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»So bereite ich mich auf den Ironman vor«

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Von: Sven Nordmann

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Den Gießener Schwanenteich tauscht Vincent Größer beim Ironman gegen den Pazifischen Ozean ein. © Red

Von Fernwald nach Hawaii: Der 25-jährige Vincent Größer zählt zu den Auserwählten, die sich für den prestigeträchtigen Ironman qualifiziert haben. 600 Kilometer Radfahren pro Woche zählen ebenso zur Vorbereitung wie ein spontanes Glas Wein.

An der Gießener Liebigschule kam Vincent Größer mit zwölf Jahren erstmals in Kontakt mit den magischen Bildern von Hawaii: Sein Lehrer Thomas Linnemann erkannte das Talent des mittlerweile 25-jährigen Fernwälders und flößte dem jungen Vincent das Triathlon-Fieber ein. »Seit diesem Tag im Alter von zwölf Jahren ist es meine Motivation, auf Hawaii am Ironman teilzunehmen. Diese Athleten waren meine Idole«, sagt Vincent Größer.

Am 6. Oktober 2022 ist es 13 Jahre später nun soweit: Zum ersten Mal startet der Medizin-Student der Justus-Liebig-Universität beim weltweit ältesten Triathlon der Langdistanz: 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren, ein Marathon mit 42,195 Kilometern Laufen zum Abschluss.

Aufgrund des pandemiebedingten Qualifizierungs-Staus über mehrere Jahre tritt der Athlet des TriTeams Gießen in wenigen Tagen in Konkurrenz zu rund 3000 Athleten an, die die Norm für den Prestige-Wettbewerb erfüllt haben.

In der italienischen Toskana bereitet sich der Fernwälder seit Mitte August auf das bisherige Karriere-Highlight vor. Im Interview spricht er über seine typische Trainingswoche, seinen lockeren Umgang mit der Ernährung und den Reiz, das Leistungsniveau des Körpers ständig zu erweitern.

Herr Größer, wie viele Kilometer spulen Sie in der Vorbereitung in Italien derzeit wöchentlich ab?

Meine Trainingswochen variieren immer wieder, aber zuletzt sah es über sieben Tage gesehen zum Beispiel so aus, dass ich rund 600 Kilometer Rad gefahren bin, zwischen zehn und 15 Kilometern geschwommen bin und rund 50 Kilometer gelaufen bin. Das dann aber in ermüdetem Zustand, um so spezifisch wie möglich an den Wettbewerb selbst heranzukommen, in dem ich ja auch zum Abschluss einen Marathon laufen muss.

Ein zeitintensives Training...

(lacht) Ja, das ist ein tagesfüllendes Programm. Mit Urlaub hier in der Toskana ist da nicht so viel. Meist fahre ich fünf Stunden Rad am Tag und lege dann noch eine Laufeinheit drauf. Ich sehe es als Privileg an, mich derzeit nur um mein Training kümmern zu können. Das war nicht immer so und wird nicht immer so sein. In einer normalen Uni-Woche, wenn ich in Fernwald wohne, könnte ich das nicht so handhaben.

Sie haben Ihr zweites Staatsexamen bereits im April abgelegt und beginnen im Rahmen Ihres Medizin-Studiums an der JLU Gießen ab November das praktische Jahr. Zufall, dass der Ironman auf Hawaii da im Oktober perfekt reinpasst?

(lacht) Nein, das war von mir schon so geplant. Das ist zeitlich alles abgestimmt. Die Qualifikation und Teilnahme am Ironman auf Hawaii waren mir sehr wichtig. Im November beginnt das praktische Jahr, nach dem Abschluss wird die Doktorarbeit abgegeben.

Derzeit weilen Sie also zur intensiven Vorbereitung in der Toskana.

Ja, meine Eltern haben hier vor einigen Jahren eine Wohnung erworben. Sie sind schon vor meiner Geburt regelmäßig nach Italien gefahren. Es ist für mich mittlerweile wie eine zweite Heimat, ich fühle mich emotional verbunden. Hier gehst du zum Bäcker oder Metzger und die Leute kennen dich. Außerdem ist es hier noch etwas wärmer. Das ist ein Faktor, auf den ich mich für Hawaii vorbereiten muss.

Verbringen Sie die Zeit in Italien alleine?

Nein, meine Freundin ist die meiste Zeit über da, meine Mutter war zuletzt für einige Wochen da. Wenn am Abend nach den Trainingseinheiten noch Energie da ist, trinken wir auch mal ein Glas Wein am Meer.

Das Glas Wein ist kein Problem für den Triathlon-Athleten?

(lacht) Nein, für mich nicht. Es mag Leute geben, die da dogmatischer rangehen. Mir reicht aber meist auch ein Glas Wein, damit ich etwas spüre.

Welche Rolle spielt die Ernährung für Sie?

Ich bin keiner, der da penibel drauf achtet. Ich ernähre mich trotzdem gut und gesund. Ich koche gerne und vertraue auf mein natürliches Gefühl. Wenn ich Lust darauf hätte, würde ich auch mal einen Burger essen. Ich verfahre nach keiner bestimmten Ernährungsweise wie vegan oder vegetarisch. Ich habe nicht das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen. Beim Radfahren mache ich auch mal einen Kaffeestopp mit drei Crossaints (lacht). Die Herausforderung ist eher, so viel wie möglich in sich reinzuschaufeln.

Wie viele Kalorien nehmen Sie in der Vorbereitung täglich zu sich?

