Strang gezogen. Und natürlich hatten wir auch zwei Trainer, die uns gefordert und gefördert und uns exzellent vorbereitet haben!«
Einer dieser beiden, Jens Dapper, nahm mit dem Aufstieg nun Abschied von der HSG. Zu groß sind seine beruflichen Verpflichtungen, um sie mit dem eigenen Anspruch an einen Drittligacoach noch vereinbaren zu können. Und auch wenn Andi Lex als hauptverantwortlicher Coach »vornestand«, so weiß er doch, wer das Fundament des Pohlheimer Erfolges gelegt hat. »Man muss ganz klar sagen, dass das Jens’ Mannschaft ist. Er hat das Team zusammengestellt, es trägt eindeutig seine Handschrift. Er hat die Truppe dorthin gebracht, was nun seinen Höhepunkt erlebt«, so der 37-Jährige. »Wir hatten wirklich eine tolle Saison. Wir haben uns bei allem abgestimmt und uns blind vertraut!«
Mallorca war für einen großen Teil des Teams jüngst das Ziel der meisterlichen Abschlussfahrt. Viel Zeit, »la dolce vita« zu genießen, bleibt ob der so langen Saison 2021/22 aber nicht. Denn bereits am 17. Juli bittet der HSG-Coach zum Trainingsauftakt, die neue Liga stellt nun neue und noch größere Herausforderungen dar. »Das Ziel - da kann es keine zwei Meinungen geben - kann von Anfang an nur Klassenerhalt lauten. Das wird natürlich eine ganz, ganz große Aufgabe für uns. Aber ich rechne uns schon Chancen aus, vor allem, wenn wir es schaffen, unsere Heimstärke wieder zum Tragen zu bringen«, glaubt Lex, zumal sich der Kader wohl kaum ändern dürfte (für Dennis Weisel, der in Zukunft kürzertreten will, stößt Daniel Schier von der HSG Kleenheim-Langgöns dazu). »Wir sind da auch nicht auf der Suche und gehen wohl mit dem aktuellen Kader in die Runde«, so Lex. Aber dass die HSG Pohlheim gut darin ist, vorab ausgegebene Ziele zu erreichen, das hat die »Meistersaison« in der Oberliga Hessen eindrucksvoll bewiesen.
