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Schmökern und schmunzeln

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Von: Michael Schüssler

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Matthias Janke und die Chronik des TSV Lang-Göns. FOTO: MS © Hans-Michael Schuessler

Wenn ein Verein oder eine Abteilung 75 Jahre feiert, ist das besonders, doch was Matthias Janke auf die Beine gestellt hat, das ist schon außergewöhnlich. Der Leiter Spielbetrieb Senioren Fußball im TSV Lang-Göns hat eine Chronik zusammengestellt - mit über 450 Seiten!

Matthias Janke ist ein sehr umgänglicher, sehr angenehmer Mensch, der natürlich stundenlang über Fußball philosophieren kann. Doch wie kam er dazu, eine so umfangreiche Chronik zu erstellen?

In seinem Vorwort zur Chronik heißt es unter anderem: »Das Entstehen dieser Chronik begann mit dem persönlichen Wunsch, die Sammlung von Zeitungsausschnitten und Bildern aus meinem aktiven Fußballer-Leben in einem Foto-buch zusammenzufassen. Dazu bot sich im Frühjahr 2020 unerwartet und unverhofft die Zeit und Muße. Die weltweite Corona-Pandemie brachte das gesellschaftliche Leben nahezu zum Erliegen und die gewohnte, lieb gewonnene Freiheit war sehr stark eingeschränkt. Während dieses ersten Lockdowns fing ich an, mein Sammelsurium aus Mannschaftsfotos, Bildern und Zeitungsberichten einzuscannen und zusammen zu kopieren.«

Im Laufe der nun mehr als zwei Jahre währenden Pandemie sammelte Janke mehr und mehr, sodass schließlich über 450 Seiten zusammenkamen. »Inspiriert von Henry Mohrs Buch über 75 Jahre Fußball im Kreis Gießen, habe ich während des ersten Lockdowns einen Großteil meiner Freizeit am PC verbracht. Die Idee der Chronik über die vielfältige Fußball-Geschichte des TSV fand ich irgendwie cool und spannend und hat mich vor allem von dem ganzen Corona-Sch... etwas abgelenkt.«

Die Chronik ist voller Rückblicke - natürlich in Sachen Anfänge. »Wir hatten nach der Gründung 1947 schnell eine starke Basis im Fußball«, sagt Janke. Doch aller Anfang ist schwer, wie das Bild unten links dokumentiert. Im September 1947 wollten die TSV-Fußballer an einem Turnier in Waldgirmes teilnehmen, Voraussetzung dafür wäre aber gewesen, einen eigenen Ball mitzubringen. »Den gab es aber nicht«, so Janke. Mangel war an der Tagesordnung nach dem Zweiten Weltkrieg, doch der TSV konnte letztlich bei diesem Turnier starten.

Danach ging es stetig bergauf. Die Anfänge lagen 1947, der TSV nahm erstmals offiziell am Spielbetrieb in der C-Klasse, Gruppe 1, teil. Am Ende erreichte man den zweiten Platz, nur dem SV Annerod musste man den Vortritt lassen. Nach und nach verließ der TSV in den folgenden Jahren die jeweilige Klasse nach oben, auch im Jugendbereich gab es Erfolge, wie beispielsweise 1962, als sich die Junioren in der Verbandsrunde der Junioren Platz eins sicherten. Zur Bezirksmeisterschaft sollte es nicht reichen, gegen die Sportfreunde Marburg zog man in den beiden Finalspielen den Kürzeren (0:4, 2:3). In den 60er-Jahren war der TSV zwischenzeitlich in der damaligen Bezirksklasse Süd beheimatet, ehe es dann wieder in die Niederungen der Kreis- ebene ging. Das war aber auch nur eine Episode, ehe die Grün-Weißen 1991/92 unter Momo Boskovic den Weg zurück in die Bezirksliga schafften.

Ende der 90er-Jahre folgte der etwas überraschende Aufstieg in die damalige Bezirksoberliga Süd - Trainer war Bernd Stark, der »wie die Faust aufs Auge« zu der damaligen Mannschaft passte. Nach einer ersten anstrengenden Bezirksoberliga-Saison trat er mit Platz zehn ab. Es kam Manfred Lemischko, die einstige Trainer-Legende des TSV Klein-Linden, für den dieser insgesamt elf Jahre tätig war. Mit dem TSV Lang-Göns fand Lemischko einen neuen Klub, doch die Zusammenarbeit sollte nicht lange währen. »Ich formuliere es mal so: Manni ist ein super Typ, aber es gab den einen oder anderen Spieler, der mit seinem Fokus in Sachen Fitness Probleme hatte«, sagt Janke mit einem Lächeln. Lemischko war stets dafür bekannt, dass vor allem in der Saisonvorbereitung Fitness das A und O ist. »Der Schiffenberg müsste eigentlich Lemischko-Berg heißen«, brachte es Rudi Hassler vor Jahren mal auf den Punkt - er hatte unter Lemischko in Klein-Linden gespielt. Als Lemischko-Nachfolger präsentierte der TSV Ottmar Wagner, mit dem man 1998/1999 den Klassenerhalt in der Bezirksoberliga schaffte. Schließlich reichte es in der Saison 1999/2000 nicht mehr zum Klassenerhalt, es folgte der Abstieg in die Bezirksliga.

Bundesligaspieler Dexter Langen

Stolz kann der TSV auch sein, dass dieser mit Dexter Langen auch einen Profi-Fußballer hervorgebracht hat. Nach 10 Jahren beim TSV Lang-Göns (bis zur B-Jugend) führte sein Weg die Junioren von Borussia Mönchengladbach schließlich zu Hansa Rostock. In der Saison 2006/2007 stieg Langen mit den Rostockern in die Bundesliga auf, er kam auf 25 Bundesliga- und über 100 Zweitliga-Einsätze.

Ein Meilenstein war im Juni 2003 die Fertigstellung des neuen Vereinsheims, im Zuge der Einweihung konnten die Amateure des VfB Stuttgart als Testspielgegner gewonnen werden - im Kader unter anderem Mario Gomez und Philipp Lahm. Später folgte der Kunstrasenplatz. »Das war natürlich auch ein ganz bedeutender Fortschritt für unser Vereinsinfrastruktur, denn so konnten wir ab diesem Zeitpunkt natürlich ganz andere Trainings- und auch Spielbedingungen ermöglichen.« Vor allem im Jugendbereich eröffneten sich damit natürlich ganz andere Möglichkeiten.

Etwas getrübt wird das 75 jährige Jubiläum davon, dass die erste Mannschaft nur noch theoretische Chancen auf den Klassenerhalt in der Gruppenliga hat. Aber auch ein Abstieg in die Kreisoberliga Süd würde heißen, einen sportlichen Neuanfang zu suchen. Aber auch das wird der TSV schaffen, das hat der Verein in seinen 75 Jahren mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die TSV-Chronik ist voll von Spielberichten, Bildern und Anekdoten. Es ist ein außergewöhnliches Buch, das Matthias Janke zusammengestellt hat. Wer Lust hat, kann die Chronik am Montag beim Endspieltag des SWG-Kreispokals erwerben. Für Freunde des Amateurfußballs eine außergewöhnliche Lektüre.

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Die Anfänge: Profane Dinge wie ein Ball heutzutage waren nach dem Zweiten Weltkrieg ein großes Problem. FOTO: MS © Hans-Michael Schuessler

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