Um die 5000 Kalorien. Das musst du erstmal reinbekommen. Nach dem Training hast du teilweise gar keinen so großen Appetit. Wenn du am Limit warst, ist der Magendarmtrakt angeknockt und gibt dir nicht immer die richtigen Signale. Dann musst du dich selbst daran erinnern. Meistens nehme ich erst mal einen Recovery Shake, dann ist die erste Ladung drin. Am wichtigsten ist aber, sich während dem Training gut zu versorgen. Wenn du über fünf, sechs Stunden Radfahrt nichts zu dir nimmst, kannst du das später nicht Eins zu Eins aufholen.

Nach welchem Prinzip verfahren Sie während dem Training in Sachen Nahrungszufuhr?

Umso länger die Distanz wird, umso wichtiger wird es, sich zu stärken, mit Energie-Gels und ausreichend Kohlenhydraten.

Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, sich nach der vierten Stunde auf dem Rad noch für die fünfte zu motivieren?

Das fällt mir meist einfach. Wenn du erst mal drin bist, geht das. Schwieriger ist es manchmal, anzufangen, wenn du morgens müde aufwachst. Letztes Jahr hatte ich ein Motivationstief, als mir mein Trainer den neuen Wochenplan geschickt hat. Da hatte ich ein Stück weit Angst, die langen Zeiten haben mich gestresst. Das war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte: »Es kann zu viel werden.« In so einem mentalen Zustand kannst du natürlich keine Leistung bringen. Das habe ich dann gemerkt. Aber ich habe das durchgestanden. Jetzt freue ich mich meist auf das Training und weiß: »Okay, das brauche ich, um erfolgreich zu werden.« Es kommt immer drauf an, mit welcher Erwartung und Haltung ich ins Training gehe. Eine gewisse Lockerheit tut gut. Und das Umfeld hilft, wenn dich da mal jemand rausholt. Du brauchst auch mal Phasen, in denen das unwichtig und zur Nebensache wird. Auch da hilft mir meine Freundin sehr.

Mit 25 Jahren dürften Sie ihre besten Jahre im Triathlon noch vor sich haben.

Du siehst es in fast allen Ausdauersportarten, dass man im höheren Alter leistungsfähiger wird. Die Stoffwechsel-Ökonomie wird besser, die Fettverbrennung eine andere. Jan Frodeno ist 41 Jahre alt und noch dabei. Die Erfahrung spielt auch eine Rolle. Bei so einer Langdistanz musst du geduldig sein und einen kühlen Kopf bewahren. Ich weiß, dass ich die besten Jahre noch vor mir habe.

Werden Sie den Fokus auch in Zukunft auf den Sport legen?

Vom Herzen her würde ich gerne noch einige Jahre Gas geben, meine Träume verwirklichen und sehen, was geht. Ich starte jetzt im Amateurfeld und will eines Tages als Profi unter den besten 100 starten. Ich weiß auch, dass das in mir steckt, aber die Frage ist, inwiefern das vereinbar sein wird mit meinem künftigen Beruf. Wenn ich als Arzt arbeite, wird es nicht leichter mit der Zeitsteuerung für das Training, zumal ich, wie gesagt, ambitioniert bin. Ein Leben als Profi-Triathlet musst du dir auch finanzieren können. Es ist nicht unbedingt leicht, entsprechende Sponsoren zu finden, die es einem ermöglichen, sich voll auf den Sport zu fokussieren. Ich lasse das auf mich zukommen.

Mit welchen Veränderungen wäre ein Leben als Profi verbunden?

Du musst eine Profi-Lizenz beantragen, die jährlich um die 1100 US-Dollar kostet. Dann startest du überall als Profi umsonst, trittst aber auch in Konkurrenz zu den Besten an. Das ist finanziell im Grunde wirtschaftlicher, weil Du alleine für den Ironman auf Hawaii diese Summe an Startgebühr zahlst. Zuletzt in Frankfurt lag die Meldegebühr auch bei rund 700 Euro. Du musst dich als Profi dann auf dem Niveau qualifizieren. Während im Amateurbereich dieses Jahr rund 3000 Athleten dabei sind, sind es im Profi-Segment nur circa 100. Dafür musst du den Fokus voll auf den Sport legen können. Ein Sponsor würde mir dabei immens helfen.

Den Ursprung nahm diese Begeisterung für den Triathlon mit zwölf Jahren in der Liebigschule...

Richtig. Ich war damals in der Leichtathletik unterwegs, da auch mein Opa und meine Mutter Leichtathleten waren. Ich hatte mich auf längere Laufdisziplinen konzentriert und bin mit meinem Papa hobbymäßig Rad gefahren. Dann hat mich mein Lehrer auf den Triathlon aufmerksam gemacht. Danach habe ich von der Pike auf gelernt, auf Wettkampfniveau zu schwimmen und habe mir ein Rennrad gekauft. Das hat mir so Spaß gemacht, dass ich kurz darauf ein erstes Radrennen gewonnen habe und der Hessische Landeskader auf mich zugekommen ist. Ich hätte im Radsport wahrscheinlich schneller Erfolge erzielen können, aber ich habe gemerkt, dass mein Herz für den Triathlon brennt.

Was begeistert Sie so an diesem Sport?

Was mich fasziniert, ist der Prozess, sich weiterzuentwickeln. Du merkst eindrücklich, wie du durch kontinuierliche Arbeit besser wirst. Du spürst, auf welches Leistungsniveau du deinen Körper bringen kannst. Es kann auch mal ätzend sein auf einer längeren Tour. Aber genauso hast du diese Momente, wenn du in der Toskana einen Berganstieg genommen hast und die Aussicht genießen kannst. Auf der Abfahrt die Landschaft dann wahrzunehmen, ist ein Traum. All das zu durchlaufen, gibt mir auch viel Selbstvertrauen. Ich bin es gewohnt, mit Herausforderungen umzugehen.

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