Stroh kein Strohfeuer

(ra). Oberliga-Handball vor Zuschauern gleich zu Beginn des neuen Jahres. Nicht selbstverständlich in Anbetracht der sich weiter verstärkenden Omrikon-Welle. Das überraschende 28:27 (11:9) der HSG Wettenberg am Freitagabend vor gut 200 Besuchern konnte von daher schon als Werbetrailer für den Amateurhandball herhalten. Vom Niveau her zwar nicht immer, aber von der Dramaturgie mit einem sich selbst begeisternden Gastgeber als Sieger und dem Neujahrs-Treffen unter Handball-Freunden allemal.
Der Handball als Sport an sich und der Handball zur sozialen Kontaktpflege in Pandemiezeiten durften sich als Sieger fühlen. Dazu passte, dass vor der Partie unter 2 G-Bedingungen die Väter des Wettenberger Handball-Fördervereins geehrt wurden.
Die HSG Wettenberg weiß nun wieder um ihre Chance auf das Erreichen der Aufstiegsrunde. Dies dürfte für die HSG Pohlheim kein Problem sein, allerdings hat der Derby-Freitag aufgezeigt, wie schnell ein kampfstarker Kontrahent sowie eigene personelle und spielerische Unzulänglichkeiten einen Strich durch die Rechnung machen können. Das Ziel ist noch lange nicht erreicht.
Wettenberger Auffälligkeiten
»Wir sind überglücklich, das Ding noch über die Zeit gebracht zu haben«, drückte Wettenbergs Jonas Schmidt die Freude seines Teams über den 28:27-Coup aus. »Mitte der zweiten Halbzeit wurde es immer enger, da mussten wir noch einmal alles reinwerfen. Wir haben aber die Nerven behalten und uns so für unsere gute Leistung belohnt«, sagte Schmidt, für den in dieser harzlosen Partie mitentscheidend für den Erfolg auch »die geringere Anzahl an technischnen Fehlern« war.
Die Mannschaft von Trainer Axel Spandau nutzte die Pohlheimer Probleme am Regiepult und stellte vor allem vor der Pause durch Hannes Rabe und Philippe Oyono mit Stefan Lex und Maxi Rühl die Halbdistanzschützen der Gäste weitgehend kalt. Zudem unterband eine bärenstarke Zusammenarbeit Torhüter/Abwehr über das 8:3 (16.) bis zur Halb zeit das Gegenstoßspiel des Favoriten. Das Pausen-9:11 aus Pohlheimer Sicht über die zweite Welle von Maxi Rühl zu Stefan Lex zum abschließenden Moritz Lambrecht war praktisch der erste gelungene Tempovortrag überhaupt.
Das Fehlen dreier Stammkräfte war den Wettenbergern weniger anzumerken als den Pohlheimern. Tom Warnkes 10:7 (27.) ins leere Gäste-Tor zeugte zudem von mehr geistiger Frische. Und selbst den offenen Schlagabtausch zu Beginn der zweiten Hälfte überstanden die Hausherren unbeschadet. Dank eines weiterhin mit starken Reflexen aufwartenden Torhüters Jan Stroh, der augenscheinlich von der Arbeit mit Torwart-Legende Martin Risse profitiert; dank der kaum zu bremsenden Aaron Weise, Tom Warnke und Tim Anhäuser. Und in der Crunchtime hatten Lennart Lauber und Co. dann auch noch die erforderlichen starken Nerven.
Pohlheimer Problemzonen
Nur ein Feldtor in der Anfangsviertelstunde, zu wenig Kreuzbewegungen im Positionsangriff, stets zu dicht am gegnerischen Abwehrverbund - beim coronabedingt erheblich geschwächten Oberliga-Titelanwärter HSG Pohlheim zeichnete sich zum Hauptrunden-Rückrundenstart bei der HSG Wettenberg bereits früh ab, dass der Freitagabend kein einfacher Handball-Abend werden sollte.
»Wir hatten schon vor der Pause in der Abwehr Probleme«, gestand nach der 27:28 (9:11)-Niederlage Moritz Lambrecht, der erstligaerfahrene Kreisläufer der Pohlheimer, »haben diese bei nur elf Gegentoren aber noch ganz gut kaschieren können. Dazu kamen dann allerdings noch etliche verworfene Siebenmeter und vergebene freie Würfe.« Nicht verwandelte Siebenmeter waren es am Ende fünf, vergebene freie Wurfmöglichkeiten ein halbes Dutzend. »Dann reicht es halt nicht«, konstatierte Lambrecht, zumal das Team des Trainergespannes Jens Dapper/Andreas Lex auch das für sie positive Überzahlverhältnis von 6:2 nicht zu nutzen verstand.
Ohne den Langzeitverletzten Torben Weinandt und ohne vier coronabedingt kurzfristig in Quarantäne versetzte Leistungsträger sowie mit einem nach langer Verletzungspause erst zurückgekehrten Max Rühl und einem stark getapten Moritz Lambrecht fehlte der HSG Pohlheim vor allem in Stresssituationen jene Souveränität, die ein selbsternannter Drittliga-Aspirant haben sollte.
Trotz des 3:8-Rückstandes nach gut einer Viertelstunde witterten die Gäste beim 16:16 in der 40. Minute durch den zehnfachen Torschützen Maximilian Rühl wieder Morgenluft, die Wende herbeiführen konnten Lex und Co. aber nicht. Zum einen scheiterte man primär bei Eins-gegen-eins-Wurfsituationen immer wieder am großartigen Jan Stroh im Wettenberger Tor, der seine beiden Gegenüber klar ausstach; zum anderen befand man sich beim 19:22 (50./Warnke) bereits wieder auf der Verliererstraße. Und über die Leistung der Referees musste man auch kein Wort verlieren: Wenn das Heimschiedsrichter gewesen sein sollen, dann ist der Papst fortan Buddhist.