Playoffs im Visier

Auswärts beim SC Jena wollen sich die Gießen 46ers am heutigen Mittwoch endgültig für die Playoff-Runde in der 2. Basketball-Bundesliga qualifizieren. Es wäre die erste Qualifikation seit der Pro A-Meisterschaft 2015. Jena kämpft derweil um den Ligaverbleib.
Wer wissen wollte, was für kraftzehrende Wochen hinter den mittelhessischen Basketballern liegen, musste am Samstag nur ins Gesicht von Stefan Fundic blicken. Als der Center wie seine Teamkollegen den Erfolg über den Ligazweiten Tübingen mit den Fans feierte, sah man, wie ausgepowert der Serbe wirklich war. Ein Anhänger fragte Fundic beim Abklatschen im Spaß, warum die Mannschaft ihnen derart spannende Spiele immer wieder »antun« würde. Der Center erwiderte lachend, aber müde: Die Frage sei eher, wie lange er sich körperlich und mental derlei Partien noch antun könne.
Dafür gibt es viele Gründe. Die lange Verletzungsmisere im Team. Das vor einigen Wochen drohende Abrutschen ins Tabellenniemandsland. Einige Niederlagen, dann: Ärger und Aussprache mit Justin Martin. Schließlich die zwei so knappen wie wichtigen Siege in Paderborn und gegen Tübingen - all das hat immense Kraftreserven gekostet.
In Jena will man jetzt den Lohn für all diese Mühen einstreichen. Mit einem Sieg wäre die Playoff-Qualifikation gesichert. Sprungball in Thüringen ist heute um 19.30 Uhr. Sportdeutschland.tv überträgt das Spiel im Stream.
Die Lage: Im Frühjahr 2015 heißt der US-Präsident Barack Obama. Corona ist ein meist in mexikanisch angehauchten Läden verkäufliches Bier. Deutschland ist amtierender Fußball-Weltmeister. Und Gießen? Die 46ers qualifizieren sich damals zum zweiten Mal in Folge für die Playoffs in der Pro A, gewinnen diese ohne eine einzige Niederlage und heimsen damit den ersten Titel des Clubs seit 1979 ein.
Nach dem Aufstieg kratzten die 46ers mit Trainer Denis Wucherer zweimal sogar an der Quali für die BBL-Playoffs. Ab 2018 aber spielte man konsequent gegen den Abstieg, bevor 2022 der Ligawechsel erfolgte. Desto mehr fiebert Basketball-Gießen seit Beginn der Saison auf eine neuerliche Meisterschaftsrunde hin. Mit einem Sieg in Jena kann man dies bereits am Mittwoch aus eigener Kraft schaffen.
Personelles: Überraschend kehrte am letzten Spieltag Forward Roland Nyama verletzungsgenesen zurück. Die jetzt anstehende »englische Woche« mit drei Spielen in acht Tagen wird erneut viele Kraftreserven fressen. Gebraucht wird jede helfende Hand. Ob aber Spielmacher und Kapitän Nico Brauner gegen seinen Ex-Club wieder mit dabei sein wird, entscheidet sich erst am Spieltag: »Ich fühle mich gut. Ich mache eifrig meine Übungen und das zeigt Resultate«, ist Brauner zu Wochenbeginn vorsichtig optimistisch.
Der Gegner: Jena galt vor der Saison als Mitfavorit auf den Aufstieg. Diesen Anspruch zementierte man mit fünf Siegen aus den ersten sechs Spielen eindrucksvoll. Das Problem: seither sind nur fünf weitere Punktgewinne dazu gekommen.
Jenas Probleme erinnern stark an die der Gießener in den letzten BBL-Jahren. Zahlreiche gute Individualisten kennzeichnen den Kader, bilden zusammen aber keine Mannschaft. Kommt es hart auf hart, wird die Verantwortung an den jeweils nächsten weitergeschoben - oder, um im Basketball-Bilde zu bleiben: gepasst. Defensiv fehlt es an Härte. Im Februar zog der Verein die Reißleine. Neuer Trainer wurde Michael Mai, der zuvor in Bremerhaven tätig war. Zudem gönnte man sich mehrere Nachverpflichtungen. Eine davon war Topscorer Seth Allen: Der US-Guard (13 PpS) kam im Winter mit mehreren Auslandsstationen auf der Visitenkarte in die Optikstadt, wurde nach Differenzen Ende März aber entlassen. Bester Punktesammler ist damit Brandon Thomas, der den Gießener Basketball (2018-2021) in den letzten Jahren mitprägte.
Jena liefert sich ein Fernduell um den Ligaverbleib mit Leverkusen und hat dabei die besseren Karten: einen Sieg mehr und den direkten Vergleich. Dennoch würden den Verantwortlichen beim ambitionierten Club Steine im Ausmaß des Jenaer Hausbergs (400 m) von der Seele fallen, gewänne man gegen Gießen. Diese jedoch haben mit den Playoffs ihre ganz eigene Agenda im Visier.
Das sagt Kapitän Brauner: »Für mich persönlich wird es ein interessantes Spiel, weil ich an eine alte Wirkungsstätte zurückkehre. Es wird sicher hart umkämpft. Jena hat viel Qualität und spielt gegen den Abstieg. Da werden sie bissig agieren. Wir wollen als Mannschaft so viel Momentum wie möglich mitnehmen, bevor es in die Playoffs geht. Ein Auswärtssieg würde uns da enorm weiterhelfen.«