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»Stibbich«, »Hotte« und der »Professor«: Das waren die Gießener Sporthelden in den vergangenen 75 Jahren

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Von: Wolfgang Gärtner

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Handball-Weltmeister Horst Spengler stemmt den »Pott« hoch, neben dem Weltklassekreisläufer aus Hüttenberg Erhard Wunderlich (r.) und Arno Ehret. © Imago Sportfotodienst GmbH

Der Sport spielt in Gießen und Umgebung schon immer eine besondere Rolle. Er ist eng mit herausragenden Sportlern verbunden, die Geschichte geschrieben haben und zu Legenden geworden sind.

Eine überquellende Osthalle. Mit viel Glück gerade noch ein Stehplatz-Ticket erwischt - ganz oben unter dem Dach. Unten die Volleyballer des USC Gießen - von Burkhard Sude, Frank Winkler, Peter Hassenpflug, Christoph Naumann bis Gerd Manthei. Sie erzielten in den 1980er Jahren mit ihren drei deutschen Meistertiteln Legendenstatus.

Ebenso wie die Basketballer vom MTV 1846 Gießen Ende der 1960er um die Youngster Bernd Röder und Klaus Jungnickel sowie in den 1970er Jahren um Hans Heß, die Strack Brüder Ulrich und Dieter, Karl Ampt, Michael Breitbach, Günther Lindenstruth und Ingo Froese.

Von Nationalspielern und Weltmeistern - Gießener Sportlegenden aus der Vergangenheit

Doch es gab noch viele andere Top-Sportler, die Gießen und die Region außerhalb bekannt machten - wie der Fußball-Bundesliga- und Nationalspieler Peter Reichel, der Handball-Weltmeister Horst Spengler, der Motorsport-Langstreckenweltmeister und Formel-1-Fahrer Stefan Bellof, der international für Aufsehen sorgende Autocrosser Willi Rösel, der Radfahrer Ralf Wicke oder die Olympia-Ruderer Paul Dienstbach sowie Ruth Kaps. Und, und, und Wir haben in den Archiven der Redaktion gekramt.

Der 1. September 1985 - heute vor 36 Jahren - war ein schrecklicher Tag im Hause der Bellofs. Ihr Sohn war bei der Langstrecken-Weltmeisterschaft auf der Grand-Prix-Rennstrecke von Spa-Francorchamps mit seinem Porsche 956 in der Links-rechts-Kurve namens »Eau Rouge« tödlich verunglückt - im Alter von nur 27 Jahren. Stefan Bellof galt weltweit als einer der brillantesten Rennfahrer - als der kommende Formel-1-Weltmeister. Eine Kreuzung zwischen Michael Schumacher und Gilles Villeneuve, wie es einst Herbie Blash, britischer Motorsportfunktionär und bis 2016 stellvertretender Renndirektor der FIA bei Formel-1-Rennen, auf den Punkt brachte. Der Gießener war deutscher Kart-Meister, deutscher Formel-Ford-Meister und gewann die Langstrecken-Weltmeisterschaft, ehe er 1984 im Team Tyrrell sein Debüt in der Formel 1 gab.

Straße in Gießen zu Ehren von Stefan Bellof

Bellof, von seinen Freunden »Stibbich« gerufen, war ein Charming Boy, wie er im Buche stand. Lange blonde Haare, leicht gelockt, immer ein Lächeln im Gesicht, bei dem seine Grübchen deutlich zutage kamen. Geschwindigkeit bedeutete ihm sehr viel. Schon in seiner Kindheit drehten er und sein älterer Bruder Georg »Goa« Bellof auf dem großflächigen Firmenhof des Karosserie-Lackierbetriebs der Eltern in der Rodheimer Straße mit der Nummer 100 in einem ausrangierten Goggomobil ihre Runden.

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Der viel zu früh verstorbene Gießener Stefan Bellof sitzt hier vor dem Großen Preis der Niederlande auf dem Circuit Park Zandvoort im Cockpit seines Formel-1-Boliden. © Imago Sportfotodienst GmbH

Gemeinsam gingen sie auch ihrem Hobby Fußball bei den TSF Heuchelheim nach - auf dem damaligen Rotascheplatz zogen sich die nie zurücksteckenden Bellof-Brüder etliche Schürfwunden zu. Am 9. September 1985 wurde in der Gießener Johanneskirche Abschied von Stefan Bellof genommen. Seine Geburtsstadt Gießen ehrte ihn gebührend mit der Stefan-Bellof-Straße im Gewerbegebiet »An der Automeile«.

Horst Spengler - der Handball-Weltmeister aus Lützellinden

Horst Spengler kann sogar auf einem kompletten Ring fahren, der in Hüttenberg (Hochelheim) nach dem ehemaligen Weltklasse-Handballer benannt ist. Für seinen Verein TV 05/07 Hüttenberg spielte der gebürtige Lützellindener 15 Jahre lang als Kreisläufer und wurde mit der deutschen Nationalmannschaft unter der Ägide von Vlado Stenzel und seinem Vater Rudolf Spengler als Co-Trainer in der Brondby-Halle in Kopenhagen Weltmeister.

Es war der 5. Februar 1978 - fünf Tage vor dem 28. Geburtstag von »Hotte«, wie er in Handballer-Kreisen genannt wird. Als Kapitän in einer einzigartigen Truppe um Heiner Brand, Joachim Deckarm, Erhard Wunderlich und dem legendären Torwart Manfred Hofmann erzielte Horst Spengler im Finale das entscheidende 20:16 beim 20:19-Sieg gegen die Russen. Übrigens: Mit dem Gießener Olympia-Basketball-Teilnehmer (1972) Karl Ampt drückte er in der Gießener Herderschule die Schulbank. Später unterrichtete er als Studienrat am Johanneum-Gymnasium in Herborn, hat jahrelang als Trainer in erster und zweiter Liga gearbeitet, den Handball-Bundesligisten HSG Wetzlar beraten.

Peter Reichel - der Fußball-Nationalspieler aus Gießen

In den Kreisen der Frankfurter Fußball-Bundesliga-Spieler hatte Peter Reichel seinen Spitznamen weg: »Charlie« Körbel, Bernd Hölzenbein, Jürgen Grabowski, Bernd Nickel, Gert Trinklein und Willi Neuberger sprachen den gebürtigen Gießener in den erfolgreichen 1970er Jahren mit »Professor« an.

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Eintracht Frankfurts Abwehrchef Karl Heinz Körbel (l.) gratuliert seinem Mitspieler Peter Reichel aus Gießen zum Tor. © Imago Sportfotodienst GmbH

Mit zehn Jahren trug Peter Reichel zum ersten Mal das Trikot des VfB 1900 Gießen, mit 19 das der Eintracht und mit 24 das der A-Nationalmannschaft. Am 20. Dezember 1975 erfüllte sich für den Gießener ein Traum: Bundestrainer Helmut Schön wechselte den zuverlässigen, zähen und schnellen Außenverteidiger in der 74. Minute für Bernhard Dietz beim 5:0-Sieg im EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei ein.

Überhaupt war 1975 für ihn sein Jahr - Heirat, Pokalsieg mit der Eintracht (bereits das zweite Mal) und der Beginn des Referendariats. Reichel fuhr schon frühzeitig zweigleisig und trieb neben dem Fußball-Profitum seine Ausbildung als Lehrer voran. Mit 27 Jahren beendete der zweifache Familienvater seine Karriere als Fußballer und unterrichtete Mathematik und Sport an der Sossenheimer Eduard-Spranger-Schule - unter anderem einen Jungen namens Andreas Möller.

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