1. Gießener Allgemeine
  2. Sport
  3. Lokalsport

So nimmt David Siebert beim FSV Fernwald Anlauf in der Heimat

Erstellt:

Von: Sven Nordmann

Kommentare

SiebertII_020822
Zurück in Gießen: David Siebert vor dem Hessenliga-Derby in der Plockstraße. © Sven Nordmann

Nach sieben Jahren in Frankfurt und Nürnberg kehrt David Siebert zurück nach Gießen, will seine Torausbeute für Fußball-Hessenligist FSV Fernwald verbessern und den Profi-Traum aufrechterhalten.

Fünf Jahre lang spielte der Gießener David Siebert für die Jugend von Eintracht Frankfurt, wechselte im Sommer 2020 zum 1. FC Nürnberg, bestritt dort letzte Saison 17 Einsätze für die Reserve in der Regionalliga Bayern - und steht heute (19 Uhr) im lokalen Hessen-Derby mit seinem FSV Fernwald auf dem Waldstadion-Rasen.

»Viele mögen meinen Wechsel zurück in die Heimat als Rückschritt ansehen«, sagt der 21-Jährige. »Aber ich sehe das anders. Ich nehme Anlauf. Meine engen Freunde wissen, welchen Traum ich nachwievor habe - Ich will es unbedingt noch schaffen.«

In der Heimat, Sieberts Familie wohnt nahe dem Schwanenteich, will der flexible Fußballer Kraft tanken, zwischendrin mit »alten Schulfreunden auch mal Basketball spielen oder in den Ulenspiegel gehen« - und mit starken Leistungen in der Hessenliga wieder auf sich aufmerksam machen.

Das Talent für höherklassige Ligen wird dem technisch starken Fußballer von vielen Seiten attestiert - die Rahmenbedingungen haben es dem Gießener in seiner jungen Laufbahn bislang schwer gemacht, den seltenen Sprung in den Profibereich zu schaffen.

Die jungen Lernjahre beim MTV 1846 Gießen waren geprägt von Idylle, »Freundschaften für’s Leben« entwickelten sich - nach seinem Wechsel zur TSG Wieseck läuft David Siebert vier Jahre lang an der Philosophenstraße auf. Als mit 14 Jahren der Wechsel in die Mainmetropole folgt, hat die Eintracht bereits mehrfach angefragt.

Es läuft gut für Siebert, seine beste Saison hat er rein zahlenmäßig 2017/18, als er in der U17-Bundesliga Süd/Südwest in 22 Partien acht Torbeteiligungen vorzuweisen hat. Seither allerdings macht der Körper in bis dato verlässlichen Abständen einen kleinen oder großen Strich durch die (Profi-) Rechnung.

Beinahe eine gesamte U19-Saison verpasst der Offensivakteur in Frankfurt durch eine gebrochene Nase, eine Zerrung und einen offenen Zehbruch. Nach seinem Wechsel ins Frankenland und der pandemiebedingten Pause zieht sich Siebert kurz nach seinem ersten Testspieleinsatz bei der ersten Mannschaft gegen die TSG Hoffenheim einen Meniskusabriss zu und fehlt in der Saisonvorbereitung.

Gerade wieder herangekämpft, sorgt eine Corona-Infektion für eine dreiwöchige Pause und das Versäumen der Winter-Vorbereitung 2021/22 - trotzdem bestreitet er letztlich elf Partien von Beginn an in der Regionalliga Bayern.

Da der ihm wohl gesonnene Trainer und Ex-Profi Marek Mintal, gewichtiger Grund für den einstigen Wechsel nach Nürnberg, vor der letzten Saison entlassen wird, bekommt Siebert immer mehr die Abhängigkeit von verschiedensten externen Faktoren zu spüren.

»Ich habe ziemlich stark gemerkt, dass ganz viel passen muss und das Glück auch dazugehört. Du bist auch davon abhängig, den richtigen Trainer zu haben, der auf dich setzt. Gleichzeitig hat es viel mit Selbstdisziplin zu tun.«

Die Zeit der Pandemie, mehr oder minder alleine in einer eigenen Wohnung in Nürnberg, sei hart gewesen. David Siebert hat durch den Fußball viel gelernt: »Am wichtigsten sind die Familie und die Freunde. Mein Bruder hat mich oft in Nürnberg besucht. Ich habe dadurch einen besseren Draht zu meiner Familie bekommen.«

Glücklich sein sei ihm jetzt am wichtigsten: »Das habe ich gelernt. Und glücklich bin ich, wenn ich meine Freunde und meine Familie um mich habe - und wenn der Fußball läuft.« Den Ballsport liebt der ehemalige Ostschüler (Abi-Notenschnitt: 2,4): »Der Fußball hat mir viel ermöglicht. Mit der Eintracht bin ich um die Welt gekommen. Darauf bin ich stolz. Ich war in Amerika, Katar oder China« - sagt Siebert, während er am Sonntag vor dem Hessenliga-Derby zur Mittagszeit ein Wasser im Newscafé der Gießener Plockstraße trinkt.

