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Reaktion auf Spielerrückgang

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Von: Michael Stahnke

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Dennis Grötzsch (r.) und Fabian Moritz sind für den NSC Watzenborn-Steinberg im Doppeleinsatz. Nach Umsetzung der neuen Vierer-Team-Regelung wird es in der Zukunft kein drittes Doppel mehr geben. FOTO: FRIEDRICH © Harald Friedrich

Der Tischtennis-Sport auf Hessenebene steht vor einer großen Veränderung: In Zukunft soll bei den Herren nur noch in Vierer- anstatt wie bisher in Sechser-Teams gespielt werden. Die Meinungen dazu gehen auseinander.

Änderungen für den heimischen Tischtennis-Sport stehen zur Umsetzung auf dem Programm. Denn kürzlich wurde auf der Beiratssitzung des Hessischen Tischtennis-Verbandes in Wetzlar beschlossen, dass auch auf Hessenebene bei den Herren mit Vierermannschaften und nicht mehr wie bisher mit Sechsermannschaften gespielt werden soll.

Von der Oberliga aufwärts wird bereits mit Vierermannschaften gespielt. Auf Hessenebene soll eine Umsetzung nun ab der übernächsten Saison erfolgen, auf Bezirksebene bis spätestens ab der Saison 2027/28 - und auch auf Kreisebene wird es wohl ähnlich aussehen. Dies ist eine echte Zeitenwende, denn seit der Zeit der Gründung des HTTV nach dem Zweiten Weltkrieg wurde bei den Herren bisher immer mit Sechsermannschaften gespielt.

Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass die Zahl der aktiven Spieler in den letzten Jahren kontinuierlich immer weiter zurückgegangen ist. Überdies hat die Corona-Pandemie deutliche Spuren in den Vereinen hinterlassen. Insgesamt gesehen hat sich der Tischtennis-Sport offenbar auch darauf ausgeruht, dass er altersmäßig lange ausgeführt werden kann und so die Nachwuchsarbeit oft nur als notwendiges, da sehr aufwändiges, Übel angesehen wurde. Das könnte sich jetzt bitter rächen.

Ob die nun praktisch bereits beschlossene Einführung von Vierermannschaften nun die Lösung der Probleme darstellt, wird in den immer noch großen Tischtennis-Kreisen intensiv diskutiert. Und letztlich können fast alle aktiven Spieler beiden Varianten positive und negative Seiten abgewinnen. So äußerte sich etwa Abteilungsleiter Jürgen Boldt vom Gießener SV sehr ausgewogen und mit vielen Details. Speziell für höher spielende Mannschaften sei es angenehmer bei Fahrstrecken von 300 bis 400 km, mit nur einem Auto fahren zu können, während die Spieler in den unteren Klassen ohnehin zumeist direkt zu den Spielorten kämen. Ein entscheidender Vorteil von Vierermannschaften sei, dass Spiele nach zwei bis zweieinhalb Stunden beendet wären und diese freitags oder unter der Woche dann nicht bis nach Mitternacht gehen würden. Andererseits wurde bei einer Befragung auch mitgeteilt, dass es das mit Tischtennis als Mannschaftssport gewesen sei, denn für die Geselligkeit sei es viel schlechter, wenn fast alle anwesenden Spieler entweder spielten oder zählten.

Drittes Paarkreuz fällt als Korrektiv aus

Ein entscheidender Unterschied sei auch, dass mit drei Paarkreuzen Defizite ausgeglichen werden könnten. »Somit wird das Mannschaftsgefüge kaputt gehen, da bisher jeder Spieler gleich viel wert war und Niederlagen anderer leichter auszugleichen waren«, so Boldt. »Aber auch wir haben wie fast alle Vereine in den letzten Jahren etwa 20 Prozent unserer Mitglieder verloren, das darf man nicht übersehen. Und für Vereine ist es leichter, eine Vierermannschaft aufzustellen.« Die Frage der Organisation bei Vierermannschaften könnte aber für kleinere Vereine zu einem logistischen Problem werden, wenn sie in Bürgerhäusern spielten. Für den Gießener SV sei dies allerdings nicht relevant.

