Mit Höhen und Tiefen

Eine turbulente Saison liegt bislang hinter dem TV 05/07 Hüttenberg. Mit 17:19 Punkten rangieren die Mittelhessen auf Rang zwölf und haben vor allem auswärts für Aufsehen gesorgt. Nach der WM-Pause soll das Sportzentrum auch wieder eine Festung werden. Wir ziehen Bilanz, blicken auf Stärken und Schwächen und auf Bereiche, in denen Steigerungspotenzial besteht.
Alle Jahre wieder pausieren die Handball-Profiligen, da im jährlichen Wechsel entweder eine EM - oder wie jetzt - eine WM ansteht. Etwas Durchschnaufen also, nachdem der Dezember wieder einmal vollgepackt war mit fünf Spieltagen bis zum Jahresabschluss am 2. Weihnachtsfeiertag. Womit aber auch schon wieder 18 Spieltage absolviert sind, sodass mit dem Wiederbeginn Anfang Februar die Vorrunde abgeschlossen wird.
Der heimische Zweitligist TV 05/07 Hüttenberg startet zwar am ersten Februar-Wochenende in ein sicher spannendes Wettkampfjahr 2023. Das Gastspiel beim ukrainischen Meister HC Motor Zaporizhzhia, der seine handballerische Heimat in dieser Saison in Düsseldorf hat und von der HBL in einer Solidaraktion im Sommer in die 2. Liga integriert wurde, sieht Trainer Johannes Wohlrab aber noch als Bestandteil der Vorbereitung.
Zwei Tabellen: Wie angedeutet, ist der ukrainische Champions-League-Teilnehmer Zaporizhzhia als Gastmannschaft in der 2. HBL am Start. Durch die Begradigung auf 20 Mannschaften gibt es keine Mannschaft, die ein spielfreies Wochenende hat. Irritierend ist aber, dass die Ergebnisse der Ukrainer mit in die Tabelle übernommen und erst am Saisonende herausgerechnet werden.
Routine : Im Sommer sind mit Co-Trainer Stefan Kneer, der aber aufgrund der Verletzungsmisere doch noch zweimal das Trikot überstreifen musste, Christian Rompf und Stefan Kneer Spieler mit unfassbarer Erfahrung in den Handball-Ruhestand verabschiedet worden. Zudem machte Dominik Mappes deutlich, dass er dann doch zu stark für die 2. Liga ist und verabschiedete sich nach Gummersbach. Qualität und Routine, die der TVH mit dem zweitjüngsten Team der Liga natürlich nicht zu 100 Prozent kompensieren kann. Erst recht, da der nun einzige Ü30-Spieler Timm Schneider aufgrund seiner in der Vorsaison in Gummersbach erlittenen und falsch diagnostizierten Knieverletzung erst am achten Spieltag eingreifen konnte.
Verkehrte Welt: Auswärts hui - zu Hause pfui. Bis zum 13. Spieltag galt diese außergewöhnliche Gleichung für die Blau-Weiß-Roten. Die heimische Festung der Vorsaison ist noch nicht wieder aufgebaut. Bedingt allerdings auch durch den Spielplan, der vorsah, dass zu Rundenbeginn vier der in den Top-sechs rangierenden und aufstiegsambitionierten Teams im Sportzentrum vorstellig wurden und die Punkte entführten. Dagegen trumpfte die Wohlrab-Sieben in fremden Hallen erstaunlich unbekümmert und abgezockt auf mit unter anderem einem Unentschieden in Eisenach oder einem Triumph in Dessau. Wohlrab versprach aber nach der 30:31-Niederlage an Weihnachten gegen Essen den versammelten Sponsoren und Gönnern: »Wir werden wieder eine Heimmacht, die ihr Herzblut auf der Platte lässt.«
Steigerungspotenzial: Mit der Verpflichtung von Leonard Grazioli mit Zweitspielrecht von Kooperationspartner HSG Wetzlar hatten sich die Hüttenberger Verantwortlichen mehr Konstanz im Tor erhofft, nachdem Dominik Plaue in der Rückrunde der Vorsaison seine starke Hinserie nicht bestätigen konnte. Bisher konnte der Schweizer Nationalkeeper Grazioli aber im Zusammenspiel mit seinen neuen Vorderleuten noch nicht die Erwartungen erfüllen. 42 Prozent gehaltener Bälle gegen Essen zum Jahresabschluss zeigen aber das große Potenzial, welches in dem noch 21-Jährigen steckt. Ihm fehlt aber noch die Konstanz, sodass der TVH aktuell die sechstschlechteste Abwehr der Liga stellt. Auch, da sich natürlich noch die Abstimmung mit Rückkehrer Timm Schneider im Deckungszentrum einspielen muss. Defensiv muss der TVH unbedingt eine Schippe drauflegen. Denn Ballgewinne als Basis für einfache Tore in der ersten und zweiten Welle sind unabdingbar. Obwohl man - allen zeitweisen Abschlussproblemen zum Trotz - mit bisher 510 Saisontoren in der oberen Tabellenhälfte rangiert.
