Mit Druck über die Berge

In großen Pulks zu fahren, das ist nicht so ihr Ding. Aber Marathons und Zeitfahren mit reichlich Höhenmeter in den Bergen, das sind Dinge, die den ganzen Ehrgeiz von Julia Schallau herausfordern.
Sie liebt die Berge - und sieht ihre Stärken im Bergzeitfahren und in Marathons mit vielen Höhenmetern. Das passt perfekt zusammen bei Julia Schallau aus Allendorf/Lahn, die auch schon bei Rundstreckenrennen und in der Rad-Bundesliga Qualitäten unter Beweis gestellt sowie als E-Cyclerin mit der Rolle auf der Online-Plattform Zwift mit überragenden Leistungen für Aufsehen für das Team »ROSE Beastmode« gesorgt hat. Ein Trumpf der Rennradfahrerin ist es allerdings, auf Topniveau dauerhaft extrem hohe Wattwerte zu treten, was ihr ganz besonders im hügeligen Gelände entgegen kommt. So hat sich die Gießenerin beim UCI-Granfondo Villars in den Vogesen den Sieg im Bergzeitfahren geholt, im Straßenrennen erfolgte allerdings ein eher seltenes »DNF« für Schallau: Did not finish, nach zwei Defekten an ihren Radmänteln war vorzeitig Schluss. Auch das gehört zum Radsportleben.
Ihr Saisoneinstieg war bereits stark verlaufen, wenngleich sich Schallau inmitten großer Starterfelder nicht übermäßig wohl fühlt. Bei der Skoda-Velotour im Rahmen des 1.-Mai-Rennens Eschborn-Frankfurt starteten von 6200 Teilnehmern gleich über 3000 auf der 100-km-Strecke mit 1700 Höhenmeter, und trotz Sturzes musste sich Schallau nach 2:45 Stunden lediglich Laura Tibitanzl geschlagen geben - damit durfte sie als Zweite auf das Siegerpodest steigen. »Ich musste mich erst einmal in einem so großen Feld zurechtfinden und habe nach meinem Sturz schnell gemerkt, dass ich meine eigentlich angestrebte Leistung am Feldberg nicht vollbringen kann«, nichtsdestotrotz reichte es zu Platz zwei.
Schallau, die zum Beispiel öfters Intervalle auf der Straße hoch nach Biebertal-Königsberg ins Training einbaut, sicherte sich kurz später im Rahmen der World Series beim UCI Schleck Gran Fondo in Luxemburg über 90 km und 1000 hm nicht nur den zweiten Platz, sondern auch die Qualifikation für die Grand-Fondo-Weltmeisterschaft Mitte September im italienischen Trento. »Damit ist ein wirklicher Traum für mich in Erfüllung gegangen«, ist die Vorfreude schon heute groß.
Beim Radmarathon Tannheimer Tal Anfang Juli standen 214 Kilometer und 2500 Höhenmeter auf dem Programm, und das bei hochsommerlichen Temperaturen. Dennoch kein Problem für die Allendorferin, die es schließlich »lieber etwas kühler« mag und sich mit über 4:30 Minuten Vorsprung den Sieg in der Frauenwertung sicherte. Nach dem Start am frühen Morgen um 6 Uhr »war ich stolz, mit den Marathon-Expertinnen Beate Zanner und Daniela Traxl-Pintarelli fahren zu können. Am letzten Berg hatte ich noch etwas mehr Power und konnte ihnen wegfahren.«
Beim GFNY Grand Ballon in den Vogesen mit der Überquerung des Grand Ballon, Col du Firstplan, Petit Ballon und Col du Platzerwasel über 150 Kilometer mit 3750 Höhenmeter sprang am Ende der überragende zweite Rang und Qualifikation für die World Championship heraus. Allerdings wird Schallau den kostspieligen Trip zum Finale nach New York nicht antreten.
Groß war die Vorfreude auf das Zeitfahren im Rahmen der Erzgebirgstour, wobei Schallau als Einzel-Zweite einmal mehr unter Beweis stellte, dass sie extremen Druck auf die Pedale bringen kann, und dies fortwährend.
Ein weiterer Höhepunkt im Rennkalender von der Teamfahrerin von Bikes’n Boards war der Arlberg-Giro mit 1500 Teilnehmern: Nach dem Arlbergpass war noch die Bieler Höhe (2032) zu bewältigen, ehe die Strecke durch das Paznaun- und Stanzertal zurück nach St. Anton am Arlberg führte. 4:28:17 Stunden war die Anfang 30-Jährige unterwegs, um sich nach über 150 Kilometer und 2500 Höhenmeter in beeindruckender Manier den Sieg zu sichern, wenige Sekunden vor den Österreicherinnen Laura Rumpl und Christina Sautner. »Der Arlberg-Giro war einer der schönsten Kurse, die ich bisher gefahren bin, und das Gefühl von Freiheit ist mit jeder Serpentine nach oben größer geworden«, schaut die Allendorferin gern auf den Marathon in Österreich zurück, zumal es »das erste Rennen war, in dem ich mich auch bei sehr schnellen Abfahrten mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h sicher gefühlt habe«.
Zurück in Mittelhessen, steht für Schallau Training in all seinen Facetten von der Grundlagenausdauer über Intervalle bis hin zur Kraftausdauer auf dem Programm. Da kommen »in der Woche etwa 20 Stunden zusammen«, wie die ehemalige Triathletin erklärt, in Kilometer umgerechnet springen »je nach Höhenmeter 700 und mehr Kilometer« dabei heraus. Das ist nicht nur anspruchsvoll, sondern auch extrem zeitintensiv, weshalb der Dank der Bikes’n Boards-Teamfahrerin an ihren Chef Michael Gaul geht.
Der Saisonhöhepunkt, der ist natürlich klar definiert: »Mein Hauptziel ist die Weltmeisterschaft in Trento«, schaut die Rennradfahrerin bereits voller Vorfreude voraus. Mehr als 100 Kilometer mit über 3500 Höhenmetern sind dabei zu absolvieren für Schallau, die natürlich hofft, dass es Mitte September nicht mehr ähnlich heiß ist wie in diesen Tagen.