Auf die Frage, warum man nicht einfach weniger Klassen mit Sechsermannschaften anbieten sollte, hat Boldt ebenfalls eine klare Meinung: »Der HTTV bekommt sein Geld aufgrund der Zahl der gemeldeten Mannschaften und auf diese Weise kann die Zahl der Teams künstlich etwa auf dem gleichen Niveau gehalten werden.« Dennoch sei die Zahl der Befürworter in der Abteilung größer als die der Gegner.

Jörg Lenz vom TSV Klein-Linden, der sowohl Klassenleiter als auch Schiedsrichter ist, sieht ebenfalls Vor- und Nachteile. Obwohl er persönlich Vierermannschaften präferiere, glaubt auch er, dass das Gefühl, wirklich in einer Mannschaft zu spielen, bei einer Vierermannschaft geringer sein wird. Deshalb werde es sicherlich den einen oder anderen geben, der dann sagt, dass er nicht mehr spiele. Als Schiedsrichter bei den Damen ab der Oberliga könne er erkennen, dass die Spielzeit zwar immer gleich sei, die Spiele nach dem sechsten Punkt einer Mannschaft aber fast nur noch besseren Trainingscharakter hätten. »Das Optimum gibt es halt nicht.« Und vielleicht wollten Kreise auch mit Sechsermannschaften weiter spielen, was sie ja noch selbst entscheiden könnten.

Martin Keizl, der Abteilungsleiter des NSC Watzenborn-Steinberg, positionierte sich am eindeutigsten positiv, da speziell unter der Woche zügig durchgespielt werden könne, was ein großer Vorteil sei, denn nicht alle Mannschaften könnten gleichzeitig am Wochenende spielen. Heutzutage wollten Spieler nicht mehr bis 1 Uhr nachts spielen. Viele Vereine meldeten deshalb bereits jetzt von sich aus - wo es gehe - Vierermannschaft, was ein eindeutiges Zeichen sei. Denn auch eine Vierermannschaft hätte ein Mannschaftsgefüge, was man auch bei den Damen sehen könne, die seit jeher mit Vierermannschaften spielten. Was er in den Mittelpunkt der Diskussion rückte, ist die Trainingsbeteiligung, die natürlich auch durch die Pandemie noch einmal entscheidend zurückgegangen sei. »Ich wäre froh, mit einer Sechsermannschaft weiter spielen zu können, aber es wird schwieriger und schwieriger werden, noch genügend Leute dafür zusammen zu bekommen.« Abschließend lässt Keizl tief blicken: »Man muss auf fallende Zahlen reagieren, bevor man denen ansonsten hinterher rennt.«

Mit der Thematik hat sich auch Matthias Hartmann, Abteilungsleiter der SG Rodheim aus der Wetterau, beschäftigt. Was ihn vor allem umtreibe, seien die Auswirkungen auf die Mannschaften selbst, denn wenn es keine großen Abgänge gäbe, müssten aus ihrer Bezirksoberliga-Mannschaft zwei Akteure in der Bezirksklasse spielen. Das könnte dazu führen, dass diese Spieler den Verein verlassen. Auch die Tatsache, dass bei gleichen Spielerzahlen die Zahl der Mannschaftsführer und der Klassenleiter weiter ansteigen müsste, sieht er kritisch, da diese Posten schon jetzt kaum noch jemand begleiten wolle. Auch er sehe die Gründe für die geplanten Umstellungen jeden Tag: »Jemanden über 18 dazu zu motivieren, dass er regelmäßig in einer Mannschaft spielen soll, geht kaum noch, das machen viele einfach nicht mehr. Sie wollen immer mal spielen, doch das ist für eine Mannschaft dann natürlich kaum möglich.« Ein Jugendlicher sei aber leichter in einer Sechsermannschaft zu integrieren als in einer Vierermannschaft, da der Druck dort gleich viel größer sei. Die Probleme der Nachwuchsgewinnung könne man mit der Umstellung natürlich auch nicht lösen, aber vielleicht werde das Sterben etwas gebremst. So die Hoffnung.

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