Mit der Frankfurter Eintracht kam der Ostschüler um die Welt: Amerika,

Katar, China - jetzt ist er zurück in

seiner Heimat, »in der ich fast jede Straße kenne«

»Es ist schön, wieder hier zu sein. Ich habe das vermisst.« Seit Beginn der Vorbereitung hielt sich David Siebert beim FSV Fernwald fit - und die Optionen lange offen. Daniyel Cimen vom FC Gießen fragte an, eine Woche lang trainierte der ehemalige U16-Nationalspieler bei Regionalliga-Aufsteiger Wormatia Worms mit, eine Zusammenarbeit ergab sich nicht. So stellte sich die Frage: »Willst du weiter durch Deutschland touren und bei verschiedenen Vereinen vorspielen? Oder willst du zuhause bleiben und dort ein Jahr Gas geben?«

Der Familienmensch entschied sich für die Gießener Option. Und so stellt er in der offensiven Reihe des jungen Fernwälder Teams gemeinsam mit dem aus Erfurt zurückgekehrten Tom Woiwod (21, Stürmer) eine attraktive Alternative für die heimischen Zuschauer dar.

»Ich habe mir vorgenommen, erfolgreich zu spielen und mich zu verbessern. Daniyel (Bulut, Trainer, Anm. d. Red.) kann mir dabei denke ich helfen.« Was auf der Agenda steht, wurde schon beim missglückten 1:3-Auftakt gegen den SV Steinbach deutlich: Die Torausbeute. Mehrere gute Möglichkeiten ließ Siebert dort liegen. »Vielleicht habe ich mir zu viel vorgenommen«, sagt er, zuckt mit den Schultern und lächelt.

Der junge Mensch weiß: »Am Ende machst du durch Zahlen auf dich aufmerksam.« Steigerungspotenzial im Bereich der Effektivität sieht auch sein Trainer, der in Anlehnung an Sieberts Rückennummer 17 scherzhaft sagte: »Bei uns sollte man die Anzahl an Toren schießen, die auf dem Rücken steht: Also 17.« Für Siebert ist klar: »Ich kann kicken - und ich will mehr Tore schießen.«

Wie es ist, mit einer gewissen Erwartungshaltung umzugehen, weiß der langjährige Akteur des Nachwuchsleistungszentrums aus Frankfurt nur zu gut: »Du lastest dir schnell viel Druck auf.« Siebert erweist sich als äußerst reflektierter junger Mensch, wenn er sagt: »Ich kenne U17-Nationalspieler, die von ihrem Verein in Deutschland nicht übernommen wurden, erst durchs Land touren, dann im Ausland spielen und denen es damit überhaupt nicht gut geht. Einer meiner Bekannten hat sich da rausgezogen, macht jetzt eine Ausbildung und ist damit jetzt glücklich. Es ist schwer, wenn du von Tag zu Tag abliefern und Erwartungen erfüllen sollst, um dich zu beweisen.«

Siebert selbst kennt die Momente, in denen die über Jahre aufgeblähte Blase zu platzen droht. Sowohl in Frankfurt als auch in Nürnberg ging es für den talentierten Fußballer nach viel Invest nicht weiter: »Das Risiko ist sehr hoch, dass dein Selbstvertrauen leidet. Wenn Fußball über Jahre so viel Platz in deinem Leben einnimmt und du nicht übernommen wirst, bist du am Boden. Das Problem ist, dass viele denken, Fußball sei alles. Ich will nicht wissen, in welches Loch ich gefallen wäre, wenn ich nicht solch eine Familie und diese Freunde gehabt hätte.«

Mit dem Traum Fußballprofi zu locken und eine stringente Ausbildung vorzugeben, sei aus Sicht der Profivereine in Deutschland notwendig: Ein offener Umgang und eine ehrliche Auskunft darüber, wie unwahrscheinlich der Übergang in den Profibereich aber wirklich ist, fehle.

»Das kriegst du nicht gesagt und willst es vermutlich auch nicht hören. Mir hätte das damals sehr geholfen, wenn ich einen Trainer gehabt hätte, der offen mit mir darüber spricht. Man muss den Kindern und Jugendlichen beibringen, dass es kaum einer schafft. Diese Verantwortung haben die Vereine aus meiner Sicht.«

Unter den jetzigen vorherrschenden Umständen in Deutschland sei es »sau schwer, der großen Enttäuschung enstprechend vorzubeugen - da musst du mental in jungen Jahren schon sehr, sehr stark sein.«

David Siebert zählt offenkundig zu jenen, die die Kurve auch dank eines großen Familien-Rückhalts bekommen haben - der begabte Fußballer ist zurück in der Heimat, in der er »fast jede Straße« kennt - und sagt dennoch: »Mein Traum vom Profi lebt.«

imago1011221023h_020822_4c_1
David Siebert spielte zuletzt zwei Jahre lang in der Regionalliga Bayern für den 1. FC Nürnberg II. © Imago Sportfotodienst GmbH

Auch interessant

Kommentare