Weber meldet Ansprüche an
Führungskräfte: Natürlich fehlt ein Dominik Mappes, der in der Crunchtime die Verantwortung übernahm und dies nun weiterhin - allerdings im Gummersbacher Trikot - tut. Der 22-jährige Ian Weber formuliert offensiv seinen Anspruch, diese Rolle zu füllen, was ihm - unter anderem als fünftbestem Liga-Torschützen mit bereits 105 Treffern - auch sehr gut gelingt. Dass ihm in seinem noch jungen Alter aber unter anderem die jahrelange Erstligaerfahrung von Mappes fehlt, ist verständlich. Im Deckungszentrum hat sich Moritz Zörb als unverzichtbarer Chef etabliert, der zudem immer besser mit Schneider harmoniert. Der Lützellindener überzeugt aber auch offensiv mit einer Trefferquote von über 80 Prozent. Rückkehrer Schneider, gleich vom TVH-Coach auch zum Kapitän ernannt, hat nach seiner langen Verletzungspause verständlicherweise Aufholbedarf, ist aber mit seiner knapp 15-jährigen Bundesliga-Routine als Stabilisator unverzichtbar.
Ausfälle: Zeitweise fehlten Trainer Johannes Wohlrab fünf Spieler. Dies zu kompensieren, fällt jeder Mannschaft schwer. Vor allem, wenn diese Ausfälle auch noch in einer englischen Woche passieren. Speziell der Rückraum war besonders gebeutelt durch die Langzeitausfälle von Joel Ribeiro und Paul Kompenhans aufgrund ihrer Fußverletzungen und dem verspäteten Saisoneinstieg von Kapitän Schneider. Aber auch ansonsten engten weitere zeitweise Ausfälle Wohlrabs Möglichkeiten oft beträchtlich ein. Lediglich Dauerbrenner Weber und Youngster Niklas Theiß waren in allen 18 Partien dabei, wobei Linkshänder Theiß zuletzt verletzungsbedingt nur zu einem Kurzeinsatz kam.
Ist der TVH im Soll? Dass Abschlussrang vier in der Vorsaison ein Ausschlag nach oben nach einer nahezu optimalen Saison war und nicht einfach wiederholt wird, verwundert nicht. Die kurzzeitige Nähe zu den Abstiegsrängen konnte man mit einer Serie von drei Siegen Anfang Dezember abwenden. Dennoch ist es in dieser ausgeglichenen Liga, in der sich einzig Erstliga-Absteiger HBW Balingen-Weilstetten an der Tabellenspitze abgesetzt hat und am Ende die Wölfe Würzburg den Anschluss zu verlieren scheinen, für das selbst ernannte Original aus Mittelhessen unerlässlich, in jedem Spiel an das Optimum zu kommen, um sich in der oberen Tabellenhälfte festsetzen zu können. In der um Zaporizhzhia bereinigten und für Auf- und Abstieg relevanten Tabelle trennen den TVH mit seinen bisher erzielten 17:19 Punkten auf Rang elf nur sieben Punkte vom Tabellenzweiten Eulen Ludwigshafen. Der aktuell von Konstanz eingenommene erste Abstiegsrang ist aber auch nur sechs Minuspunkte entfernt. In dieser engen Konstellation kann ein kleiner Punktelauf schnell enorme Veränderungen im Ranking bewirken. Mit diesem Wissen hat sich Wohlrab mit seinem Team am zweiten Weihnachtsfeiertag in eine zweiwöchige Pause verabschiedet. In der Vorbereitung auf die Rückrunde werden die Handballer aus Hochelheim und Hörnsheim - neben dem erwähnten Spiel gegen die Ligagäste von HC Motor Zaporizhzhia - am 20. Januar gegen den vom Ex-Eisenacher Christoph Jauernik trainierten niederländischen Meister Limburg Lions testen, um dann - möglichst verletzungsfrei - in eine aus TVH-Sicht hoffentlich erfolgreiche Rückrunde zu starten.